Personalmangel, niedriges Gehalt, fehlende Work-Life-Balance – die Pflege brennt. Zeitarbeitsfirmen umgehen diese Probleme mit ihrem Konzept. Krankenhäusern wie der Charité ist das ein Dorn im Auge.
Zeitarbeit wird in der Pflege ein zunehmend wichtiges Thema – so wichtig, dass sogar die Charité in Berlin dagegen vorgehen will. Hört man sich aber auf der Seite der Pflege um, gibt es fast nur positive Meinungen über die Arbeitsgestaltung der Leasing-Firmen. Die Diskussion ist schon längst nicht mehr nur eine Frage der finanziellen Gegebenheiten oder des Vorteils für einzelne Pflegepersonen, sondern viel mehr der Haltung: Bin ich für oder gegen Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen in der Pflege?
Die „Leasingflut“, die medial auf die Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser aufzulaufen droht, ist ein Symptom des Pflegenotstands. Sie besteht aus etwas über 25.000 Pflegepersonen im Jahr 2021, was einem Anteil von etwa 0,02 % aller Pfleger entspricht. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sehen langsam ein Problem darin – denn die Zahl der Pfleger in Leiharbeit steigt.
Nie war der Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal größer als heute und wegen schlechter Arbeitsbedingungen sucht dieses nach Alternativen zum belastenden Stationsalltag. Wenn diese Personen also nicht komplett aus dem Beruf ausscheiden oder mit einer Weiterbildung in Nischen oder Randgebiete der Pflege wechseln, bleibt ihnen die Option der Leiharbeit zu deutlich verbesserten Bezügen. Leiharbeitsfirmen locken dabei nicht nur mit besserem Gehalt, sondern auch einer verbesserten Work-Life-Balance dank Wunschplan und fehlendem Einspringen – genau die Punkte, die sich jede Pflegeperson so sehnlich wünscht. Dafür nimmt man sogar die Flexibilität in Kauf, die man zwangsweise mitbringen muss, da der Arbeitsplatz häufiger wechseln kann.
Des einen Freud ist des anderen Leid, denn dieser Umstand verursacht bei gewinnorientierten Unternehmen – wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen es sind – regelrecht Kopfschmerzen. Wenn die Personalnot zu groß ist, müssen diese Einrichtungen Pflegepersonen zu jeglichen Konditionen einstellen, um ihre Mindestpersonalgrenzen einzuhalten. Man könnte jetzt sarkastisch behaupten, dass das Problem hausgemacht ist und man hätte mit dieser Aussage nicht einmal unrecht. „Hätte ich das Stammpersonal auch einfach gleich besser eingestellt und bezahlt, dann müsste ich jetzt nicht auf die teuren Leasingkräfte umsteigen“, kann man die Verantwortlichen fluchen hören.
Hier kommt das Aber ins Spiel: Nur durch mehr Bezahlung ändert sich nichts am grundsätzlichen Problem. Der Umstand, dass Leihkräfte nicht einspringen müssen, bedeutet auch, dass das Stammpersonal häufiger einspringen muss. So wächst nicht nur der Unmut innerhalb des Stammpersonals, sondern vor allem gegenüber den Leihkräften. Sie sind nicht Teil des Teams und haben es schwer, aufgenommen zu werden. Das ist auch das größte Manko, das viele Personen an der Leiharbeit haben.
Aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht ist Leiharbeit schlecht für die Pflege, vor allem in Bezug auf den Pflegenotstand. Denn hier verdienen zusätzliche Personen an der aktuellen Krise mit. Das Personal würde auch ohne Leasingfirmen einen Job in der Pflege finden. Durch die hohe Nachfrage wäre es sogar möglich, bessere Konditionen direkt zu verhandeln. So aber kostet eine Leasingkraft bei einem Einsatz nahezu das Doppelte – sie nimmt dem Unternehmen das Geld für potentielle Gehaltsanstiege und weiteres Personal weg (ob das Geld überhaupt in weiteres Personal oder in die Gehälter hineinfließen würde, ist natürlich eine andere Frage). Betriebswirtschaftlich verschlimmert die Leasingarbeit den Pflegenotstand also nur mehr.
Allerdings ist die Einstellung Pro oder Contra Leasingarbeit mehr eine Frage der Haltung. Pflegepersonen sehen in ihr eine Möglichkeit, der Negativspirale zu entkommen und so ein Zeichen für bessere Arbeitsbedingungen zu setzen. Und zumindest medial haben sie damit auch Erfolg, denn die zunehmende Anzahl an Personen, die zu Leasingfirmen wechseln, wird zu einem Umdenken in der eigenen Betriebsphilosophie führen. Stelle ich nun eine Pflegefachperson zu besseren Konditionen ein oder greife ich zur überteuerten Leasing-Version? Und im Falle der Charité in Berlin zeigt sich deutlich: Getroffene Hunde bellen.
Leider scheinen solche Unternehmen nicht zu verstehen, dass sie der Leiharbeit einen Strich durch die Rechnung machen könnten, wenn sie die eigenen Mitarbeiter besser bezahlen und mehr Personal einstellen. Stattdessen möchte man mit einer Umkehr des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dafür sorgen, dass sich die Bedingungen in Leasingfirmen verschlechtern, anstatt die eigenen zu verbessern. Für die eigenen Fehler andere bluten lassen – ein regelrechter Skandal.
Einen Punkt muss man bei der ganzen Debatte um Leiharbeit trotzdem beachten: Leasing verbessert die Situation für die einzelne Person, die verliehen wird – an den allgemein schlechten Arbeitsbedingungen ändert sich allerdings nichts. Es fällt lediglich das Einspringen weg, die Unterbesetzung bzw. -versorgung findet trotzdem noch statt und wird durch Leasing auch nicht verhindert werden. Denn die Mindestvorgaben für vorzuhaltendes Personal machen immer noch die Gesetze. Ob die Pflegepersonen nun Stammpersonal oder von einer Leasing-Firma ausgeliehen sind, spielt keine Rolle.
Ist Leasing in der Pflege nun gut oder schlecht? Die klare Antwort ist: beides. Leasing ist für die Pflege wichtig, vor allem weil der personelle Betrieb für die Versorgung von Patienten und Bewohnern 24/7 gewährleistet sein muss. Gerade in Zeiten von Norovirus, MRSA und auch COVID-19 braucht es Firmen, die im absoluten Notfall Personal stellen können, das auch zügig verfügbar ist – denn die nächste Krankenwelle kommt bestimmt.
Das von diesen Leasingfirmen nun ein Zeichen ausgeht, dass es doch möglich ist, Pflegepersonal besser zu behandeln und zu bezahlen, finde ich richtig und wichtig. Jedoch kann der Schuss für alle auch nach Hinten gehen, denn die Leidtragenden werden am Ende nicht die Pflegepersonen sein. Es sind dann wieder die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, die durch finanzielle Schieflagen mit anschließender Schließung von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern weniger Plätze für eine stationäre Versorgung erhalten. Gerade deshalb ist es unabdingbar, dass sich die Politik nicht nur Gedanken um eine Veränderung der Finanzierung in Krankenhäusern und vor allem Langzeitpflegeeinrichtungen macht, sondern diese auch zügig auf den Weg bringt.
Mich persönlich spricht Leasing trotz der besseren Bezahlung und den zusätzlichen „Freiheiten“ nicht an, da ich in meiner Position als PDL versuche, diese Voraussetzungen in meinem Betrieb zu implementieren. Aber das ist nur möglich, wenn sich an der Finanzierungsstruktur im Allgemeinen etwas ändert, denn aktuell ist so ein Angebot in einer Langzeitpflegeeinrichtung kaum zu realisieren. Dazu habe ich hier bereits umfassend geschrieben.
Was ist eure Meinung zur Leiharbeit in der Pflege? Seid ihr dafür oder dagegen?
Bildquelle: Vultar Bahr, unsplash