Was tut man als Gesundheitsminister, wenn man sich beim Rx-Versandverbot nicht klar positionieren will? Man erfindet ein Apotheker-Beruhigungsgesetz, das die Wogen ein wenig glätten soll, ohne die Versandapotheken allzu sehr einzuschränken. Warum die Rechnung nicht aufgeht.
„Wir stärken die Apotheken vor Ort: Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“ – so lautete der Punkt im Koalitionsvertrag aus dem Vorjahr. Versprechen der CDU/CSU und der SPD interessieren niemanden mehr. Obwohl drei Viertel aller EU-Mitgliedsstaaten den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten, zuletzt kam Polen mit hinzu, kann sich Jens Spahn nicht zu dem Schritt durchringen. Woran mag das nur liegen? Ist es Spahns Affinität für Digitales aller Art? Oder doch eher seine Vergangenheit als Pharmalobbyist? Nur ärgerlich, dass neben der Europawahl auch einige Landtagswahlen drohen. Wie wäre es mit dem neuen Apotheker-Beruhigungsgesetz (offiziell Apotheken-Stärkungsgesetz)? In Berlin zirkuliert gerade ein Entwurf.
Ein bisschen Preisbindung
Spahn plant, Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Präparaten herstellen, ohne deren Onlinehandel zu stoppen. Er will das V. Sozialgesetzbuch anpassen und GKVen Absprachen mit Boni-Apotheken untersagen. Das klingt auf den ersten Blick verlockend, hat aber seine Tücken. Sein Gesetz tangiert PKVen und deren Versicherte nicht. Ein paar Kunden im Bonuswahn bleiben niederländischen Versendern also erhalten.
Beruhigungspille per Botendienst
Auch ansonsten geht es mehr um Emotion als um Fakten. Bestes Beispiel ist die verhasste Regelung, dass Versandapotheken nicht aktiv beraten müssen, die Angabe einer Hotline reicht aus. Präsenzapotheken hatten das Nachsehen. War ein Kunde nicht in der Offizin, mussten PTA oder Approbierte ausrücken, um an der Haustür zu beraten. Spahn pocht zwar auf Beratung beim Botendienst, kann sich aber auch moderne Kommunikationstools vorstellen. Per Telefon, Chat oder E-Mail können ebenfalls Informationen ausgetauscht werden. Diese „gleichlangen Speere“ haben eher beruhigende als betriebswirtschaftliche Effekte. Und nicht zu vergessen: Wer Präparate ausliefert, muss künftig die Temperatur überwachen und den Innenraum kühlen. Das kann richtig teuer werden.
Vor Ort zum Arzt, dann zum Apotheker
Ähnlich sedierende Effekte könnte Spahns Idee, Dauerverordnungen einzuführen, haben. Bislang müssen Patienten Quartal für Quartal in ihre Praxis, meist werden sie nicht einmal untersucht. Sie stimmen mit den Füßen ab, lassen sich bei Online-Praxen wie Zava (DrEd) ihre Dauerverordnung ausstellen – das geht bei etlichen Indikationen – und bekommen ihr Präparat per Versender. Spahn möchte die deutsche Verschreibungspraxis so ändern, dass Ärzte GKV-Patienten bis zu dreimal ihre Medikamente rezeptieren können. Und wo eine Praxis ist, findet sich schnell auch eine Apotheke. Auch hier lässt sich schwer sagen, ob tatsächlich mehr Rezepte in der Offizin landen oder ob es eher um den psychologischen Effekt geht.
Impfen: Mehr Bares am Monatsende?
Auch mit zusätzlichen honorierbaren Leistungen ist das so eine Sache. Schon lange fordern Apotheker, mehr zu leisten und dafür mehr zu bekommen, etwa bei Impfungen. In der Schweiz klappt das ganz gut, viele Kantone lassen Pharmazeuten an die Nadel. Frankreich setzt nur bei der saisonalen Influenza auf impfende Apotheker: Ein Konzept, das sich Spahn vorstellen könnte. Sein Haus hat sich im Entwurf dazu durchgerungen, mit Grippeschutzimpfungen zu beginnen. Spahns Modellprojekt mit wissenschaftlicher Begleitung sieht Schulungen durch Ärzte vor, Inhalte sind im Detail noch zu definieren. Ob impfende Apotheker den Effekt auch betriebswirtschaftlich sehen, ist fraglich. Sie müssen sich vorab vom Tagesgeschäft ausklinken, um Fortbildungen zu besuchen. Ein separater Raum sollte zwar laut Apothekenbetriebsordnung überall vorhanden sein, aber die Realität sieht oft anders aus. Wie viele Patienten wirklich Interesse haben, weiß niemand. Und die Spitzenverbände von Krankenkassen bzw. Apothekern haben noch nicht über Details zum Honorar gesprochen. Apotheker hoffen, bei Erfolg künftig weitere Leistungen anzubieten, etwa in den Bereichen Prävention oder Medikationsmanagement / Arzneimitteltherapiesicherheit.
Heiliger Jens, bitt für uns
Bleibt als Fazit: Einmal mehr setzen Apotheker alle Hoffnungen in die Gesundheitspolitik, anstatt selbst aktiv zu werden. Die generellen Trends wird auch Spahn nicht stoppen können:
Artikel von Michael van den Heuvel
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