Weihnachten soll die ungesündeste Zeit des Jahres sein? Unser Autor sieht das anders – und hat für euch die Vorzüge der weihnachtlichen Gerichte und Gewürze zusammengefasst. Aber seid gewarnt: Dieser Beitrag macht Hunger!
Gebrannte Mandeln, Zimtsterne, Mutzen, Bratapfel mit Zimt und Gans frisch aus dem Ofen – Weihnachten ist eine gustatorische Versuchung und kitzelt unser olfaktorisches, präsemantisches Gedächtnis. Betrachtet man Weihnachten aus orthomolekularer Sicht, ergeben sich ganz neue Aspekte.
Traditionell und bereits in der Antike ging es beim Weihnachtsschmaus nicht nur um Sinnesfreuden oder symbolisch-religiöse Bezüge, sondern auch um Volksmedizin.
Königin Elizabeth I. soll zum Heiligabend 1588 eine Gans aufgetragen haben, als sie die Nachricht vom Sieg über die spanische Armada erhielt. Zur Erinnerung an dieses freudige Ereignis soll seither der Gänsebraten zum Festtagsbraten avanciert sein. Der Ursprung von Karpfen soll seine Wurzeln im christlichen Glauben haben. Seinen Stellenwert als pescetarisches Weihnachtsessen stammt von der mittelalterlichen Vorstellung, dass man aus den Kopfgräten des Fisches eine Taube basteln konnte, die an den Heiligen Geist erinnert. Bei Kartoffelsalat und Würstchen sucht man solchen mystischen Ursprung sicherlich vergebens.
Zu den typischen Weihnachtsgewürzen gehören Muskatnuss, Zimt, Nelke und (Stern)Anis sowie Kardamom. Diese Gewürze enthalten entweder Allylbenzole oder Propenylbenzole. Beide können als metabolische Eltern von Amphetaminen betrachtet werde. Heitern Lebkuchen auch deshalb unsere gedrückte Stimmung in den trüben Wintermonaten auf? Oder sind es doch aromatherapeutische Gründe und der Pawlowsche Reflex: Weihnachten – Lebkuchen – Glück?
Am bekanntesten ist die berauschende Wirkung von Muskatnuss, der ecstasy-ähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden.
Der echte chinesische Sternanis (Illicium verum) ist ein Klassiker der Adventsbäckerei und gibt Lebkuchen, Anisplätzchen und Bratensoßen sein lakritzartiges Aroma. Er enthält viele Aromastoffe, ätherische Öle mit Trans-Anaethol sowie Sesquiterpendilactone und Flavonoide.
Die pharmakologische Wirkung des Sternanis beruht hauptsächlich auf Anethol. Er wirkt wie Anis im Magen-Darm-Trakt spasmolytisch sowie in den Atemwegen bronchosekretolytisch. Wer nach einem fettreichen Weihnachtsessen einen „Verteiler“ benötigt, kann zu Ouzo, Pastis oder „Küstennebel“ greifen, die alle Sternanis enthalten. Hier ist die Wirkung aber fraglich.
Dass die Weihnachtszeit auch giftige Überraschungen bescheren kann, ist bekannt. Denkt man an Bittermandeln, den Weihnachtsstern oder die Christrose. Regelmäßig zu Intoxikationen führt auch Sternanis. Es kommen Vermischungen mit anderen Illiciumarten, wie dem japanischem Sternanis (Illicium anisatum) vor, die eine hohe Toxizität besitzen. Gerade bei Kindern führt der Genuss von Sternanisarten in größeren Mengen zu gastrointestinalen und neurologischen Symptomen.
Die Toxizität von Illicium anisatum wird durch seinen Gehalt an potenten Neurotoxinen wie Anisatin, Neoanisatin und Pseudoanisatin verursacht. Diese Substanzen agieren als nicht-kompetitive Antagonisten an GABA-Rezeptoren. Die Verunreinigung der relativ ungiftigen Varianten mit den toxischen Sternanisvarietäten entsteht durch die starke makroskopische Ähnlichkeit oder durch das Kontaminieren von Pulverzubereitungen.
Es kann zu Zyanose, Erbrechen, Tetanie und Nystagmus kommen. Hierfür ist auch die enthaltene Shikimisäure und das aus der Muskatnuss bekannte Myristicin verantwortlich. Das Bundesinstitut für Arzneimittel, Vergiftungszentralen und die Fachpresse warnten nicht zum ersten Mal vor der Verunreinigung von Sternanis mit toxischen japanischen Varianten.
Zimt ist eines der ältesten Gewürze, und wurde schon 3000 v. Chr. in China verwendet. Der Portugiese Vasco da Gama brachte 1502 nach seiner Landung im Jahre 1498 auf der südindischen Insel Ceylon den Zimt nach Europa.
Je dünner die Rinde, um so feiner ist das Aroma. Im Unterschied zum Ceylon-Zimt wird beim Kassia-Zimt eine relativ dicke Rindenschicht zu einem Röllchen eingerollt. Eine gewisse Lebertoxizität hat das enthaltene Cumarin. Ceylon-Zimt enthält nur geringe Mengen an Cumarin, die als gesundheitlich unbedenklich gelten. Kassia-Zimt hat einen höheren Cumarin-Gehalt und sollte deshalb nicht über einen längeren Zeitraum in größeren Mengen verzehrt werden.
Zimt enthält ätherisches Öl mit Zimtaldehyd. Weiterhin enthalten sind Eugenol, Zimtalkohol, Cinnamylacetat und viele weitere Substanzen. Zimtrinde wirkt appetitanregend und verdauungsfördernd und kann daher bei dyspeptischen Beschwerden wie leichten krampfartigen Beschwerden im Magen-Darm-Bereich eingenommen werden. Das Gewürz wirkt außerdem antioxidativ, antibakteriell und blutzuckersenkend.
Es erhöht die Expression von Proteinen, die am Glukosetransport sowie der Insulinsignalgebung beteiligt sind und reguliert eine Dyslipidämie. Zimt zeigte eine positive Wirkung auf die Blutzuckerkontrolle, sowohl HbA1c als auch den Nüchternblutzucker. Um die notwendige Menge Zimt in Form von leckeren Zimtsternen zu sich zu nehmen, wären allerdings etwa 50 Stück notwendig. Leider würde man sich damit auch 250 g Saccharose in Form von Puderzuckerguss zuführen – was sicherlich nicht zuträglich für einen Diabetes ist. Man kann nicht alles haben.
Zimtöle könnten auch als Konservierungsmittel und Antioxidans zum Einsatz kommen. Eine Studie belegte, dass schon geringe Mengen die mikrobielle Vermehrung als auch den oxidativen Abbau verhindern.
Zimt ist auch meist in Glühwein enthalten. Wohl kaum ein Getränk wird bei uns so mit der (Vor-)Weihnachtszeit verknüpft, wie dieses. Dabei handelt es sich um einen Dekokt als Warmauszug oder ein Mazerat als Kaltansatz von Gewürzen mit Wein und reichlich Zucker. Der im Wein enthaltene Alkohol wirkt als Lösungsvermittler für ätherische Öle und andere lipophile Inhaltsstoffe der winterlichen Gewürze. Stimmen die Mythen, dass der flüssige Weihnachtsmarkt-Hit vergleichsweise schneller betrunken macht und zu Kopfschmerzen führt? Ja! Warmer Alkohol wird, gerade in Verbindung mit Saccharose als Carrier, rascher resorbiert. Ein 80 Kilogramm schwerer Mann hat nach einem Glas Glühwein bereits rund 0,35 Promille, eine 60-Kilo-Frau 0,5 Promille. Fuselöle und Aldehyde, besonders häufig beim Metabolismus von Billigwein zu finden, verursachen leicht Kopfschmerzen.
Wer nach Glühweingenuss seine hepatische Metabolisierungsrate sorgenvoll im Auge hat, konsumiert einfach Kardamom. Das Powergewürz wird seit Jahrhunderten angewendet. Die Kapseln enthalten Cineol, Terpineol, Myrcen, Borneol und ätherische Öle. In einer Studie senkte Kardamompulver den Gesamtcholesterin- und Triglyceridspiegel sowie die Fettablagerung im Bauchfell.
Außerdem werden Leberfunktionsstörungen gebessert und die Werte von AST, ALT und ALP gesenkt. Das Vorhandensein von phenolischen Verbindungen im Kardamompulver könnte für den Leberschutz und die verbesserten antioxidativen Fähigkeiten verantwortlich sein. Nach der Studienlage müsste Kardamom ein weihnachtlicher Kümmelersatz sein, vorausgesetzt, sie sind eine fettleibige Ratte, an der die Studie von Rahman et al. durchgeführt wurde.
Kurz auf der Zunge, lange auf der Hüfte, das gilt für viele Weihnachtsgenüsse. Abhilfe schaffen Amydala dulcis. Mandeln sind ähnlich gesund wie Oliven und helfen beim Abnehmen. Sie liefern zudem viele ungesättigte Fettsäuren, Mineralstoffe wie Magnesium, Calcium und Kupfer sowie große Mengen der Vitamine B und E.
In einer Studie erhielten 65 Übergewichtige zwischen 27 und 79 Jahren bei einem 24-Wochen-Versuch eine niederkalorische Diät. Eine Gruppe erhielt im Rahmen dieser Diät täglich 84 Gramm Mandeln, eine zweite Gruppe dieselbe Diät, nur statt der Mandeln komplexe Kohlenhydrate. Beide Diäten wiesen denselben Kalorien- und Proteingehalt auf. Nach einem halben Jahr wurden die Probanden untersucht. Der BMI der Mandelgruppe sank im Vergleich zur Kontrollgruppe um 62 Prozent mehr. Auch der Taillenumfang und die Fettmasse waren in der Mandelgruppe auffallend geringer geworden.
Die gesunden Fette in der Mandel bestehen – wie das Olivenöl – hauptsächlich aus mehrfach ungesättigten Linolsäuren. Der Ersatz beliebter Snacks durch Mandeln kann den Blutzucker senken und die Energiebilanz verbessern, so eine Studie von Brown et al.
Man nimmt übrigens nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten zu. Die Gewichtszunahme verteilt sich also überwiegend über das ganze Jahr. Schon vor knapp zehn Jahren belegte eine Studie: Über die Weihnachtstage sind es durchschnittlich lediglich 370 Gramm. Das entspricht ungefähr zwei mittelgroßen Tüten gebrannten Mandeln.
Die Sorge um das zusätzliche Gewicht ist also weitgehend unbegründet, dennoch liegt einem der Magen am Herzen. Was hilft also besser als ein zünftiger, hochalkoholischer Digestiv? Dazu meint stimmungskillend der Berufsverband der Internisten: „Der Alkohol belastet den Magen zusätzlich, denn er hemmt die Magenmuskulatur und verlängert dadurch die Zeit, die der Speisebrei im Magen verbringt. Wenn überhaupt, so haben eher die in Kräuterschnäpsen enthaltenen ätherischen Öle der Kräuter positive Effekte auf die Verdauung. Generell aber ist der Konsum hochprozentigen Alkohols nach dem Essen nicht empfehlenswert.“
Viel besser und ohne Leberbelastung ist Kaffee. Zum einen beeinflusst Kaffee die Zusammensetzung der Darmflora und zum anderen regt er die Muskeln im Darm zur Kontraktion an. Kaffee wirkt antioxidativ, entzündungshemmend und antiproliferativ auf die Schleimhaut und besitzt bewegungsfördernde Wirkungen auf die Muskelschichten.
Der Kaffeekonsum erhöht die α-Amylase-Aktivität im Speichel signifikant und übt einen Einfluss auf die Darm-Hirn-Achse aus. Der bessere Digestiv ist also eine Tasse Kaffee oder Espresso.
Neben Truthahn und Ente ist die Gans (Familie der Anserinae) sicherlich die Dritte im Trio der Gruppe der ornithologisch-gustatorischen Weihnachtsgenüsse. Fettig, ungesund, steigert den Cholesterin- und Harnsäurespiegel? Nein! Entwarnung für den Festtagsbraten. Wenn auch hier festliche Empirie nüchterne Evidenz schlägt. Gänsefett besteht nur zu 35 Prozent aus ungesunden gesättigten Fetten. Butter hingegen zu über 50 Prozent (tut mir leid, geliebter Butterstollen).
Einfach ungesättigte Fette machen 52 Prozent aus und etwa 13 Prozent sind mehrfach ungesättigte Fette wie Omega-6- und Omega-3 Fettsäuren, also ganz gesund. Das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren hängt davon ab, was die Tiere gefressen haben. Eine glückliche Gans darf viel Zeit im Freien verbringen und frisst somit viel Grünes und damit viele pflanzliche Omega-3-Fettsäuren. Jetzt noch Pflaumen und Äpfel für die Vitamine und Rotkohl und ein Glas Rotwein für die Rutinderivate. Als Nachtisch ein Lebkuchenparfait und als Digestiv ein Tässchen Espresso; bei der Bescherung Mandeln knabbern ist ein Muss. Aus orthomolekularer Sicht das perfekte Weihnachtsdinner.
Oder nach Hippokrates: Lass die Nahrung deine Medizin und die Medizin deine Nahrung sein.
Schöne Weihnachten, schlemmen Sie sich gesund.
Bilquelle: Karolina Grabowska, pexels