Weihnachten lassen es sich viele richtig gut gehen. Die Vorweihnachtszeit beschert Ärzten und Mitarbeitern in Vergiftungszentralen aber auch ein deutliches Plus an akuten Vergiftungen.
Hauptübeltäter ist das zwar schön anzusehende, aber oft hochgiftige Grünzeug, das im Zuge adventlicher Verschönerungsmaßnahmen Einzug in Millionen von Wohnungen hält. Dieser Beitrag ist nicht (nur) für den Mitarbeiter des Rettungsteams im Beruf gedacht. Jeder Leser ist ja auch „Weihnachtskonsument“ und verfügt möglicherweise über Weihnachtsgifte.
Weihnachtsstern
Der Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima) hat zur Adventszeit Hochkonjunktur. Besonders wenn die Zierpflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse mit leuchtend roten Blättern aufwartet, zieht sie kleine Kinder magisch an. Der rote Hingucker ist im mexikanischen Hochland beheimatet und wächst dort als Strauch von 4 bis 6 m Höhe.
Zwar sind die hier zu Lande verkauften Zuchtformen für Menschen deutlich weniger giftig als wild wachsende Weihnachtssterne. Dennoch sollte man dafür sorgen, dass sich kleine Kinder nicht in unbeobachteten Augenblicken an ihnen vergreifen können. Nach Einnahme von ein bis zwei Blättern drohen
• Magen-/Darm-Krämpfe • Durchfall • Allergien • Zittern • Schläfrigkeit • Übelkeit und • Erbrechen.
Bei Hautkontakt kann es zu Rötungen, Blasenbildung und Läsionen kommen. Für die Symptome sind stark reizende Diterpene verantwortlich. Tödlich kann es hingegen enden, wenn Kleintiere wie Katzen, Meerschweinchen oder Kaninchen an Weihnachtssternen knabbern. Wem seine tierischen Mitbewohner lieb sind, sollte die Pflanzen so aufstellen, dass die Vierbeiner ihrer nicht habhaft werden können.
Christrose: „chemische Waffe“ des Altertums
Gefährlicher als der Weihnachtsstern ist die Christrose (Helleborus niger). Die Pflanze wurde bereits in der Antike als chemische Waffe eingesetzt, um Brunnen von Feinden zu vergiften. Alle Pflanzenteile sind sehr stark giftig. Die größte Konzentration der Wirkstoffe ist in der Wurzel und in den Samen gefunden worden. Alle Gifte bleiben beim Trocknen erhalten. Symptome bei einer Vergiftung:
Für die kardialen Komplikationen ist das digitalisähnliche Helleborein verantwortlich. Der Kaliumspiegel wird gesenkt, der Calciumausstrom aus dem Herzmuskel vermindert. Die Folge ist ein Überangebot an Calcium. Dies führt zu einer Herzkraftsteigerung und zur Bradykardie.Lebensbaum als Todespflanze
Thujazweige (Thuja occidentalis) enthalten stark reizende ätherische Öle. Nach Verschlucken von Blättern ist mit lang anhaltenden Krämpfen, Erbrechen und Magenblutungen zu rechnen. Vergiftungen verlaufen meist schwer; Leber- und Nierenschäden sind beschrieben. Vor allem das enthaltene Nervengift Thujon ist hoch giftig. Es ist ein alter bekannter aus dem Trend-Getränk Absinth. Tödliche Vergiftungen sind durch den Missbrauch von Thuja als Abtreibungsmittel bekannt. Giftige Pflanzenteile sind das Holz, Zapfen und vor allem Zweigspitzen.
Symptome einer Vergiftung sind:
Nach Hautkontakt kann es zu Rötung und Juckreiz im Sinne einer allergischen Reaktion kommen.Finger weg von Früchten und Nadeln der Eibe!
Hoch giftig sind sowohl die Früchte als auch die Nadeln der Eibe (Taxus baccata). Die schon sehr lange bekannten Gifte - sie wurden zum ersten Mal von Nikande im Jahre 200 v. Chr. beschrieben - wurden zum Zweck der Abtreibung, des Selbstmordes und des Mordes verwendet. Durch diesen langen Zeitraum sind sehr viele letal ausgehende Vergiftungen bekannt worden. Besonders gefährdet ist das Weidevieh durch das Fressen der Eibe. Hier sind schon viele Verluste beklagt worden, so die Giftinformationsseite. Bis auf die rote fleischige Samenhülle ist die ganze Pflanze stark giftig.
Aus den enthaltenen Inhaltsstoffen werden nach Aufnahme geringe Mengen an Blausäure freigesetzt. Weitaus giftiger sind jedoch die enthaltenen sogenannten Pseudo-Alkaloide. Eine Stunde nach der Vergiftung mit Eiben-Teilen klagen Patienten zunächst über Übelkeit, Leibschmerzen und Schwindel. Später kommt es zu Pupillenerweiterung und Herzrhythmusstörungen. Betroffene zeigen eine bläulich-rote Verfärbung von Haut und Schleimhäuten und werden schließlich bewusstlos. Der Tod tritt durch Atemlähmung oder Herzstillstand ein. Die in den Beeren enthaltenen Samen sind giftiger als die Nadeln der Eibe. Auch nach länger zurückliegender Aufnahme ist es sinnvoll, den Magen zu spülen, da die Nadeln Entleerungsstörungen des Verdauungsorgans begünstigen.
Duftes Klima kann Kinder gefährden
Etherische Öle werden gerade in der kalten Jahreszeit als Duftöle eingesetzt. Zitrus, Lavendel, Latschenkiefer und viele weitere Düfte beleben den Geist und schaffen ein angenehmes Raumklima. Die etherischen Öle werden meist durch Wasserdampfdestillation gewonnen und enthalten die gesamte Kraft der Pflanze. In konzentrierter Form inhaliert, auf die (Schleim)Haut aufgetragen oder eingenommen, können zu massiven Vergiftungserscheinungen führen. Etwa 150 Öle werden in Technik und Medizin angewendet, nur über wenige existieren genaue toxikologische Daten. Kampfer, Cineol, Menthol sind sehr toxisch, Terpentinöl, Fichtennadelöl, Lavendelöl, Fenchelöl und Anisöl weniger toxisch. Die Fachzeitschrift Kinder- und Jugendarzt berichtet über einen Fall, bei dem einem Säugling ein Tropfen Pfefferminzöl statt auf das Kissen, auf die Lippe geträufelt wurde. Bei dem vier Wochen alten Kind setzte sofort die Atmung aus. Bei Säuglingen kann die Aufnahme etherischer Öle sehr rasch einen Laryngospasmus mit Todesfolge auslösen. Weiterhin möglich sind zentralnervöse Symptomatik, Krampfanfälle, Schockreaktionen, Ataxie und Tremor. Um einen Krampfanfall auszulösen, sind vermutlich mindestens 5 ml Öl nötig. Wurde eine größere Menge Öl aufgenommen, riecht meist das ganze Kind nach dem Öl. Wird nur eine sehr geringe oder verdünnte Menge aufgenommen, kann es dennoch zu starken Schleimhautirritationen kommen. Die Betroffenen klagen über Durchfall, Übelkeit und Bauschmerzen. Verschluckt sich das Kind nach der Aufnahme, herrscht „Alarmstufe rot“. Durch die Aspiration dringt das Öl in die Lunge ein und kann eine Pneumonitis hervorrufen. Auch ein toxisches Lungenödem ist möglich. Auch mentholhaltige Bäder sind für Kleinkinder tabu. Das warme Badewasser ermöglicht eine gute Resorption und eine systemische Wirkung, auch Allergien können ausgelöst werden.
Bittermandeln – Zyanid aus dem Stollen
Bittermandeln werden bei der Herstellung von Mandelöl, in Marzipan-, Schokoladen-, Süßwaren- , in der Likörindustrie und bei der weihnachtlichen Stollenfertigung verwendet. Die Abgabe von Bittermandeln ist nicht gesetzlich geregelt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker empfiehlt die Abgabegrenze von 10 bis 20 g Bittermandeln nicht zu überschreiten. Das Abgabegefäß sollte mit dem Hinweis „Für Kinder unzugänglich aufbewahren“ versehen werden.
Bittermaneln enthalten u.a. das cyanogene Glycosid Amydalin. Im Magen kann Blausäure durch Hydrolyse freigesetzt werden. Das Gift komplexiert das dreiwertige Eisen des Atmungsenzym und behindert so die innere Zellatmung. Für Kinder können bereits 5 – 10 Bittermandeln tödlich sein! Bei Erwachsenen beträgt die tödliche Dosis etwa 50 Stück. Werden die Mandeln in Kuchen verarbeitet, verringert siche der Zyanidgehalt beim Backen um 30 Prozent. Bittermandelbackaroma ist relativ harmlos, es enthält synthetisches Benzaldehyd. Bei einer Überdosierung von amyddalinhaltigen Pflanzen und Früchten kann es zu Gesichtsrötung, Tachykardie, Kopfschmerzen, Krampfanfällen, Atemstillstand und Herzversagen kommen. Als Antidot bei schweren Vergiftungen steht 4-DMAP oder das in Deutschland seit kurzer Zeit zugelassene Hydroxocobalamin (Cyanokit ®) zur Verfügung.
Maßnahmen bei Vergiftungen
Spezielle Antitode bei den o.g. Pflanzen existieren nicht, die Therapie erfolgt symptomorientiert. Die wichtigste Maßnahme ist die Sicherung der Vitalfunktionen und die Gabe von bindender Aktivkohle. Vergiftungen mit Pflanzenteilen sind auch deshalb tückisch, weil die Symptome meist verzögert eintreten. Die Resorption der Toxine aus den Pflanzenteilen erfolgt unkalkulierbar und meist langsam. 13 A-Regel bei Intoxikationen:
Parallel hierzu erfolgen:
Erbrechen ist, verglichen mit der Kohlegabe, deutlich risikoreicher und ist nicht immer möglich oder ausreichend wirksam. An die Stelle des Erbrechens ist die Gabe von Kohle getreten. Die Dosis beträgt 1g/kg Körpergewicht. Zum Verdünnen sollte kein kohlensäurehaltiges Mineralwasser verwendet werden. Das Gas durchblutet die Magenschleimhäute stärker, die Giftresorption wird gesteigert.
Auf jeden Fall bekommt das Wort „Gift“ als Geschenk oder Toxin eine neue Betrachtungsweise. In diesem Sinne: ruhige, besinnliche Weichnachten!!