Das Thema Ernährung lassen Dermatologen bei der Beratung von Akne-Patienten oft aus. Hier besteht ordentlich Nachholbedarf – dabei ist die Mehrheit der Betroffenen überzeugt, dass ihre Diät und ihr Hautbild zusammenhängen.
Acne vulgaris betrifft etwa 9 % der globalen Bevölkerung, insbesondere in den westlichen Ländern. Doch oft wird Akne als ein bloßes ästhetisches Problem abgetan, obwohl sie eine ernstzunehmende Erkrankung ist. Sie geht häufig mit einem niedrigen Selbstwertgefühlt sowie psychischen Komorbiditäten, wie Depression oder sozialen Angststörungen, einher.
Studien zeigen durchaus, dass Ernährung eine Rolle bei der Entwicklung von Akne spielt – und trotzdem gibt es selten Ernährungsinterventionen in der dermatologischen Praxis. Auch die deutsche Leitlinie zur Behandlung von Akne erwähnt keine ernährungsspezifischen Interventionen und wurde zudem seit 2011 nicht mehr aktualisiert. Auch die jüngste Leitlinie des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) zum Management von Acne vulgaris erwähnt nur, dass es noch keine genügenden Belege für den Effekt unterstützender Diäten gibt.
Auch wenn die Hypothese, dass Akne eine ernährungsbedingte Krankheit ist, schon in den 1960ern verworfen wurde, verdichten sich die Hinweise, dass das Hautbild mit der Ernährung zusammenhängt. Ein Review, das 53 Studien umfasst – darunter auch randomisierte, kontrollierte Studien – kommt zu dem Schluss: Lebensmittel mit hohem glykämischem Index und glykämischer Last (GI/GL), Milchprodukte sowie fetthaltige Lebensmittel und Schokolade können Akne fördern. Dagegen sollen Omega-3-Fettsäuren, Obst und Gemüse vor Akne schützen. Allerdings bleibe laut Autoren weiterhin umstritten, ob dieser Zusammenhang ein kausaler ist oder aus einer umgekehrten Kausalität entsteht – das heißt, wenn Betroffene ihre Ernährung sowieso aufgrund ihrer Akne umstellen.
„Es gibt keine spezifische, nachgewiesene wirksame ‚Akne-Diät‘“, erklärt Prof. Martin Smollich vom Institut für Ernährungsmedizin der Uniklinik Schleswig-Holstein auf Anfrage der DocCheck News. „Betroffene probieren aber viele Dinge aus und versuchen, Trigger-Faktoren aus der Ernährung zu eliminieren.“ Dabei entständen oft nur gefühlte Zusammenhänge, die so nicht im Studiensetting replizierbar seien. Er fasst die Datenlage zu einem Ernährungseffekt bei Akne wie folgt zusammen:
Das Problem bei GI/GL sei jedoch, dass die Glukose-/Insulin-Response auf identische Lebensmittel sehr individuell ist. Das heißt, dass Tabellen zum GI/GL von Lebensmitteln nicht einfach verallgemeinerbar seien, so der Ernährungswissenschaftler. „Das erklärt übrigens auch die widersprüchliche Studienlage dazu – manche Studien zeigen einen positiven Effekt von Low-GI/GL-Diät, andere nicht.“ Für die Praxis bedeute das, dass Patienten diese Diäten unter professioneller Anleitung durchaus probieren können, denn es könnte individuelle Erfolge geben.
Doch in der Derma-Praxis spielt das Thema Diät im Gespräch mit Patienten kaum eine Rolle – das zeigt eine Umfrage, die Smollich leitete. Die Befragung wurde online erhoben und schloss mehr als 1.000 Akne-Patienten ein.
Obwohl die große Mehrheit der Befragten (75 %) von einem Effekt der Ernährung auf ihre Akne überzeugt war, thematisierten fast 90 % der Dermatologen diesen Aspekt überhaupt nicht. Nur 3,3 % der Befragten erhielten eine Beratung auf Anfrage und nur 1,1 % eine detaillierte ernährungsspezifische Konsultation. Etwa 67 % gaben an, dass sie keine ernährungsspezifische Beratung bekamen – aber gerne gehabt hätten – und etwa 20 % empfanden die Beratung des Dermatologen als nicht ausreichend. Im Gegensatz dazu gaben lediglich 2,2 % der Teilnehmer an, vom Dermatologen gut beraten worden zu sein.
Daher suchen Betroffene (93,1 %) nach zusätzlichen, nicht immer validen, Informationsquellen: Instagram (63 %), Online-Foren (54 %) und Lehrbücher (46 %). Zusätzlich gaben 15 % der Befragten an, dass sie sich durch Podcasts, Besuche beim Heilpraktiker oder Ernährungsberater, die auf traditionelle chinesische Medizin zurückgreifen, informieren sowie durch eigene Recherchen, Coachings oder Vorlesungen. Doch die Befragten empfanden ihre daraus resultierenden Ernährungsinterventionen oft als erfolglos und glaubten, dass eine Informationslücke bestehe.
Die Teilnehmer, die sich selbst informierten, erhielten häufig die Empfehlung, sich von Zucker (86,4 %), Milchprodukten (82 %), Fast Food (80,4 %), Süßigkeiten (78 %) und Milch (77,4 %) fernzuhalten. Umgesetzt wurde davon insbesondere der Verzicht auf Milch (66,7 %), Milchprodukte (58,7 %), Fast Food (54,6 %) und Zucker (50,3 %). Außerdem erhielten sie die Empfehlung, viel Wasser zu trinken (89,8 %) sowie mehr Gemüse (75 %) und Obst (53,2 %) zu essen und vermehrt Lebensmittel, die reich an Omega-3-Fettsäuren sind (45 %). Viele der Teilnehmer wurde auch zu einer komplett vegetarischen (42,4 %) und veganen (26 %) Ernährung geraten.
Allerdings konnten Smollich und Kollegen in ihrer Studie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dieser Selbstaufklärung der Probanden und dem Erfolg der Ernährungsinterventionen feststellen. Das entspricht auch der allgemeinen Erfahrung der Teilnehmer.
Auch diese Studie hat Limitierungen. Eine davon besteht darin, dass es sich um eine explorative Befragung handelt. Das heißt, der Fragebogen wurde für diese Befragung entwickelt, ohne zuvor validiert worden zu sein. Den Autoren zufolge sei das auch auf den Mangel an bisherigen Studien zu diesem Thema zurückzuführen. Es seien weitere Arbeiten nötig. Ein Inclusion Bias könnte die Ergebnisse ebenfalls verzerren, weil möglicherweise hauptsächlich Betroffene die Umfrage beantwortet haben, die bereits davon ausgehen, dass Akne und Ernährung zusammenhängen.
Dennoch: Die Umfrage weist auf eine große Informationslücke bei Patienten hin, die von Acne vulgaris betroffen sind – weil Ernährung im ärztlichen Gespräch fast nie thematisiert wird. Betroffene suchen oft Rat bei unseriösen Angeboten oder probieren ohne professionelle Begleitung überrestriktive Diäten aus, schreibt Smollich in einem Tweet.
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Das kann Folgen haben: Aktuell gebe es laut Smollich einen großen Hype um Fasten sowie Keto-, Paleo- und Gluten-Diäten. Er gibt zu bedenken, dass Keto- und Paleo-Diät häufig sehr ballaststoffarm und reich an tierischen Fetten seien und eine glutenfreie Ernährung das Risiko für Mikronährstoffmangel und erhöhte Schwermetallbelastung berge.
„Ärzte, vor allem Dermatologen, sollten sich mit dem aktuellen Stand der Ernährungsempfehlungen zur Akne beschäftigen und Patienten dazu gezielt und evidenzbasiert beraten“, fordert Smollich. „Therapieversuche im Rahmen von Eliminationsdiäten können durchaus zeitlich begrenzt probiert werden, wenn gleichzeitig die Effekte auf die Symptomatik objektiviert werden und Gesundheitsrisiken durch die Diät ausgeschlossen sind.“
Bildquelle: Jay Wennington, Unsplash