Zwischen Tierärzten, Medizinern und Politikern ist ein Streit um ein Antibiotika-Verbot bei Tieren entflammt. Das EU-Parlament hat jetzt entschieden – aber echte Gewinner gibt es nicht.
Die Debatte um den Einsatz bestimmter Antibiotika bei Tieren ist komplex. Ab nächstem Jahr tritt eine neue EU-weite Regulierung zum Einsatz von Reserveantibiotika bei Tieren in Kraft. Die EU-Tierarzneimittelverordnung 2019/6 löst die alte, bisher geltende Richtlinie ab. Ein Änderungsantrag des Grünen-Abgeordneten Martin Häusling sollte den Einsatz von vier Antibiotikaklassen bei allen Tieren verbieten, um der sich verschlechternden Resistenzentwicklung bei Mensch und Tier entgegenzuwirken. Dieser wurde jetzt aber vom EU-Parlament abgelehnt.
Es bleibt also bei den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission. Sie sollen ebenfalls Antibiotika benennen, die nur für Menschen erlaubt sein sollen. In der Empfehlung, die mit der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sowie EFSA, ECDC, OIE und WHO abgestimmt war, werden auf Basis des One-Health-Ansatzes Human- und Tiermedizin gleichermaßen berücksichtigt. Welche Substanzen konkret auf diese Liste von Reserveantibiotika kommen sollen, wurde bislang noch nicht kommuniziert. Kriterien für deren Auswahl stehen aber schon fest: Verboten werden sollen Antibiotika, die eine hohe Bedeutung für die menschliche Gesundheit haben und bei denen ein „nicht-essenzieller“ Bedarf in der Tiermedizin besteht.
Der Vorgang spaltete die Interessenvertreter. Meist über die Presse kam es zuletzt immer wieder zu hitzigen Diskussionen zwischen Tier- und Humanmedizinern, Politikern und der Agrarlobby. So auch nach dem gestrigen Beschluss.
Unter anderem sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, der Deutschen Presse-Agentur: „Sehenden Auges steuert Europa auf Zeiten zu, in denen es keine lebensrettenden Reserveantibiotika mehr gibt.“ Die Entscheidung der Abgeordneten könne unter Umständen Menschenleben kosten. Auch Häusling sprach mit der Presse: „Es ist ein ganz schlechter Tag für die Humanmedizin.“ Das Ziel seines Antrags war, den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu beenden, um Resistenzen vorzubeugen.
Sein Vorschlag löste jedoch Protest beim Verband praktizierender Tierärzte aus. Die Krux: Von dem Verbot wären alle Tiere und Tierärzte sämtlicher Spezialisierungen betroffen gewesen. So sinnvoll die weitere Reduktion von Antibiotika bei lebensmittelliefernden Tieren sein kann – auch Kleintierärzten wären in vielen Fällen die Hände gebunden worden. Für die Behandlung von kleinen Heimtieren und auch Exoten wie Reptilien hätte das Verbot zu einem akuten Therapienotstand geführt, da diese Patienten sowieso nur wenige Präparate überhaupt vertragen. Häuslings Äußerung „Man kann doch nicht den Schutz von Meerschweinchen mit der Humanmedizin gleichstellen“, dürfte bei vielen Tierärzten bitter aufstoßen.Verbandsgeschäftsführer Heiko Färber zeigte sich deshalb erfreut über das Abstimmungsergebnis im Parlament: „Wir glauben, dass das der richtige Weg ist, um den Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen anzugehen.“
Am Ende ist es schwer zu sagen, welcher Weg der richtige gewesen wäre. Fest steht, dass dringend Maßnahmen benötigt werden, um der sich zuspitzenden Lage der Resistenzentwicklungen entgegenzuwirken. Im Bereich der Tiermedizin wurde der Einsatz von Antibiotika in den letzten Jahren bereits drastisch reduziert und reglementiert, vor allem im Kleintierbereich. Seit 2011 kam es so zu einem Rückgang von insgesamt 60,7 % in allen Bereichen. Die Anfertigung von Antibiogrammen vor dem Einsatz eines Antibiotikums ist bei vielen Kleintierärzten bereits Routine. Dass es in der industriellen Tierhaltung bei Schweinen oder Geflügel nach wie vor zum flächigen, teilweise metaphylaktischen Einsatz von Antibiotika kommt, ist vor allem der Haltung vieler Tiere auf engstem Raum geschuldet. Vielleicht ist es lohnenswerter, hier anzusetzen, statt rigorose Reglementierungen vorzuschlagen.
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