Wer blickt bei Low-Carb-, Keto- und Grapefruit-Diät noch durch? Selbst Ärzte tun sich oft schwer – und lassen sich von falschen Versprechen täuschen. Was ihr wissen solltet und wie ihr richtig beratet, lest ihr hier.
Low-Carb, No-Carb, Steinzeitdiät – die Zahl der Diäten ist unüberschaubar und die Versprechen sind vollmundig. Das wird nur noch getoppt durch selbsternannte „Wundermittel“, die innerhalb kurzer Zeit zur Wunschfigur führen sollen. Um Mythen von Wahrheiten zu trennen, hilft ein Blick in die wissenschaftliche Studienlage.
Los geht's mit Low-Carb-Diäten: Kohlenhydratarme, gewichtsreduzierende Ernährungsformen werden weiterhin umfassend beworben, vermarktet und kommerzialisiert. Sie sollen effektiver zur Gewichtsabnahme und gesünder als ausgewogene kohlenhydratreduzierte Diäten sein. Eine großangelegte Metaanalye der Cochrane Library verglich die Wirkungen von Low Carb mit derer von Diäten mit ausgewogenen Kohlenhydratanteilen (wir berichteten). Analysiert wurden die Veränderungen des Gewichts und des kardiovaskulären Risikos bei übergewichtigen und adipösen Erwachsenen ohne und mit Typ-2-Diabetes.
Es gab wenig bis gar keinen Unterschied in der Gewichtsreduktion und den Veränderungen der kardiovaskulären Risikofaktoren bis zu einer Nachbeobachtung von zwei Jahren. Dabei war es unerheblich, ob sich übergewichtige und fettleibige Teilnehmer ohne und mit Diabetes entweder einer kohlenhydratarmen oder einer ausgewogenen kohlenhydratreduzierten Diät unterzogen haben.
Eine Metaanalyse von Dong et al. sprach sich trotz des geringen Gewichtsverlustes für Low-Carb-Ernährung aus. Die Autoren geben aber zu bedenken, dass weitere Forschung zu möglichen Langzeiteffekten nötig sei. Zwölf randomisierte Studien wurden in die Endanalyse eingeschlossen. Sie zeigten, dass eine kohlenhydratarme Ernährung mit einer Abnahme des Triglyceridspiegels von -0,15 mmol/l verbunden war. Eine sechs Monate dauernde kohlenhydratarme Diät war mit einer Abnahme von -0,23 mmol/l verbunden, während solche, die 12–23 Monate dauerte, mit einer Abnahme von -0,17 mmol/l assoziiert waren.
Die Veränderung des Körpergewichts in den Beobachtungsgruppen betrug -1,58 kg. Bei einer Intervention von weniger als 6 Monaten betrug die Änderung -1,14 kg und bei einer Intervention von 6 bis 11 Monaten -1,73 kg. Die Veränderung des systolischen Blutdrucks der Beobachtungsgruppe betrug -1,41 mmHg, die Veränderung des diastolischen Blutdrucks betrug -1,71 mmHg. Der Nüchtern-Blutzuckerspiegel veränderte sich nicht.
Neben zahlreichen Diätformen zur Gewichtsreduktion wird auch der Sauna nachgesagt, überflüssige Pfunde zu verbrennen. Nach einigen Saunagängen wiege man weniger als vorher und wenn man regelmäßig kaltes Wasser trinke, würden zusätzlich Kalorien verbrannt, die der Körper zum Aufwärmen benötigt. So weit, so mystisch. Nun verbrennt das Trinken von Eiswasser nach der Sauna tatsächlich Kalorien – allerdings nicht besonders viele. Um einen Liter eiskaltes Wasser zu erwärmen, werden bloß grob 30 Kilokalorien verbrannt: Das entspricht dem Brennwert von einem Stück Würfelzucker. Um eine Tafel Schokolade zu verbrennen, wäre also das Trinken von etwa 16 Litern Wasser notwendig. Unmöglich und obendrein gesundheitsschädlich, klar.
In einer Studie von Podstawski wurden 45 übergewichtige und bewegungsarme Männer im Alter von 20,76 ± 2,4 Jahren vier Saunagängen von jeweils 10 Minuten (Temperatur: 90–91 °C; relative Luftfeuchtigkeit: 14–16 %) mit vier 5-minütigen Abkühlungspausen ausgesetzt. Vor der Sauna wurde die Körperzusammensetzung bestimmt; die Körpermasse und der Blutdruck wurden vor und nach der Sauna gemessen. Im Verhältnis zu ihrer Körpergröße (179,71 cm) war die durchschnittliche Körpermasse der Teilnehmer (85,86 kg) überhöht und die Probanden wurden, basierend auf ihrem BMI gemäß WHO-Standards, als übergewichtig eingestuft.
Die Studie zeigte, dass Personen mit größerer Körpermasse, Körperfläche, Körperfettmasse und Muskelmasse relativ mehr Kalorien beim Saunabaden verbrauchen. Der Energieverbrauch wurde durch die Dauer des Saunabadens beeinflusst. Während der ersten 10 Minuten verbrauchten die untersuchten Männer im Durchschnitt etwa 73 Kilokalorien, aber ihr Energieverbrauch stieg signifikant auf mehr als 134 Kilokalorien während der letzten 10-Minuten-Sitzung.
Blutdruck und Pulsfrequenz stiegen nach den Saunagängen an. Der Mechanismus, der dem Anstieg der Herzfrequenz zugrunde liegt, beruht wahrscheinlich auf einem Anstieg der Bluttemperatur und einer Reflexstimulation energetischer kardialer Betarezeptoren. Entgegen bisheriger Annahmen sinkt der Blutdruck beim Saunieren nicht, sondern steigt. Dieser Anstieg ist sogar vergleichbar mit dem Anstieg bei einer kurzen und moderaten Trainingseinheit.
Wer es nicht so heiß mag, kann auf Fettverbrenner zum Schlucken oder Trinken zurückgreifen, zumindest wenn es nach Werbeaussagen der Industrie geht. Fatburner, Fettblocker, Slimshots – dahinter verbergen sich Pflanzen oder Obst wie Artischocke und Ananas. Sie sollen dabei helfen „Fett besser zu verwerten“. Dies erweckt den Eindruck, dass damit Körperfett gemeint ist, was nicht der Fall ist. Artischockenextrakte werden beispielsweise bei gallebedingten Verdauungsbeschwerden eingesetzt. Da ist es auch sinnvoll, weil die Fette in der Nahrung besser emulgieren. Für die Magen-Darm-Funktion mag das sinnvoll sein, hat mit einer Gewichtsreduktion durch eine – wie auch immer geartete – „fettschmelzende“ Wirkung aber überhaupt nichts zu tun.
Die Diätform mit dem Genuss von Grapefruit nennt sich ganz bescheiden „Hollywooddiät“. Vermag die Zitrusfrucht wirklich „Fette zu verbrennen“, wie es im Internet und in zahlreichen Medien propagiert wird?
Laut einer in-vitro Studie von Nahmias et al., wirkten die in der Grapefruit enthaltenen Stoffe durchaus vergleichbar mit Wirkstoffen gegen Diabetes und Fettstoffwechselstörungen. Der gelbe Wirkstoff Naringin wird im Körper in Naringenin umgewandelt, welcher Proteine aktiviert und Eiweiße der Leber blockiert. Die Folge ist eine Senkung des LDL-Cholesterins. Unabhängig davon regt Naringenin Leberzellen an, Fettsäuren abzubauen, die sie sonst für schlechte Zeiten speichern würde. Normalerweise wird diese Art des Stoffwechsels erst nach langen Fastenperioden derart verändert.
Unter den über 4.000 Flavonoiden, die bis heute entdeckt wurden, wurde festgestellt, dass einige eine Vielzahl von nützlichen biologischen Aktivitäten aufweisen. Unter ihnen hat Naringenin in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da viele Studien darauf hindeuten, dass mehrere seiner biologischen Eigenschaften von medizinischer Bedeutung sind. Naringenin (4′,5,7-Trihydroxyflavonon) kommt hauptsächlich in Zitrusfrüchten – wie Grapefruit und Orangen – sowie Tomaten vor.
Eine in-vivo Studie von Murugean et al. untersuchte die Wirkung einer 8-wöchigen Diät mit dem Nahrungsergänzungmittel Naringenin auf den Energieverbrauch und den Glukosestoffwechsel. Großer Haken: Es wurden lediglich die Werte einer Probandin analysiert. Die Autoren halten aber fest, dass die Arbeit einen ersten Nachweis für den Effekt von Naringenin auch beim Menschen liefert. Die Forschung könne, von Tiermodellen ausgehend, also ausgeweitet werden.
Das Körpergewicht der Frau nahm über den Zeitraum von 8 Wochen um 2,3 kg ab, ebenso der Gesamtcholesteringehalt und die Insulinkonzentration im Serum. Die Verringerung des Körpergewichts erfolgte mit einer Verringerung der Energieaufnahme oder einem Anstieg des Energieverbrauchs oder beidem. In der Fallstudie verlor die Testperson an Gewicht und es gab eine wahrnehmbare Veränderung ihrer Stoffwechselrate. Die Studie kann so vorläufige Beweise für die Behauptung liefern, dass Naringenin eine Erhöhung der Stoffwechselrate verursachen kann.
In menschlichen Adipozyten, die mit Naringenin in physiologisch erreichbaren Dosen behandelt wurden, wurden PPAR α und PPAR γ herunterreguliert. Auch Antidiabetika wie Glitazone binden an den Gamma-Subtyp des Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptors (PPAR). Dieser nukleäre Rezeptor ist wesentlich an der Reifung des Präadipozyten zum Adipozyten sowie am Glucose- und Fettstoffwechsel beteiligt.
Der Wirkmechanismus von Naringenin bei Typ-2-Diabetikern ist vergleichbar mit dem des konventionellen Antidiabetikums Metformin. Das Gewebe von Diabetikern enthält vermehrt Membranproteine vom Typ TLR (Toll-like-Protein). Diese tragen zur Entwicklung einer Insulinresistenz bei. Naringenin hemmt außerdem die TLR2-Expression in Adipozyten durch Aktivierung von PPAR γ. Entzündungsprozesse spielen bei diesen Reaktionen ein Rolle. Naringenin wirkt dieser Inflammation entgegen. Zusätzlich beeinflusst es den LDL-Spiegel günstig. Theoretisch kann Naringenin Cytochrom-P450-Enzyme hemmen und die Bioverfügbarkeit von Medikamenten – einschließlich Statinen – verbessern. Anders als bei den Nagetier- und In-vitro-Studien deuten die Ergebnisse von In-vivo-Studien beim Menschen jedoch darauf hin, dass Naringenin nicht die wichtigste inhibitorische Verbindung in Grapefruit ist.
Egal welche Diätform oder welches Nahrungsergänzungsmittel: Ihr könnt euren Patienten einschärfen, dass sie als Konsumenten skeptisch gegenüber „sensationellen“ Versprechungen von Erfolgen sein sollten. Und auch wenn es den ein oder anderen Effekt durchaus gibt – eine ausgewogene, vielseitige Ernährung und regelmäßige Bewegung bleiben nun mal die wirksamsten Klassiker für eine grundsätzliche Gesundheit.
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