Schizophrenie, Psychose, dissoziative Identitätsstörung: alles das Gleiche! Zumindest in Hollywood. Eines haben betroffene Protagonisten aber gemeinsam: Sie sind böse und gewalttätig. Was ist dran?
Psychische Krankheiten schaffen es immer wieder als Protagonisten auf die große Leinwand – nur werden sie in den wenigsten Fällen akkurat dargestellt. Das beginnt bei der falschen Namensgebung für die gezeigte Krankheit und geht bis zu einer realitätsfernen Darstellung von Menschen, die an diesen Krankheiten leiden. Und zwar als eindimensionales, gewalttätiges Wesen.
Einer der gern gemachten Fehler, der durch etwas Recherche gut vermieden werden könnte, ist die Verwechslung von Schizophrenie und dissoziativer Identitätsstörung (DIS). Dass das zwei unterschiedliche Krankheitsbilder sind, ist in Hollywood offenbar noch nicht angekommen. Ja, die beiden Krankheitsbilder können nebeneinander existieren, teilen sich diagnostisch einige Symptome und werden manchmal als die jeweils andere fehldiagnostiziert. Zudem herrscht bei Experten immer noch Uneinigkeit über die tatsächliche Existenz von DIS. Einige Experten ordnen die Symptome eher im Bereich der Borderline-Persönlichkeitsstörung an. Das macht die Klassifizierung und somit die Unterscheidung der beiden Krankheitsbilder in Filmen nicht leichter. Das alles sollte aber trotzdem nicht zu einer beinahe synonymen Verwendung der beiden Begriffe in der Popkultur führen. Damit wird man weder den komplexen Krankheitsbildern, noch den betroffenen Patienten gerecht.
Andererseits muss natürlich aus filmischer Perspektive gesagt werden, dass es – gerade bei so komplexen Themen – eine Vereinfachung braucht. Sie ist häufig nötig, um den Plot voranzutreiben und um uns, dem Publikum, eine Geschichte in der begrenzen Zeit, die ein Film zur Verfügung hat, kohärent zu erzählen. Aber: Wo sind solche Vereinfachungen gerechtfertigt und wo schaden sie eventuell einer ganzen Patientengruppe sowie der Außenwahrnehmung ernstzunehmender Krankheitsbilder?
Während Schizophrenie besonders in Crime-Serien häufig als ausschlaggebendes Argument für gewalttätiges Verhalten eines Charakters dient, beschäftigen sich einige Filme mit den unterschiedlichen Facetten des Krankheitsbildes und versuchen, dieses zugänglicher darzustellen.
Der Film A Beautiful Mind erzählt die Lebensgeschichte des Mathematikers John Nash, der geplagt von Schizophrenie zwar als Mathegenie, aber auch als absoluter Außenseiter gilt. Sein Wahn führt ihn immer tiefer in den Glauben, er würde für die amerikanische Regierung einen wichtigen Geheimcode entschlüsseln. Nach einem Klinikaufenthalt gilt der Mathematiker als genesen – er gewinnt sogar den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. Nach bis dahin überwiegend gewalttätigen Darstellungen, wie im Film-Klassiker Psycho, lobten viele Mental-Health-Experten den neuen Zugang, obwohl die Darstellung von Nashs Symptomen wenig mit der Realität einer Schizophrenie gemein haben. Trotzdem war es ein großer Schritt nach vorne.
Weitere von Experten gelobte Filme mit einer zwar nicht unbedingt immer akkuraten, aber großteils würdevollen Darstellung von Schizophrenie wären: Benny and Joon, The Soloist und Take Shelter, der die Schwierigkeit der Diagnose von Patienten mit Halluzinationen beleuchtet. Andere filmische Ansätze stellen schizophrene Charaktere als nahezu übernatürlich dar, wie etwa Donnie Darko im gleichnamigen Film.
Eine Studie beschäftigte sich mit 72 Schizophrenie-Filmen der Jahre 1990–2010. Die Forscher konnten 41 Filme und 42 Charaktere identifizieren, die nach ihrer Einschätzung die DSM-IV-TR-Kriterien für eine Schizophrenie-Diagnose erfüllten oder ein ungewöhnliches Verhalten zeigten, das auf eine Schizophrenie zurückzuführen sein könnte. Die Studie zeigte, dass 83 % der schizophrenen Charaktere gewalttätig dargestellt wurden und 69 % sich selbst verletzten – bis hin zum Suizid. „Der Anteil der Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen, die in Filmen töten, ist im Vergleich zu den Tötungsdelikten durch schwer psychisch Kranke im wirklichen Leben stark übertrieben“, bestätigt Dr. Glen Gabbard, klinischer Professor für Psychiatrie am Baylor College of Medicine in Houston und am SUNY Upstate Medical Center in New York.
Wie in der Diagnostik, ist auch im Film die Linie zwischen schizophrenen Charakteren und solchen, die an einer dissoziativen Identitätsstörung leiden, oft nicht ganz klar. Zwei berühmte Beispiele: Shutter Island und Fight Club. Beide Protagonisten zeigen im Verlauf ihres jeweiligen Films Anzeichen beider Störungsbilder. Sie beide sprechen mit einem vermeintlich realen Charakter, jedoch nur mit diesem einen. Ist diese quasi zweite Persönlichkeit eher als Halluzination einer Schizophrenie oder als gesplittete Persönlichkeit einer dissoziativen Identitätsstörung zu sehen? Beide Filme beantworten diese Frage nicht eindeutig. Allerdings zeigen sie eine sehr Hollywood-esque, sensationalisierte und überzeichnete Darstellung, die wenig mit der Realität zu tun hat und diesen Anspruch an sich selbst auch nicht stellt.
Während mittlerweile einige namhafte Filme versuchten, der Darstellung von Schizophrenie gerecht zu werden, sieht es für die Repräsentation von Charakteren mit DIS deutlich schlechter aus. Sie haben filmisch betrachtet gefühlt nur eine Prämisse: Betroffene sind gewalttätig und man sollte Angst vor ihnen haben. Ein recht aktuelles Beispiel: Split. Der Protagonist des Films, Kevin Wendell Crumb, hat eine DIS. Er beherbergt 24 differenzierte Persönlichkeiten – und ist gewalttätig. Kevin entführt drei Mädchen, die sich im Laufe des Films gegen mehrere seiner Persönlichkeiten behaupten müssen. Seine Therapeutin und zwei der Mädchen werden von Kevin getötet. Das dritte Mädchen überlebt, weil sie selbst psychische Probleme hat und somit nicht ins Beuteschema passt.
Neben der Missrepräsentation der Patienten zeigt Split aber auch eine Therapeutin, die in der Erkrankung des Protagonisten eine Überlegenheit gegenüber anderen Menschen sieht und regelmäßig Grenzen überschreitet – wie beispielsweise unangekündigt den Wohnort ihres Patienten aufzusuchen. Diese überwiegend negative Repräsentation wirkt sich auch auf die öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit DIS aus.
Während Filmcharaktere, die an DIS leiden, überwiegend als gewalttätig dargestellt werden, sind sie in der Realität eher Opfer als Täter. In anderen Worten: Gewalt und Trauma lösen meist die Erkrankung aus, nicht umgekehrt. Wenn man allerdings keine oder wenige Vorkenntnisse einer komplexen psychischen Erkrankung hat, lässt man sich – wissentlich und unwissentlich – von popkultureller und medialer Darstellung stärker beeinflussen.
„Durch die Darstellung von Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung als Raubtiere, die extrem gewalttätig sind, verstärkt dieser Film [Split] die Ängste gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen. Obwohl der Filmemacher korrekt vermittelt, dass eine DIS aus schwerem Missbrauch in der Kindheit resultiert, ist der Großteil seiner Darstellung über DIS und ihre Behandlung weit von der Realität entfernt. Dieser Film beutet Menschen aus, die an einer schweren Krankheit leiden und die viel eher zu Opfern werden, als andere zu Opfern zu machen“, kritisieren Dr. Danny Wedding, ehemaliger Professor für Verhaltenswissenschaften und Neurowissenschaften an der American University of Antigua und sein Team.
Diese einseitige Darstellung von DIS könnte aber auch damit zusammenhängen, dass noch nicht viel über die Krankheit bekannt ist. Außerdem: Wenn sich die Fachkreise uneinig sind und einige Autoren DIS als Diagnose ganz anzweifeln, wie soll dann eine korrekte Repräsentation stattfinden können?
Natürlich gibt es auch hier positive Beispiele wie die Filme Voices Within: The Lives of Truddi Chase, Sybil und Frankie & Alice, die alle auf realen Fällen von Menschen mit DIS beruhen. Auch sollte Waking Madison erwähnt werden, als eine – im Vergleich zu anderen DIS-Filmen, die nicht auf realen Personen beruhen – gute Darstellung. Trotzdem gibt es eine eindeutige Tendenz in der Darstellung von psychischen Krankheiten in Filmen – und die ist negativ. Charaktere, die unter diesen Krankheiten leiden, werden oft als gewalttätig und aus der Gesellschaft komplett ausgeschlossen dargestellt. Das hat selten was mit der Realität zu tun, prägt aber die Sichtweise vieler Menschen, wenn Filme ihr einziger Berührungspunkt mit diesen komplexen Krankheitsbildern sind.
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