Wie die Corona-Impfung hat auch die HPV-Impfung zunächst für viel Skepsis gesorgt – Kritiker mahnten Sicherheit, Langzeitschutz und Wirksamkeit an. Wie sieht es heute mit Daten dazu aus?
Im Jahr 2008 wurde der Nobelpreis für Medizin einem Virologen verliehen, der durch seine Forschung die Grundlagen für eine wichtige und einzigartige Impfung legte. Es war Prof. Harald zu Hausen, ehemaliger Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, der erkannte, dass bestimmte Viren Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Bereits 2007 wurde die HPV-Impfung von der STIKO in das Standardimpfprogramm für Mädchen zwischen 9 und 17 Jahren aufgenommen, für Jungs erfolgte die Empfehlung erst 2018. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dann, wenn die Impfung vor dem 18. Lebensjahr begonnen wird.
Eine HPV-Impfung schützt nicht nur gegen das Zervixkarzinom, der weltweit vierthäufigsten Krebserkrankung der Frau, sondern auch gegen Vulva-, Vaginal-, Anal-, Penis- und Oropharynxkarzinome. Belastende Genitalwarzen (Condylomata acuminata) können durch die Impfung vermieden werden. Studien belegen bei HPV-positiven Schwangeren erhöhte Inzidenzen für einen vorzeitigen Blasensprung, Frühgeburten und neonatale Mortalität (mehr dazu hier).
Eine Impfung nach operativer Therapie von intraepithelialen Neoplasien (CIN), sogenannten Vorstufen des Zervixkarzinoms, wird in Fachkreisen als sinnvoll angesehen.
Auch diese Impfung hat zunächst Skepsis und viele Diskussionen hervorgerufen. 1971 wurde in Deutschland die gynäkologische Krebsfrüherkennungsuntersuchung mittels PAP-Abstrich eingeführt. Humane Papillomviren, insbesondere die beiden Hochrisikotypen HPV 16 und HPV 18, konnten als Auslöser für das Zervixkarzinom verantwortlich gemacht werden. Der erste HPV-Impfstoff wurde 2006 in den USA und Australien zugelassen. Deutschland folgte ein Jahr später. Kritiker mahnten Sicherheit, Langzeitschutz und Wirksamkeit an. Verwirrend war auch zunächst die Zulassung eines 4-valenten, später eines 2-valenten Impfstoffes. Selbst große Krankenkassen veröffentlichten fragliche Informationen über die neue HPV-Impfung, was zu weiteren Verunsicherungen führte. In anderen Ländern gab es längst Schulimpfprogramme und es wurden Impfquoten bei Mädchen von bis zu 80 % erreicht, während in Deutschland 2015 gerade mal 40 % der weiblichen Jugendlichen geimpft waren.
2018 definierte die STIKO die HPV-Impfung genderneutral und setzte damit ein neues HPV-Impfziel. Nicht mehr allein die Vermeidung des Zervixkarzinoms, sondern die Reduktion der Krankheitslast möglichst aller HPV-assoziierten Tumoren war nun das Ziel. Damit kam auch ein 9-valenter Impfstoff auf den Markt. Die Immunisierung sollte möglichst früh und vor dem ersten Sexualkontakt erfolgen. Zwischen 9 und 14 Jahren sind zwei Impfdosen ausreichend, ab dem 15. Lebensjahr werden drei Dosen benötigt.
Der Impfstoff ist mittlerweile etabliert und gut verträglich, Nebenwirkungen werden sehr selten beobachtet.
Was Impfquoten anbelangt, gehört Deutschland nicht zu den Spitzenreitern. Bei der HPV-Impfung liegt sie für beide Geschlechter aktuell bei etwa 50 %. In einigen skandinavischen Ländern und in Australien, wo teilweise staatliche Impfprogramme existieren, liegen die HPV-Impfquoten bei 80 bis 90 %.
Im Lancet wurden im Dezember 2021 Studien aus Australien und England zur Wirksamkeit der HPV-Impfung vorgestellt.
In Australien wurde ein staatliches HPV-Impfprogramm 2007 für Mädchen und 2013 für Jungen eingeführt. Seit 2018 haben dort alle weiblichen Personen bis zum 38. Lebensjahr und alle männlichen Personen bis zum 21. Lebensjahr Anspruch auf eine kostenlose HPV-Impfung. Um die Auswirkung der Impfung auf das Auftreten von Genitalwarzen zu untersuchen, wurden 121.038 Männer und 116.341 Frauen in die Studie einbezogen. Dabei wurden die Zeiträume vor Einführung des Impfprogramms und danach miteinander verglichen. Es konnte ein Rückgang von Genitalwarzen bei den weiblichen Probanden um 58 %, bei den heterosexuellen männlichen Probanden um 45 % festgestellt werden. Der Erfolg war am stärksten, je jünger die Personen bei der Impfung waren, was man unter anderem auf schulische Impfkampagnen zurückführte.
In England wurde die routinemäßige HPV-Impfung für Mädchen 2008 eingeführt. Man verglich die Inzidenzen des Zervixkarzinoms und der CIN in drei geimpften Kohorten mit denen ungeimpfter Vergleichskohorten. Ausgewertet wurden die Daten eines bevölkerungsbasierten Krebsregisters zwischen 2006 und 2019 in Bezug auf die jeweiligen Altersgruppen. Man sah eine Verringerung der Zervixkarzinomraten von 34 % bis 87 %. Die Risikoreduzierung für CIN lag zwischen 39 % und 97 %. Man schätzt, dass es im Beobachtungszeitraum in etwa 448 Fällen zu weniger Zervixkarzinomen und in nahezu 17.235 Fällen zu weniger CIN-Veränderungen kam. Die Autoren trafen folgendes Fazit: Bei jungen Frauen wurde nach Einführung des HPV-Impfprogrammes ein Rückgang der Inzidenzen von Gebärmutterhalskrebs und besonders der intraepithelialen Neoplasien beobachtet. Das betraf vor allem diejenigen Frauen, die im Alter zwischen 12 und 13 Jahren geimpft wurden.
Berücksichtigt man die Altersverteilung des Zervixkarzinoms (Erkrankungsgipfel: zwischen 40–59 Jahren, mittleres Alter bei Erstdiagnose: 55 Jahre), dann könnte der positive Effekt der Impfung in den nächsten Jahren noch deutlicher werden. Bei den präinvasiven Vorstufen liegt das mittlere Erkrankungsalter bei 35 Jahren und zeigt schon jetzt ein eindeutiges Ergebnis.
Verstärkte Aufklärung ist nötig, Schulimpfprogramme und Infomaterial in den sozialen Medien wären sinnvoll. Warum nicht ein altersgemäßer Podcast über die HPV-Impfung, erklärende Ausführungen auf Twitter oder Instagramm? Gefragt sind insbesondere Pädiater und Allgemeinmediziner. Sie können darauf achten, dass die HPV-Impfung routinemäßig ins Standardimpfprogramm einfließt. In der Frauenarztpraxis hat es sich als praktikabel erwiesen, junge Mädchen über ihre Mütter, die bereits Patientinnen sind, zu erreichen. Das hat den Vorteil, dass mittels eines Erstkontaktes durch die Impfung die Hemmschwelle für den ersten gynäkologischen Praxisbesuch verringert werden kann.
Eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen über das 18. Lebensjahr hinaus bzw. nach operativen Therapien von Karzinomvorstufen, wäre sinnvoll.
Impfungen sind ein Meilenstein in der Medizingeschichte. Sie verhindern Infektionen, schwere Folgeerkrankungen und Malignome. Gut informiert, gewissenhaft aufgeklärt und sorgfältig verabreicht, retten sie Leben. Nicht nur der Eigenschutz, sondern insbesondere auch der Schutz anderer Menschen – im Falle der HPV-Impfung des eigenen Partners – sind starke Motivationsgründe.
Bildquelle: Courtney Cook, unsplash