Beim Thema Homöopathie scheiden sich die Geister. In den Apotheken macht es gerade jeder so, wie er denkt. Und damit verwirren wir unsere Kunden.
So richtig entscheiden mag man sich apothekerlicherseits nicht, ob man sie nun ganz offiziell von sich weisen möchte, oder ob man sich noch das Hintertürchen der „alternativen” Medizin offenhalten mag. Homöopathische Fortbildungen und Beratungen sind seit vielen Jahren immer wieder der Zankapfel unter den Pharmazeuten und es scheint so, als könne sich die Standesführung hier auch auf keine klare Linie festlegen. Woran liegt das? Glaubt man tatsächlich an das Gedächtnis des Wassers – oder will man sich nur den Profit nicht entgehen lassen?
Auf dem Deutschen Apothekertag, der im Rahmen der Expopharm Mitte September in München stattfand, wurden gleich zwei Anträge eingereicht, die sich mit der Homöopathie und dem pharmazeutischen Umgang damit befassen. Es scheint auch an der Zeit zu sein, sich hier einmal ganz klar zu positionieren, denn das Thema taucht immer wieder in den Medien auf – und nicht immer kommen die Apotheken dabei gut weg.
Erst kürzlich wurde in der Sendung Kontraste eine Fortbildung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit dem Referenten Dr. Markus Wiesenauer – seines Zeichens übrigens Arzt und Apotheker – eingebunden. Im Vorfeld wurde bereits klar kommuniziert, dass es keine Studien gibt, in der die Homöopathie eine Wirkung zeigt, die über den Placeboeffekt hinausgeht. Es wurde der Fall einer Frau dargestellt, die mit 46 Jahren an einer eigentlich medizinisch gut therapierbaren Krebserkrankung verstorben ist, weil sie ausschließlich auf die Kraft der Homöopathie vertraute. Dr. Wiesenauer empfiehlt während der mit 4 Fortbildungspunkten akkreditierten Kammerfortbildung bei Atemwegserkrankungen mit starker Schleimbildung und einem Erstickungsgefühl das Präparat „Antimonium tartaricum D6” – entgegen der gültigen Leitlinien.
Die Kammer meldet nach der Konfrontation durch das Fernsehteam zurück, dass sie nun keine Refresher-Seminare zum Thema Homöopathie mehr anbieten werden und auch Dr. Wiesenauer künftig nicht mehr als Referent für die Kammer tätig sein wird. Zudem sollen die Fort- und Weiterbildungsangebote nun noch einmal dahingehend überprüft werden, ob sie die Teilnehmer auch wirklich evidenzbasiert zu ihren Fortbildungspunkten gelangen lässt. Thomas Benkert, der Präsident der Bundesapothekerkammer, wurde im Rahmen der Sendung ebenfalls befragt und ist dabei ehrlich. Er erklärt, dass auch er nicht jedes Mal, wenn er ein homöopathisches Mittel abgibt, darüber aufklärt, dass es sich um etwas handelt, das keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus zeigt. Sein Argument, er käme sonst ja gar nicht mehr aus dem Beraten heraus, zieht hier allerdings nicht. Das wäre ja gerade das, was ich erreichen möchte, wenn ich den Patienten aufkläre.
Auch ich gebe zu, dass ich das nicht jedes Mal mache, wenn ich Homöopathika abgebe – aber aus einem ganz anderen Grund. Kommt ein Kunde zu mir mit einem (Privat-)Rezept von seinem Arzt, dann schlucke ich meine Argumente herunter, denn ich würde damit in das gute Arzt-Patienten-Verhältnis eingreifen und das steht mir nicht zu. Auch ein Placebo-Effekt ist immerhin ein Effekt, den ich damit aufs Spiel setzen würde und der ist nicht unbeträchtlich, wie verschiedene Studien zeigen konnten.
Kommt ein Kunde aber zu mir und möchte etwas potenziertes erwerben, dann frage ich immer erst einmal, ob er weiß, dass es sich hier um Homöopathie handelt. Manchmal entspinnt sich ein Gespräch, aus dem hervorgeht, dass er eigentlich etwas pflanzliches hätte haben wollen. Phytotherapie und Homöopathie werden von Laien sehr häufig verwechselt. Manchmal möchte der Kunde aber auch keine Beratung haben und ist sich sicher, dass das Mittel auch wirkt. Dann lasse ich ihn ebenfalls in seinem Glauben. Nicht die Angst vor einer längeren Beratung lässt mich hier zurückschrecken, sondern das sinnlose Austauschen von Worthülsen, und die gebetsmühlenartig vorgetragenen Glaubenssätze wie „Homöopathie ist eine Erfahrungsmedizin”, „es hilft auch bei Kindern und Tieren” (Placebo-by-proxy, im Übrigen) und die angebliche Unmöglichkeit, die Wirkung wissenschaftlich nachvollziehen zu können, da es sich um eine „Individuelle Medizin” handelt, ist für mich schwer zu ertragen.
In diesem Fall schlucke ich die Argumente herunter und verkaufe die Glaubuli – das Alter bringt Gelassenheit. Lieber wäre es mir dennoch, die Kunden würden ihre Kügelchen direkt bei ihrem Heilpraktiker beziehen, dann wäre der pseudowissenschaftliche Anspruch auch weg, dass man die potenzierten Produkte nur über die Apotheke einkaufen kann. Die wohlklingenden lateinischen Namen kann man ob des dadurch möglicherweise verbesserten Placeboeffektes gerne beibehalten.
Zurück zu den Apothekern auf dem Deutschen Apothekertag. Um es kurz zu machen: Es wurde sich um eine klare Linie herumgedrückt, die der Deutsche Ärztetag in Bremen nicht vermissen ließ. Immerhin wurde dort hochoffiziell die Homöopathie-Weiterbildung aus der Muster-Weiterbildungsordnung gestrichen. Die Berliner Kammer forderte, die Alternativmedizin an denselben Maßstäben zu messen, wie jedes andere Arzneimittel auch – was bedeutet hätte, dass sie in Studien ihre Wirksamkeit hätte unter Beweis stellen müssen. Zudem sollte in der Weiterbildungsordnung die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren und Homöopathie“ auf „Phytopharmazie und Naturheilkunde“ geändert werden. Die Begründung: Durch die Erlaubnis zum Führen des Titels ‚Apotheker für Naturheilverfahren und Homöopathie‘ werde suggeriert, dass die Homöopathie eine wissenschaftlich anerkannte und evidenzbasierte Arzneimitteltherapie sei. Beide Anträge wurden nicht diskutiert, was die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, Frau Dr. Kerstin Kemmritz, sehr bedauerte. Der Grund: Auf ABDA-Ebene werde bereits darüber diskutiert, wie sich der Berufsstand grundsätzlich zur Homöopathie stellen will.
Aktuell wird das Thema gerade wieder durch die Wissenschaftsjournalistin und Homöopathie-Kritikerin Mai Thi Nguyen-Kim ins Rampenlicht gebracht, die eine Debatte darüber eröffnen möchte, ob es sich nun um wirksame Arzneimittel handle oder nicht. Sollten Homöopathika wirksam sein, dann dürfe man die dabei anfallenden Abwässer nicht einfach so entsorgen wie Brauchwasser, sie müssten wie Industrieabfälle behandelt werden, so ihr Argument. Zudem hat sie den Eistee „HomöopaTea” in Verkehr gebracht, der einmal mit über die Apotheke gekauften Globuli und einmal mit selbst hergestellten Safranglobuli gesüßt wurde. Die Frage, welche Behörde nun für die Zulassung oder Freigabe verantwortlich ist, war nicht leicht zu beantworten.
Das Thema ist also auch medial ein Dauerbrenner und wird nicht verschwinden, wenn man es totschweigt und nicht öffentlich debattieren möchte. Das Argument, dass man die Homöopathie in der Apotheke halten möchte, damit man überwachen kann, wann man einen Patienten mit seinen Beschwerden besser an einen Arzt verweist, zieht in meinen Augen nicht. Präparate zur Selbstmedikation finden die Menschen derzeit überall – in Supermärkten, Drogerien oder im Netz. Auch dort kaufen sie ganz ohne Beratung ein, was ich für deutlich bedenklicher halte, denn hier kann es echte Neben- und Wechselwirkungen geben – zum Beispiel mit Johanniskrautpräparaten. Auch das Argument, dass die Kunden das aber aktiv verlangen und haben möchten ist für mich nicht stichhaltig. Alleine die Evidenz sollte doch zu einer Abgabe führen, und nicht der Kundenwunsch. Wenn der Kunde von mir Wasserstoffperoxidlösung zur oralen Einnahme haben möchte – was zum Beginn der Coronapandemie häufiger verlangt wurde – dann lehne ich das doch auch ab.
Ich wünsche mir eine sachliche Debatte mit guten Argumenten auf beiden Seiten – keine abgedroschenen Weisheiten, keine Diffamierungen, kein aufeinander-herabsehen. Am Ende dieser Diskussion sollte dann auch eine klare Entscheidung für das Für- oder Wider der Homöopathie in der Apotheke stehen. Und zwar sowohl was die Fortbildungen, als auch die Präparate selbst betrifft.
Bildquelle: Catrin Johnson, Unsplash