Mit der Mitteilung, dass Schnelltests eine geringere Sensitivität bei Omikron aufweisen, hat die FDA viele verunsichert. Das hat das PEI motiviert, eigene Versuche durchzuführen. Was dabei rauskam, lest ihr hier.
Zu Beginn des Auftretens der Omikron-Variante Ende letzten Jahres kam die Sorge auf, dass die herkömmlichen SARS-CoV-2-Antigenschnelltests die Variante möglicherweise nicht mehr detektieren können (wir berichteten). „Insbesondere die amerikanische Arzneimittelbehöre FDA hat einige Unruhe geschürt mit einer relativ diffusen Mitteilung, dass SARS-CoV-2-Diagnostika die Variante unterbestimmen könnten“, erklärt Dr. Micha Nübling, Abteilungsleiter zu Grundsatzfragen und Koordination am Paul-Ehrlich-Institut (PEI), beim virtuellen Presse-Workshop des PEI. Er weist außerdem darauf hin, dass die FDA nie Daten zu ihren Aussagen veröffentlich habe, die eine Unterbestimmung der Antigentests belegen würden, und es auch zu keinen regulatorischen Konsequenzen gekommen sei. Allerdings haben die Hinweise der FDA das PEI dazu motiviert, eigene Untersuchung bezüglich der Sensitivität der Variante durchzuführen.
Dazu untersuchten die Forscher des PEI exemplarisch eine Stichprobe von 20 Antigenschnelltests. Die Wissenschaftler wählten diese repräsentativ und „mehr oder weniger zufällig“ für die Sensitivitätsbreite positiv evaluierter Tests aus. Somit haben sie Schnelltests mit sowohl starker, als auch schwächerer Sensitivität gegenüber älteren Varianten in ihre Versuche eingeschlossen, die die Mindestkriterien der BfArM erfüllen. Bisher wurden 199 Test-Produkte von verschiedenen Herstellern positiv vermerkt. Im Rahmen ihrer Versuche verwendeten die Forscher als Probenmaterial Zellkulturüberstände, in denen sie die Wuhan-Variante gegen die Omikron-Variante testeten, und Pools aus Patientenabstrichen, bei denen Delta gegen Omikron getestet wurden.
Die klinischen Proben zeigten bei den meisten Tests: Die Sensitivität gegenüber Omikron ist stärker als gegen Delta. Allerdings wurden die Tests auch nur visuell abgelesen; anders wurde es bei den Zellkultur-Proben mit einem Scanner gemacht, sodass die Banden-Intensität genauer quantifiziert werden konnte. Auch diese Prüfung der Zellkultur-Proben erwies sich als positiv: Sowohl die Wuhan-Variante, als auch die Omikron-Variante konnten durch die Tests nachgewiesen werden.
„Alle Tests sind mühelos in der Lage, sowohl Wuhan-Virus, als auch Omikron-Virus nachzuweisen“, folgert Nübling aus den Ergebnissen. Natürlich gebe es im Vergleich einzelner Tests gewisse Streuungen, aber man habe nicht den Eindruck, dass eine der Varianten bedeutend unterquantifiziert werden würden. Einfacher gesagt: Die Antigenschnelltests erkennen Omikron und die Labor-Untersuchung des PEI gibt auch keine Hinweise auf eine verringerte Sensitivität. Sowohl BA.1, als auch BA.2 sollen berücksichtigt worden sein.
Jedoch gibt die Versuchsreihe des PEI keinen Aufschluss darüber, zu welchem ungefähren Zeitpunkt einer Omikron-Infektion der Test bei Geimpften und Ungeimpften positiv anschlägt. Es können auch keine Aussagen darüber getroffen werden, wie gut die Tests in Bezug auf die Unterschiede der Probenabnahme im Mund-Nasen-Rachenraum reagieren.
Die Ergebnisse seien wahrscheinlich auch auf die meisten anderen Tests, die auf der BfArM-Liste positiv aufgeführt sind, übertragbar. Denn: Die Mehrzahl zielt auf konservierte Regionen des N-Proteins – die Mutationen der Omikron-Variante befinden sich daher nicht in für die Tests relevanten Bereichen. Bestimmte Mutationen, wie G204R oder R203K, seien auch in vorherigen Varianten aufgetreten, allerdings liegen die Veränderungen weniger in funktionalen Domänen. Nübling führt auf, dass für 18 der evaluierten Tests auch das Produktdesign offenliegt. Darin ist erkenntlich, dass die Tests entweder auf die N-terminale oder C-terminale Domäne des Proteins abzielen. Da in diesen funktionellen Domänen keine Mutationen aufgetreten sind, komme es auch nicht zu einer verminderten Sensitivität der Tests.
„Wir haben nun analoge Rückschlüsse gezogen auf Tests, die ähnlich aufgebaut sind wie Tests, die wir untersucht haben“, erklärt Nübling. In diesem Zusammenhang habe man das BfArM mit Unterstützung des BMG gebeten, die Hersteller zu drängen, Daten zum Design ihrer Tests einzureichen. „Das sind alles Daten, die vertraulich sind – eigentlich –, und die Hersteller geben es nicht gerne heraus. Aber wenn sie ansonsten von dieser Erstattungsliste gestrichen werden, dann ist die Überzeugung manchmal gegeben, dass es sinnvoll ist, zu kooperieren.“ Im Rahmen der Abfrage soll nachvollziehbar sein, auf welche Binderegionen die monoklonalen Antikörper außerhalb mutierter Regionen abzielen. Welche Mindestkriterien von den Herstellern für ihre Tests erfüllt werden müssen, um beispielsweise für Testzentren eine Erstattung zu erhalten, ist auf der Seite der BfArM aufgeführt.
Bislang hat das PEI 428 auswertbare Antworten erhalten (Stand: 23.03.2022): Während 90 % der Tests auf Antikörper-Binderegionen ohne Omikron-Mutationen zielten, könnten hingegen 10 % von den Mutationen betroffen sein. „Bei solchen Fällen würde das BfArM die Hersteller auffordern, die Omikron-Erkennung ihrer Tests gezielt zu validieren und diese Daten einzureichen, um auf der Liste zu bleiben“, führt Nübling auf. Laut PEI haben die Firmen noch einige Wochen Zeit, die Daten nachzureichen.
Mittlerweile wurde die Liste der BfArM zu den Antigentests auf SARS-CoV-2 auch um eine Spalte erweitert: „Omikron-Erkennung entsprechend der Bridging-Prüfung des PEI.“ Bei den mit „Ja“ gekennzeichneten Tests ist die Omikron-Erkennung gewährleistet.
Auch die IVD-Verordnung wird sich zum 26.05.2022 etwas verschärfen: Die Zertifizierung von neuen SARS-CoV-2-Diagnostika soll nur noch erfolgen können, nachdem sie durch Benannte Stellen begutachtet wurden und eine Laborprüfung durch ein EU-Referenzlabor erfolgt ist. Bisher konnten die Hersteller weitgehend eine Selbstzertifizierung der Tests durchführen; eine unabhängige Überprüfung war somit nicht vorgesehen. Allerdings gibt es auch zu dieser Verschärfung eine Übergangsbestimmung: SARS-CoV-2-Diagnostika, die vor dem 26.05.2022 selbst-zertifiziert wurden, sind noch bis Mai 2025 erlaubt.
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