Posttraumatische Belastungsstörungen sind schwer erfolgreich zu therapieren. Ein alternativer Ansatz könnte bald die Nase vorn haben.
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine schwere psychische Erkrankung, die durch das Erleben traumatisierender Ereignisse, Gewalt oder Katastrophen verursacht wird. Militärangehörige, Soldaten und Veteranen leiden häufiger an Verletzungen und Krankheiten wie PTBS, da sie verstärkt Kampfhandlungen und anderen traumatischen Situationen ausgesetzt sind. Die Patienten zeigen eine Bandbreite an Symptomen, wie etwa wiederkehrende Flashbacks, Angstzustände und negative kognitive Veränderungen.
Kognitive Verhaltenstherapien (CBT) werden zwar zur Behandlung von PTBS eingesetzt, sind aber nur bei etwa der Hälfte der Patienten wirksam – und selbst bei Therapieerfolg ist die Rückfallquote hoch. Ebenfalls ist nur eine einzige Klasse an Antidepressiva, Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), für die Behandlung zugelassen (wir berichteten).
Die Behandlung militärischer PTBS ist besonders schwierig. Viele Patienten sprechen nicht auf die Therapien an. Etwa zwei Drittel der Veteranen leiden auch nach der Therapie noch an der Störung. Erstlinientherapien wie die kognitive Verhaltenstherapie zeigen im Vergleich zu aktiven Kontrollbedingungen nur geringfügig bessere Ergebnisse auf. Sie haben außerdem eine geringe Verträglichkeit und hohe Abbrecherquoten.
Die aktuellen Behandlungsstrategien zur Kontrolle von Trauma-assoziierten Symptomen der posttraumatischen Belastungsstörung wurden 2021 aktualisiert. Der Einsatz von Trauma-fokussierten Therapien wie der kognitiven Verarbeitungstherapie (CPT), der verlängerten Expositionstherapie (PE), der Augenbewegungs-, Desensibilisierungs- und Umstrukturierungstherapie (EMDR) und anderen Therapien mit Trauma-Fokus sind besonders vielversprechend. Zusätzlich können Medikamente bei der Behandlung der Symptomatik hilfreich sein. Hier sollte aber unbedingt auf Benzodiazepine und andere sedierende hypnotische Medikamente verzichtet werden. Sie könnten im Laufe der Zeit zu einer Zunahme intrusiver und dissoziativer Symptome führen.
Eine aktuelle Studie zeigt nun allerdings die ernüchternden Ergebnisse der PTBS-Behandlung von 709 Veteranen. Die Probanden wurden zu Beginn und nach der Behandlung auf PTBS-Symptome und Depression bewertet.
Die Remission der PTBS lag bei 39,4 %. Die Behandlung war am wenigsten wirksam bei Intrusionssymptomen und hatte keine Auswirkungen auf Flashbacks oder die schlechte Erinnerung an traumatische Erlebnisse. Von den Veteranen, bei denen eine Remission eintrat, erfüllten 72,8 % immer noch die diagnostischen Kriterien für mindestens ein PTBS Cluster. Ebenfalls eine geringe klinische Wirksamkeit wurde bei Depressionen festgestellt; nur 4,1 % der Patienten wurden nach der Behandlung remittiert. Behandlungen für Veteranen mit PTBS sind in der Praxis insgesamt nur begrenzt wirksam.
„Um die Wirksamkeit der Behandlung zu verbessern, muss möglicherweise die Therapietreue der Anbieter und die Einhaltung der bestehenden Behandlungsmethoden durch die Patienten verbessert werden, oder es müssen neue Behandlungen entwickelt werden, die speziell auf die Symptome der PTBS abzielen, die auf die bestehenden Behandlungen nicht gut ansprechen“, schlussfolgern die Autoren der Studie.
Verglichen mit Angststörungen und Depressionen ist die PTBS deutlich schwerer therapierbar. Das liegt möglicherweise an den gedächtnisbasierten Symptomen. „Wenn diese Symptome nicht erfolgreich behandelt werden, können auch andere Merkmale der Störung fortbestehen“, erläutern die Studienautoren. Ihre Studie zeigt, dass Flashbacks – eines der schwerwiegendsten PTBS-Symptome – durch keine der Behandlungen therapiert werden konnten. „Möglicherweise sind neue Behandlungen mit einem feineren Fokus erforderlich, um einen Durchbruch in Bezug auf Wirksamkeit und Effektivität zu erzielen. Es scheint auch, dass die derzeitigen PTBS-Pharmakotherapieprotokolle für die Behandlung einer komorbiden Depression suboptimal sind, was den Bedarf an alternativen Behandlungsstrategien für PTBS-Patienten mit komorbider Depression unterstreicht“, konkludieren die Forscher.
Eine kürzlich in JMIR Formative Research veröffentlichte Studie untersuchte, wie neue Technologien bei der Therapie militärbedingter PTBS helfen könnten. Die PTBS braucht neue Behandlungsmethoden, die effektiv und langfristig gedächtnisbedingte Symptome behandeln kann. Die Forscher untersuchten, wie Virtual Reality die Patienten bei der Bewältigung einer militärbedingten PTBS unterstützen könnte. Dafür analysierten sie die Technologieakzeptanz und die Nutzerfreundlichkeit durch Militärangehörige, Veteranen und der sie betreuenden Therapeuten und Betreuer.
Ziel der Studie war es, die Technologieakzeptanz und -nutzbarkeit der multimodalen bewegungsunterstützten Desensibilisierung und Rekonsolidierung des Gedächtnisses (3MDR) auf einem Virtual-Reality-System in der primären Nutzergruppe zu ermitteln. Die Studie umfasste 3 Militärangehörige und 8 Veteranen, die an einer kampfbezogenen PTBS litten sowie 13 Therapeuten und 5 Betreuer. Die Ergebnisse: 3MDR in einer Virtual Reality scheint eine praktikable, brauchbare und akzeptierte Technologie für die Therapie der primären Nutzergruppe zu sein. Das bestätigten auch die teilnehmenden Therapeuten und Betreuer.
„3MDR stellt traditionelle Konventionen und Konfigurationen in Frage. Es ist wichtig, die Untersuchung von Technologieakzeptanz und Benutzerfreundlichkeit in die Implementierung neuartiger VR-gestützter Gesundheitsprozesse einzubeziehen, um sicherzustellen, dass technologische Fortschritte zur Unterstützung von Patienten von den primär vorgesehenen Nutzern angenommen werden“, schlussfolgern die Wissenschaftler in ihrer Conclusio.
In den letzten Jahren haben es technologische Fortschritte erlaubt, neue Therapiemethoden auszuprobieren und weiterzuentwickeln. Dabei wurde Virtual Reality in der Diagnostik und der Behandlung von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen immer häufiger eingesetzt. Besonders bei Angststörungen ist der Einsatz von VR-Technologien bereits verbreitet.
In einem in Neurotherapeutics veröffentlichten Artikel zu VR-Therapie-Erfolge heißt es: „Der Einsatz von VR-Technologie in der PTBS-Behandlung bietet die Möglichkeit, Expositionen durchzuführen, die sonst vielleicht nicht möglich wären – wie z. B. der virtuelle Irak und das virtuelle Afghanistan – und stellt eine weitere Behandlungsoption dar, die für eine Video-Generation attraktiv sein könnte. […] Insgesamt steht die Therapie im Zusammenhang mit einer signifikanten Verringerung der PTBS-Symptome […] und ist vergleichbar mit der Standard-Expositionstherapie“.
Eine Fallstudie bei einer Stichprobe von 6 aktiven Marinesoldaten mit PTSD im Kampfeinsatz ergab deutliche Verbesserungen nach einer VR-Therapie, einschließlich einer Verringerung der PTSD-, Depressions- und Angstsymptome. Eine weitere Fallstudie an 10 Veteranen zeigte, dass sowohl die traditionelle Expositionstherapie als auch die VR-Therapie zu einer deutlichen Verbesserung der PTSD-Symptome führte. Interessant dabei: Eine Sekundäranalyse beider Fälle zeigte ebenfalls eine deutliche Besserung in Bezug auf den generellen Schweregrad der Angst.
Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine vielseitige Traumastörung, die einer gesonderten Therapie bedarf. Aktuelle Therapien sind unzureichend wirksam und es braucht neue Ansätze, wie PTBS in Zukunft erfolgreicher und zielgerichteter behandelt werden kann. Virtual Reality könnte als neue Technologie bereits bestehende Therapiemethoden unterstützen und wird von den Patienten gut angenommen.
Die Virtual Reality gestützte Therapie stimmt mit etablierten Modellen der Expositionstherapie überein. VR ermöglicht es, Patienten in multisensorische virtuelle Umgebungen zu versetzen, die speziell auf den gefürchteten Stimulus zugeschnitten sind – und zwar auf kontrollierte und individuelle Weise. Dadurch können Szenarien geschaffen werden, die in vivo zu teuer oder nicht durchführbar wären, wie beispielsweise virtuelle Kampfsituationen.
„Da die Kosten für VR-Anwendungen sinken, ist es wahrscheinlich, dass der Einsatz von VR in der psychiatrischen Behandlung in Zukunft noch zunehmen wird und eine hochwertige Behandlungsoption für spezifische Phobien und PTBS sowie Möglichkeiten für gut kontrollierte psychiatrische und experimentelle Forschung bietet“, schlussfolgern Wissenschaftler des Department of Psychiatry and Behavioral Sciences der Emory University School of Medicine in Atlanta.
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