Ein neues Gesetz soll helfen, die Bildung von Resistenzen gegen Reserveantibiotika zu verhindern. Geplant ist, ihren Einsatz bei Tieren zu verbieten. Das könnte zu einem Therapienotstand führen, warnen Tierärzte.
Ab nächstem Jahr tritt eine neue EU-weite Regulierung zum Einsatz von Reserveantibiotika bei Tieren in Kraft. Die EU-Tierarzneimittelverordnung 2019/6 soll helfen, die Entstehung von neuen, für den Menschen gefährlichen Resistenzen zu vermeiden. In dem Entwurf wird dazu angeregt, den Gebrauch von Reserveantibiotika in der Tiermedizin weitgehend zu verbieten.
Gelten soll die Verordnung ab dem 28. Januar 2022 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie löst die geltende Tierarzneimittel-Richtlinie (Richtlinie 2001/82/EG) ab. In einem anschließenden Rechtsakt müssen EU-Kommission, Mitgliedsstaaten und EU-Parlament nun bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2022 festlegen, welche Antibiotika künftig für den Menschen vorbehalten und damit für die Tiermedizin verboten werden sollen.
Unterschieden wird in der Verordnung aber nicht zwischen Tieren für die Gewinnung von Lebensmitteln und Haustieren. Mitte Juli wurde deshalb von der EU-Kommission ein Entwurf vorgelegt, in dem „Kriterien für die Einstufung antimikrobieller Mittel, die für die Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind“ für die Verordnung aufgeführt wurden. In der Empfehlung, die mit der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sowie EFSA, ECDC, OIE und WHO abgestimmt war, wurden auf Basis des One-Health-Ansatzes Human- und Tiermedizin gleichermaßen berücksichtigt. Der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments (ENVI) lehnte den vorgelegten Entwurf jedoch ab – denn er bevorzugt einen anderen, strengeren Vorschlag, welcher ganze Wirkstoffklassen auf eine Reserveliste setzt. Mitte September muss das Europäische Parlament final über den Kommissionsvorschlag abstimmen. Nicht alle Fraktionen haben sich bisher klar positioniert.
Sollte der im ENVI bereits beschlossene alternative Entschließungsantrag auch im Europäischen Parlament eine Mehrheit finden, würde das ein komplettes Anwendungsverbot von Fluorchinolonen, Cephalosporinen der 3.und 4. Generation, Polymyxinen und Makroliden in der Tiermedizin nach sich ziehen.
Da viele Kleintierärzte die zukünftige Behandlung ihrer Patienten gefährdet sehen, wollen sie auf die neue Verordnung aufmerksam machen. In den sozialen Medien wie Twitter machen Tierärzte ihrem Ärger Luft. Der sich in Weiterbildung zum Fachtierarzt für Reptilien befindende Tierarzt Dr. Hallinger schreibt: „Ein Verbot von vielen der genannten Antibiotika birgt einen Therapienotstand für Heimtiere inklusive Kaninchen, andere Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien!“
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Auch der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) ist mit der aktuellen Verordnung nicht zufrieden. Er startete jetzt einen Aufruf an seine Mitgliedspraxen, dass diese bei Tierhaltern bis zum 8. September Unterschriften gegen das vom EU-Parlament geplante weitreichende Antibiotikaverbot sammeln sollen. „Tierhalter müssen erfahren, was in Brüssel weitgehend im Verborgenen vor sich geht und welche Konsequenzen die zu befürchtende Entscheidung für ihre Tiere haben wird. Fakt ist, dass das Europäische Parlament wissenschaftliche Fakten ignoriert und nicht nur, wie vorgegaukelt wird, Nutztiere von einem Anwendungsverbot betroffen wären, sondern alle Tierarten“, wird hier bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder zitiert.
„Zum Wohl aller Tiere müssen wir uns deshalb dafür einsetzen, dass alle für die Tiermedizin zugelassenen Antibiotika auch in Zukunft weiter zur Behandlung zur Verfügung stehen. Anderenfalls würde es schlimmstenfalls den Tod vieler Tiere bedeuten.“
Bildquelle: Noah Silliman, unsplash