Sind Antikörper-Schnelltests vor einer Booster-Impfung sinnvoll? Studien lassen das auf den ersten Blick vermuten. Wir haben uns die Sache genauer angesehen.
Die Diskussion um die Booster-Impfung ist gerade erst am Anfang. Auch wenn die STIKO ihre Booster-Empfehlung Anfang Oktober bereits für Ältere und Vorerkrankte rausgegeben hat (wir berichteten), bleibt weiterhin die Frage offen: Sollten sich auch Jüngere und Menschen ohne Vorerkrankungen eine dritte Corona-Impfung abholen? Für manche erscheint ein Antikörper-Test im Vorfeld einer Booster-Impfung sinnvoll. Immerhin könnte dieser Aufschluss darüber geben, ob man noch immun gegen SARS-CoV-2 ist, so die Annahme. Aber ist das wirklich eine gute Idee?
Das New England Journal of Medicine hat kürzlich eine israelische Studie veröffentlicht, die den Zusammenhang von Antikörpertitern in vollständig geimpften Mitarbeitern des Gesundheitswesens (HCW) und Durchbruchsinfektionen untersucht. Könnten die Antikörpertiter in Zukunft also eine einfache Antwort über die Booster-Frage liefern? Schauen wir zunächst einmal in die Studie.
Die Forscher evaluierten im größten medizinischen Zentrum in Israel, dem Sheba Medical Center, Durchbruchsinfektionen von HCW. Die Auswertung umfasste epidemiologische Untersuchungen, wiederholte RT-PCR-Tests, Antigen-Schnelltests sowie serologische Assays und genomische Sequenzierungen von 1.497 vollständig geimpften Mitarbeitern im Zeitraum von Januar bis April 2021. Die Untersuchungen begannen elf Tage nachdem die ersten Mitarbeiter ihre zweite Comirnaty®-Impfung erhielten. Um zu ermitteln, wie die Durchbruchsinfektionen mit den gemessenen Parametern korrelieren, wendeten die Forscher Case-Control-Analysen an. Dazu wurden die Antikörptertiter, die eine Woche vor dem SARS-CoV-2-Nachweis gemessen wurden (Peri-Infektionsphase), mit vier bis fünf nicht infizierten Kontrollen verglichen. Außerdem untersuchten sie auch die Korrelation zwischen neutralisierenden Antikörpertitern und den Ct-Wert in Bezug auf die Infektiosität.
Bei den Untersuchungen erfassten die Forscher lediglich 39 Durchbruchsinfektionen. Die neutralisierenden Antikörpertiter während der Peri-Infektionsphase waren bei den Patienten mit späterer Infektion niedriger als bei den gepaarten Kontrollen. Dabei erfassten die Forscher ein case-to-control ratio von 0,361 (95%-KI: 0,164 bis 0,787). Höhere neutralisierende Antikörpertiter in der Peri-Infektionsphase wurden mit einer niedrigen Infektiosität (höhere Ct-Werte) assoziiert. Zudem waren die meisten Durchbruchsinfektionen mild oder asymptomatisch. Lediglich 19 Prozent der Patienten wiesen persistierende Symptome auf, die länger als sechs Wochen anhielten. Die Variante Alpha wurde dabei in 85 Prozent der Fälle erfasst. Insgesamt wiesen 74 Prozent der Patienten eine hohe Viruslast während der Infektion mit einem Ct-Wert <30 auf. Von diesen Patienten hatten lediglich 17 (59 %) positive Antigen-Schnelltestergebnisse. Sekundäre Infektionen wurden bei keinem Patienten erfasst.
Wie jede Studie hat auch diese ihre Limitationen: Eine davon ist die recht kleine Kohorte von Durchbruchsinfektionen, sowie eine Überrepräsentation von jungen und gesunden Personen, deren Infektion keine Hospitalisierung beanspruchte. Da keine Überwachungstests durchgeführt worden sind, können möglicherweise auch Durchbruchsinfektionen nicht erfasst worden sein.
Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass das Auftreten von Durchbruchsinfektionen bei vollständig geimpften HCW mit den SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörpertitern während der Peri-Infektionsphase korreliert. Auch wenn die Infektionen bei allen Patienten recht mild bis asymptomatisch waren, traten durchaus anhaltende Symptome auf.
Zwar liefert die Untersuchung keine eindeutigen Beweise, dennoch weist sie auf eine wichtige Frage hin: Ist die Notwendigkeit einer Booster-Impfung über eine Antikörperbestimmung abschätzbar? Um diese Frage zu klären, haben wir Prof. Friedemann Weber vom Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität Giessen als Experten herangezogen.
„Zunächst ist es wichtig klarzustellen, dass es hier um die Messung von Serum-Antikörper (IgG) geht“, sagt Weber über die Studie. Jedoch werde der Schutz vor Infektion insbesondere durch IgA-Antikörper auf der Schleimhaut des Atemtrakts bewerkstelligt. Zytotoxische T-Zellen ermöglichen hingegen den Schutz vor schwerer Erkrankung, deren Spiegel nicht so schnell abfallen wie die der Antikörper, erklärt der Virologe.
„In der Praxis kann man noch nicht genau sagen, ab welchem Serum-Antikörperspiegel man noch genügend Schleimhautantikörper zum Schutz vor Infektionen annehmen kann“, sagt Weber. Er weist dabei darauf hin, dass Virusvarianten sowie das Fehlen von einheitlichen Standards für die Testdurchführung eine praktische Umsetzung erschweren. Nur bei „Werten im geringen zweistelligen Bereich“ könne man von einem verminderten Schutz ausgehen.
„Eine Titerbestimmung ist routinemäßig auch gar nicht notwendig. Es genügt für die meisten Menschen, wenn man den Empfehlungen in Bezug auf Impfabstände folgt“, erklärt Weber.
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte Seite neu laden.
Auch das RKI ist auf diese Frage eingegangen: Häufig wird fälschlicherweise angnommen, dass keine Auffrischimpfung nötig ist, wenn ein hoher Antikörperspiegel vorliegt. Jedoch ist das falsch – es ist nicht bekannt, wie hoch der Antikörpertiter sein muss, um einen entsprechenden Schutz zu erlangen. Daher empfiehlt die STIKO auch nicht, vor der Verabreichung der (Auffrisch-)Impfung mithilfe serologischer Antikörpertestung den Schutz vor COVID-19 zu prüfen.
Bildquelle: Richard Gatley, Unsplash