Hält Biontechs Impfschutz doch nicht, was er verspricht? Das legen zumindest aktuelle Daten aus Israel nahe. Jetzt diskutieren Experten wieder über einen dritten Booster-Shot im Herbst.
Wie steht's eigentlich um die COVID-19-Booster-Impfung im Herbst? Während Pfizer/Biontech bereits eine Zulassung der dritten Dosis für ihren Impfstoff gegen COVID-19 im August planen, sehen die US-Behörden FDA und CDC derzeit noch keine Notwendigkeit für eine weitere Booster-Impfung für vollständig Geimpfte. Nach der gemeinsamen Ankündigung der Unternehmen und einer Datenpräsentation bei der FDA betonten die US-Behörden sogleich: „Wir sind auf Auffrischungsdosen vorbereitet, wenn die Wissenschaft zeigt, dass sie benötigt werden.“
Genau in dem Punkt ist man sich derzeit aber noch nicht einig. Hintergrund für die geplanten Booster-Shots sind Hinweise für einen Rückgang der Schutzwirkung sechs Monate nach Erhalt des vollständigen Impfschutzes und die Verbreitung der Delta-Variante.
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte die Seite neu laden.
Das israelische Gesundheitsministerium hatte am 6. Juli in einer Mitteilung erklärt, dass die Effektivität von Biontechs Impfung gegen asymptomatische Infektionen und milde symptomatische Infektionen sechs Monate nach der Impfung abnehme – und dort jeweils nur noch bei 64 Prozent liege. Daran soll auch Delta Schuld sein, denn die Abnahme der Wirksamkeit zeige sich gleichzeitig mit Zunahme der Delta-Infektionen.
Es könnte aber möglicherweise nicht nur ein Delta-Problem zu sein. Vorläufige Daten scheinen zumindest darauf hinzudeuten, dass diejenigen, die sich im Januar impfen ließen, sich eher infizieren als Menschen, die sich später haben impfen lassen. Gegen schwere Erkrankungen bietet der Impfstoff aber immer noch ausreichend Schutz, unabhängig vom Impftermin.
Die israelischen Daten widersprechen damit aktuellen Ergebnissen aus England. Dort hat Public Health England (PHE) eine Wirksamkeit des Biontech-Impfstoff zwei Wochen nach der zweiten Dosis von 88 Prozent gegen eine durch die Delta-Variante ausgelöste, symptomatische COVID-19-Erkrankung errechnet (wir berichteten).
Allerdings handelt es sich bei den israelischen Daten bisher um vorläufige interne Daten und nicht um eine publizierte Studie, was einen direkten Vergleich mit den Ergebnissen des PHE schwierig macht. Hypothesen für die Abnahme der Schutzwirkung gibt es aber trotzdem schon. Eine lautet, dass die Impfung einfach schon länger zurückliegt und die Schutzwirkung angesichts der neuen Varianten abnimmt: Das wäre dann das Argument für die Drittimpfung.
Eine andere lautet, dass zu Beginn eher Risikopatienten geimpft wurden, die auch für Durchbruchsinfektionen anfälliger sind, dass also die Impfkollektive zu den unterschiedlichen Zeitpunkten nicht vergleichbar sind. Doch das alles ist bisher reine Spekulation, und diese Unklarheit dürfte auch erklären, warum die FDA und andere Arzneimittelbehörden bisher nicht auf den von Pfizer/Biontech angestoßenen Booster-Zug aufgesprungen sind.
Auch Ran Balicer, Vorsitzender des nationalen Expertengremiums Israels zu COVID-19, ist mit der Interpretation dieser Daten vorsichtig. Es sei noch zu früh, „um die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die im April erstmals in Indien identifizierte Variante genau zu beurteilen“. Dies liege zum Teil an der insgesamt geringen Fallzahl bei vollständig Geimpften in Israel. Außerdem seien diese Fälle nicht gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt, was die Bemühungen um Schlussfolgerungen über die Daten weiter erschwere. Die steigenden Fälle in Israel seien lediglich „ein vorläufiges Signal“, dass der Impfstoff möglicherweise weniger wirksam im Hinblick auf die Verhinderung leichter COVID-19-Erkrankungen durch die Delta-Variante werde, so Balicer.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Notwendigkeit einer Booster-Impfung für gesunde doppelt Geimpfte noch fraglich. So sieht das auch die EMA. Booster-Shots für alle im Herbst wird es wohl erst mal nicht geben.
Bildquelle: Anna Dudkova, unsplash