Höhere Gehälter, bessere Arbeitsbedingungen: Dafür kämpft der Bochumer Bund. Die Pflegegewerkschaft schreibt sich auf die Fahne, besonders nah am Berufsalltag zu sein. Aber wie wollen sie ihr Ziel erreichen?
Warum es einer offiziellen Interessensvertretung und politischen Stimme für das pflegende Personal in Deutschland bedarf, dürften die vergangenen drei coronageprägten Jahre bereits sehr anschaulich und medienwirksam gezeigt haben. Doch der Frust sitzt tiefer und ist schon lange vorhanden.
Nicht nur das Gründungsdatum des Bochumer Bunds zeigt, dass die Probleme nicht auf ein plötzliches Ereignis zurück zu führen sind: „Den Ausschlag zur Gründung hat die allgemeine Situation der Berufsgruppe gegeben – die Tarifbedingungen, Gehaltsstrukturen und Betreuungsschlüssel sowie die Tarifsteigerungen und Zuschläge waren und sind nicht akzeptabel. Ich bin seit 30 Jahren in dem Beruf und habe mitbekommen, wie Zuschläge und Tarife gestiegen sind bzw. dass sie es nicht sind. Die nicht vorhandene finanzielle Wertschätzung des Berufs war und ist frustrierend. Das sind Ursachen, die zur Gründung beigetragen haben“, erklärt Heide Schneider, Bundesvorsitzende des Bochumer Bunds.
Dass man sich heute mitten in einer toxischen Spirale aus schlechter Situation, mangelhafter Wertschätzung und überfordertem, genervtem Personal befindet, scheint da hausgemacht und führt bisher – wie in so vielen Sparten ohne starke Lobby – eher zu Burnout, vorzeitigen Ruheständen oder Berufswechseln als zum erfolgreichen Aufstand, minimale Teilerfolge wie in NRW einmal ausgeblendet (wir berichteten).
Aber – keine Lobby? Wie war das noch gleich mit ver.di und den anderen Kämpfern für das Recht des Pflegefachpersonals? Warum es – auch wie nun in NRW – des Bochumer Bunds bedarf, der die Verhandlungen führt, erklärt Schneider: „Im Gegensatz zu uns als Spartengewerkschaft bearbeiten andere Gewerkschaften alles an Themen und Berufen. Da wird oft bei den Verhandlungen, wie nun in NRW, im luftleeren Raum verhandelt, weil die Vertreter ihre Kompetenzen überschreiten.“ Ganz konkret bedeutet das laut Schneider: „Unser Vorteil als Bochumer Bund ist unsere bessere Expertise – die wir als Fachleute aus der Pflege mitbringen sowie, dass wir nur für unsere Berufsgruppe Vorschläge erarbeiten können. Und nicht noch auf 50 oder 60 Berufsgruppen Rücksicht nehmen müssen. Wir können beispielsweise auch inhaltlich sehr gut begründet fordern, dass Pflegende mehr als 2,5 % Lohnerhöhung bekommen, das ist durchaus ein Vorteil.“
Die Aufgaben, Kompetenzen und Vorteile des Bochumer Bunds wären damit klar auf den Punkt gebracht. Entsprechend formuliert der Bund seine politischen Forderungen auch sehr unmissverständlich: „Es müssten Kompetenzen auf Pflegefachpersonen übertragen werden, die Krankenhauslandschaft heruntergefahren werden, das Gesundheitssystem gestärkt und finanzielle Unterstützung gegeben werden, dann gäbe es auch ausreichend Personal in allen Settings. Unser Minimum an finanzieller Vergütung für das Personal beginnt bei 4.000 Euro.“
Dass bei diesen Aktionsfeldern auch und vor allem infrastrukturelle Fragen beantwortet werden müssen, die das gesamte System betreffen, wissen die politisch organisierten Pfleger ebenfalls. So sieht die Agenda der Bochumer einen Umbau des Gesundheitswesens insofern vor, als dass die Ambulantisierung im Fokus stehen und verstärkt vorangetrieben werden müsste. Mit den freigemachten Geldern kann man Gesundheitszentren oder andere ähnliche Einrichtungen etablieren. Insgesamt müsse ein Umdenken stattfinden, dass weg von einer Arztzentriertheit hin zu Gesundheitszentren samt Community Health Nurses oder School Nurses führt.
Obwohl sich die Situation im Gesundheitssystem bereits seit einigen Jahren zuspitzt und ein toxischer Kreislauf – von überbelegten Krankenhäusern, regelmäßigen Streiks und Burnouts bis zu vorzeitigen Ruheständen – bereits mitten im Gang ist, bedarf es einer Stimme, die auch in Berlin gehört wird, um politische Ziele dieser Größenordnung durchzusetzen. Gehör verschaffen möchte sich der Bund besonders auch nach Zusammenarbeit mit anderen Verbänden sowie den Pflegekammern. Auf diesem Weg sollen die spezifischen Situationen der einzelnen Pflegeberufe in den Ländern erfasst, eingebunden und ihnen eine Vertretung geboten werden.
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Für den optimalen Weg, um die infrastrukturellen und demografischen Engpässe zu beseitigen sieht Schneider folgende Struktur vor: „Es müsste einen Dreiklang geben aus dem Berufsverband, sprich z. B. der DBfK, als größter Berufsverband Deutschlands, den Pflegekammern in den Ländern und uns als Pflegegewerkschaft. Jede dieser Institutionen hat dabei ihre eigene Funktion. Die Arbeit der Kammern stellt sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger eine sachgerechte und professionelle Pflege erhalten. Berufsverbände kümmern sich um die Inhalte der Profession Pflege. Die Gewerkschaft schaut in einem späteren Schritt, dass das dafür ausgebildete Personal, dementsprechend entlohnt wird und gute Arbeitsbedingungen vorfindet.“
Doch die Bochumer arbeiten nicht nur am großen poilitschen Wurf, ganz praxisnah und mit Blick für konkrete Besserung für diejeningen Pflegefachkräfte, die es besonders benötigen. Schneider weiß, wo die ersten Stellschrauben nachgedreht werden müssten: „Am schlechtesten sind die Arbeitsbedingungen bei den privaten Pflegeheimbetreibern. Hier wäre als erstes Handlungsbedarf. Das liegt daran, dass die Renditen aus den Häusern herausgezogen und wo ganz anders reinvestiert werden. Da werden de facto Versichertengelder umgeleitet.“
Neben dem offenen Ohr, das man sich aus Berlin wünscht, gehen die Wünsche entsprechend in eine praktische Richtung, die aktuelle Probleme mildern und künftige (Personal-)Not vorbeugen könnte: „Wir wollen, dass die Politik endlich einsieht, dass es ohne Pflegefachpersonen nicht geht und die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, um die Strukturen so zu ändern, dass die Berufsbilder Anreize zur Ausbildung geben und das bestehende Personal gehalten wird.“
Bildquelle: cottonbro, pexels