Mit der Ampelkoalition könnten Apotheken schon bald legale Anlaufstellen für Cannabiskonsumenten sein. „Yo, Mann, kannst du für 'nen Zwanni klären?“ – das wäre dort dann häufiger zu hören.
Seitdem Christian Lindner von der FDP die Möglichkeit offen ausgesprochen hat, dass im Falle einer Ampelkoalition die Apotheken die Abgabestelle für das legalisierte Cannabis sein könnten, gibt es kein Halten mehr. In vielen Apotheken wird nun darüber gesprochen, ob das eine gute Idee ist. Was mich dabei so überrascht: Entgegen meiner Erwartung stehen die meisten Apothekenmitarbeiter dieser Möglichkeit nicht skeptisch gegenüber, sondern erkennen durchaus den Sinn hinter dieser Option. Die Frage: „Darf es noch ein Tütchen sein?“ könnte also tatsächlich bald zwei verschiedene Bedeutungen bekommen, wenn man in der Apotheke einkauft.
Im Sender Bild TV sprach sich Lindner skeptisch zur Abgabe in Coffeeshops wie in den Niederlanden aus. Er bevorzuge aus Gründen der „Kriminal- und Gesundheitsprävention“ die Abgabe „beispielsweise in einer Apotheke nach gesundheitlicher Aufklärung“, wo Konsumenten „eine Menge für den eigenen Gebrauch erwerben dürfen“.
Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach schlägt ein paar Tage zuvor ähnliche Töne an, was die mögliche Legalisierung von Cannabis angeht. Er sei nach eigener Aussage jahrelang gegen eine Legalisierung gewesen, habe jetzt aber doch seine Meinung geändert. Der Grund seines Sinnenwechsels: „Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßen-Cannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben.“ Auch er plädiere daher für die Legalisierung und den kontrollierten Verkauf. Und wer wäre da besser geeignet als die Apotheken?
Ich hatte erwartet, eine Welle der Empörung seitens der Apothekenmitarbeiter würde hochschlagen und sie hätten Angst, künftig als Dealer betrachtet zu werden – doch weit gefehlt! Ein ABDA-Sprecher macht in der Pharmazeutischen Zeitung zwar auf den „Heilberuflichen Zielkonflikt“ aufmerksam, denn „einerseits gehören Drogen zu Genusszwecken nicht in die Apotheke (…) andererseits muss bei einer Legalisierung auch ein sicherer Vertriebsweg zur Verfügung stehen, der die Konsumentinnen und Konsumenten schützt“. Ein striktes von-sich-weisen sieht anders aus. Er signalisiert außerdem Gesprächsbereitschaft seitens der Apothekerschaft, die „an einer Lösung mitarbeiten (würde), die den Besonderheiten von Cannabisprodukten unter Qualitäts- und Sicherheitsaspekten Rechnung trägt“.
Wer sich naturgemäß dagegen ausspricht sind vor allem die Menschen, die bereits heute schon vor allem mit CBD-Zubereitungen Handel treiben. Sie sehen sich als Experten auch in Sachen Cannabisverkauf, würden hier am liebsten selbst ins Geschäft einsteigen und machen sich über die Abgabe in einer Apotheke lustig. Vor allem der Jugendschutz sei hier nicht zu gewährleisten. So ganz von der Hand weisen will ich die Argumentation tatsächlich nicht, denn ich finde es persönlich etwas problematisch, Cannabis als Genussmittel in die Apotheke zu holen. Das wertet das Rauschmittel in den Augen vieler Menschen auf, und lässt es schon beinahe als Medizin oder „gesund“ durchgehen, was verharmlosend wirkt.
Der Grund, warum Cannabis im Verkauf in jedem Fall in die Apotheke gehört, ist aber nicht die Altersbeschränkung und es sind auch nicht die Risiken, die ein gesunder Mensch beim Konsum tragen muss. Der Grund sind die vielen Wechselwirkungen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, zu denen eben nur in den Apotheken umfassend Aufklärung betrieben werden kann. Es geht nämlich nicht nur darum, den Ausweis gegen zu checken und nachzusehen, ob der Konsument bereits über 18 Jahre alt ist. Man muss auch gezielt rückfragen, welche Medikamente noch eingenommen werden.
Gegebenenfalls könnte sich der Konsument vom Arzt umstellen lassen, seinen Konsum einschränken oder – der Gesundheit zuliebe – ganz überdenken. Und das können Apotheken naturgemäß besser leisten, als irgendeine andere lizensierte Abgabestation. Nicht umsonst hat sich das pharmazeutische Personal in den letzten Jahren seit der Freigabe für medizinische Zwecke in das Thema Cannabis so tief eingearbeitet, dass es inzwischen sogar bereits darauf spezialisierte Apotheken gibt. In der Apotheke haben wir die Möglichkeit, Cannabis einzukaufen, dessen Gehalt bekannt ist, eine spezielle vorher festgelegte Konzentration nicht überschreiten darf und nicht mit anderen Substanzen gestreckt ist – zum Schutz der Konsumenten.
Das sehen viele Apotheker ebenso, daher tendiert die Grundstimmung zum Verkauf von Cannabis in der Apotheke momentan tatsächlich in Richtung verhalten positiv. Ängste bestehen allerdings einmal für die Dronabinol-Patienten dahingehend, dass die Krankenkassen künftig das Dronabinol nicht mehr übernehmen könnten (da vermutlich dann die BTM-Pflicht und möglicherweise auch die Verschreibungspflicht wegfällt) und zum anderen möchten viele sich nicht am Verkauf von Rauschdrogen bereichern.
Sie fühlen sich wie Dealer und haben Angst, dass sie Schuld daran sein könnten, Menschen abhängig zu machen oder ein potenziell psychoseauslösendes Mittel zu verkaufen. Andere möchten keine Diskussionen mit Genusskiffern um Qualität, Menge und Preis führen, oder machen sich Sorgen wegen des Notdienstes oder aufgrund drohender Einbrüche in die Apotheke, wenn dort Haschisch lagert. Dazu muss gesagt werden, dass ja keine Pflicht zur Abgabe besteht, denn der Kontrahierungszwang laut § 17 Abs. 4 der Apothekenbetriebsordnung gilt ja nur für verschreibungspflichtige Medikamente. Für einen ungestörten Notdienst reicht vermutlich ein großer Hinweis auf einem Schild vor der Eingangstüre aus, dass in der Nacht kein Cannabis abverkauft wird.
Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass Cannabis in den Apotheken abgegeben werden kann, dann wären viele Apotheken dazu in der Lage und bereit, sich den neuen Herausforderungen bezüglich Sicherheit, Beratung und Organisation zu stellen. Der Aufwand müsste sich aber auch rechnen – das bedeutet, dass die Apothekenabgabe von Cannabis für einige Jahre sichergestellt sein müsste, was Aufgabe der Standespolitik wäre, dies zu erreichen. Es hat keinen Sinn, das Personal mit entsprechenden Fortbildungen zu schulen oder das Apothekenalarmsystem zu erneuern, wenn nach ein, zwei Jahren der Versand und der Verkauf völlig freigegeben wird. Aus einer Ampelkoalition könnten sich also spannende neue Zeiten mit ganz neuen Herausforderungen entwickeln.
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