Deutschlands Apotheken verschwinden – das ist unausweichlich. Aber woran hakt’s eigentlich und vor allem: Gibt es Licht am Ende des Tunnels?
Wir befinden uns im 15. Jahr des Apothekenschwundes, denn seit 2008 geht es mit der Anzahl der Betriebe immer weiter bergab – von 21.602 im Jahr 2008 auf 18.176 in 2022. Die Zahl wäre noch höher, gäbe es seit dem GKV-Modernisierungsgesetzes im Jahr 2004 nicht die Filialisierungsmöglichkeiten. Die Zahl der Inhaber verringerte sich nämlich im vergangenen Jahr dramatisch auf nur noch 13.718. Die Zahlen für dieses Jahr stehen noch aus.
Düstere Zukunftsaussichten mit einem Silberstreifen am Horizont, den ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening festzustellen scheint; denn die missliche Lage könnte ihrer Ansicht dazu führen, dass die Apotheken von der Strukturreform im kommenden Jahr verschont bleiben. Man tritt wohl niemanden mehr, der bereits am Boden liegt.
Zu den Gründen des Rückgangs bemerkt sie: „Die Kolleginnen und Kollegen sehen sich einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ausgesetzt. Täglich spüren sie die Auswirkungen der hohen Inflation und Energiepreise. Unnötige Bürokratie, Nachwuchsmangel sowie die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Apotheken durch die Politik und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sorgen für viel Frust, Sorgen und Nöte bei den Kolleginnen und Kollegen. Damit die Zukunft der wohnortnahen Arzneimittelversorgung zukünftig noch sicher ist, brauchen die Apotheken vor Ort von der Politik jetzt Wertschätzung, eine auskommende Honorierung und Planungssicherheit.“
Was die Apothekenlandschaft hier vor allem braucht, das ist Personal. Immer mehr frischgebackene Apotheker kehren der Apotheke als Arbeitsplatz den Rücken und schlagen eine berufliche Laufbahn in Industrie oder Krankenhaus ein. Dort werden sie ebenfalls gesucht und deutlich besser bezahlt als in der öffentlichen Apotheke – so sicher der Arbeitsplatz dort auch zu sein scheint.
Die Prognose der ABDA für das Jahr 2029 sieht jedenfalls düster aus, denn man geht davon aus, dass bis dahin über 10.000 Apotheker fehlen werden. Hört man sich die immer wieder aufkommenden Klagen aus den Reihen der Inhaber über den Arbeitsplatz Apotheke an – zu viel Stress, zu wenig Bezahlung, schlechte Arbeitszeiten, zu wenig Wertschätzung und ständiger Druck durch die Krankenkassen – dann wundert es einen nicht, warum so viele Pharmazeuten einen anderen Weg suchen.
Zumal die kommende Generation Z laut verschiedener Studien sicherheitsbewusst, erfolgsorientiert und extrem digital affin ist, dabei aber auch ängstlich, sensibel und im psychisch schlechtesten gesundheitlichen Zustand im Vergleich mit den Generationen zuvor. Wichtigste Lebensziele sind es, Zeit mit der Familie, Hobbys oder Freunden zu verbringen und gleichzeitig einen hohen Lebensstandard bei flexiblen Arbeitszeiten zu halten. Das klingt alles eher nicht nach der Apotheke vor Ort. Wer dann noch sieht, wie mancherorts die Apotheke am Apothekentrauertag zu Grabe getragen wird, dem erscheint sie als Zukunftsaussicht wohl auch nicht mehr allzu verlockend.
Die Apothekendichte in Deutschland liegt – entgegen der weit verbreiteten Ansicht, es gäbe mehr Apotheken als Bäckereien – im Europavergleich deutlich unterdurchschnittlich bei 22 statt 32 Apotheken pro 100.000 Einwohner.
Overwiening berichtet dagegen in ihrem kürzlich stattgefundenen ABDA-Talk bei Facebook, dass sie Signale aus Berlin empfangen habe, die darauf hindeuten, dass die Politik die missliche Lage der Apotheken durchaus wahrgenommen habe. Möglicherweise blieben sie daher bei der von vielen mit gemischten Gefühlen erwarteten Strukturreform des Gesundheitswesens von weiteren Belastungen verschont. Die Botschaft scheint zu sein: „Seid froh, dass es uns nicht besser geht, dann wird uns auch nichts mehr weggenommen.“ Ob man sich darüber freuen sollte? Viele hätten sich gewünscht, dass es den Apotheken endlich einmal wieder besser ginge – auch als Nachricht an die Pharmaziestudenten im Land.
Einen weiteren Silberstreif am Horizont sieht Overwiening dennoch. Bei der vergangenen Versammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe verkündete sie, dass Dirk Heidenblut, Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, ein zweites Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz in Aussicht gestellt habe. Wir erinnern uns daran, dass das vergangene Stärkungsgesetz auch Apotheker-Beruhigungsgesetz genannt wurde und man darauf als Scheinreförmchen vielfach hinabblickte (DocCheck berichtete). Daher bin ich mir recht sicher, dass auch die zweite Reform – so sie denn tatsächlich kommen sollte – für die Apotheke vor Ort die ein oder andere Kröte bereithält, die sie schlucken muss.
Jugendgewinnung sieht anders aus. Doch auf wirklich positive Signale aus der Politik wartet man in der Apothekenwelt bislang vergebens. Eine bessere Vergütung der Beratung, umgelegt auf die Packungsanzahl, wäre etwas, auf das die Inhaber nach so vielen Jahren des Rückgangs ein Recht hätten. Erst dann wären sie auch in der Lage, angemessene Gehälter zu bezahlen und so dafür zu sorgen, dass das gute Personal nicht abwandert oder gar nicht erst seinen Fuß über die Schwelle der Apotheke setzt.
Nur so kann die Apotheke vor Ort auf Dauer ihre Daseinsberechtigung begründen. Innovativ, den Menschen zugewandt, beratend und erklärend, meinetwegen auch impfend und testend. So kann man ein wichtiger, niederschwelliger Anlaufpunkt für die Bevölkerung sein, wenn es um Fragen zur Gesundheit geht. Unterbezahlt, überlastet und mürrisch den Dienst nach Vorschrift leistend, kann man das eher nicht.
Bildquelle: Einar Storsul, Unsplash