Um die Luca-App ist ein regelrechter Hype entstanden. Experten geben jetzt ihre Bewertung ab – ihre Meinungen gehen stark auseinander.
Nicht nur, weil Musiker Smudo von den Fantastischen Vier sie entwickelt hat, wird derzeit viel über den Einsatz der Corona-App Luca gesprochen. Sie ist seit etwa zwei Wochen aktiv und soll die Kontaktnachverfolgung von infizierten Personen in Deutschland schneller und effizienter machen. Vor allem wird Luca als Hoffnungsträger und hilfreiches Tool im Zuge von Lockerungen betrachtet. Anwendung soll die App besonders beim Besuch von Gaststätten und kulturellen Einrichtungen finden.
Erste Bundesländer haben bereits ihr Interesse für einen großflächigen Einsatz von Luca bekundet. Teilweise ist die App auch bereits im Einsatz, wie zum Beispiel im nordrhein-westfälischen Kreis Warendorf. Landrat Olaf Gericke sieht in ihr einen „Turbo“ für die Corona-Kontaktnachverfolgung. Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen hat die Vision von Rostock als bundesweite Modellstadt für Lockerungen und sieht in der Anwendung ein hilfreiches Tool zur Umsetzung, weshalb nun immer mehr Betriebe eine App-Schulung erhalten sollen.
Das Prinzip der App sieht folgendermaßen aus: Als Nutzer tragen sowohl Privatpersonen ihre Kontaktdaten als auch Geschäfts- oder Restaurantbetreiber ihre Adresse in die App ein. Die Privatperson betritt als Gast zum Beispiel eine Bar. Am Eingang hält sie ihr Handy an die vorgesehene Stelle und ein QR-Code wird eingescannt – ähnlich wie das Einchecken am Flughafen mit dem Smartphone. Wer die Bar verlässt, checkt entweder manuell wieder aus oder hat die automatische Einstellung gewählt, dann passiert der Checkout beim Verlassen der Location von selbst.
Nach Angaben des Herstellers ist es dem Gastgeber nicht möglich, die Daten seiner Besucher zu entschlüsseln, sie stehen lediglich verschlüsselt auf deutschen Servern zur Verfügung und werden nach 30 Tagen gelöscht. Sobald es zu einem Infektionsfall in einem Betrieb kommt, übermittelt der Betreiber die Check-in-Datensätze an das Gesundheitsamt, das die Informationen entschlüsseln und Betroffene schnell kontaktieren kann.
Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, können ihre eigene Infektion ebenfalls per Luca-App an die Gesundheitsämter übermitteln. Auf diese Weise lässt sich von den Behörden nachvollziehen, welche Orte die infizierte Person besucht hat, bei den Betreibern können die Datensätze angefragt werden.
Erstmal klingt das nach einem vernünftigen Konzept, auch wenn es noch an Detailinformationen fehlt. So ist etwa noch nicht geklärt, wie die rechtliche Situation ist, wenn Betreiber die App-Nutzung für ihre Besucher obligatorisch machen. Auch die IT-Sicherheit ist ein Thema. Datenschutzrechtliche Aspekte werden ebenfalls diskutiert. Dabei geht es unter anderem die Frage, ob die Polizei Zugriff auf solche Daten haben darf, um Verbrechen aufzuklären, seit genau das mit Corona-Gästelisten in Bayern der Fall war. „Ob und inwiefern die Luca-App ihre Versprechen erfüllt, kann man von außen zu diesem Zeitpunkt leider nicht einschätzen. Die Entwickler der Luca-App haben bislang weder eine genaue technische Systembeschreibung noch Quellcode oder andere Details vorgelegt“, sagt Tibor Jager, Professor für IT-Sicherheit von der Bergischen Universität Wuppertal.
„Wenn ein Gesundheitsamt das Kontaktpersonen-Management-System SORMAS nutzt, erscheint der Fall direkt in der Datenbank, ohne dass jemand noch etwas händisch eingeben muss. Das ist fantastisch. Aber auch Gesundheitsämter, die SORMAS noch nicht nutzen, können ihre Systeme schnell und unkompliziert direkt an die Luca-App anbinden. Das Gesundheitsamt in Jena sowie weitere ungefähr 40 der insgesamt rund 400 Gesundheitsämter nutzen diese Möglichkeiten bereits. In anderen, zum Beispiel in Rostock und auch in Düsseldorf, ist man bei der Umsetzung. Der Anschluss wird in dieser Woche erfolgen“, sagt Dr. Ute Teichert. Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sieht in der App eine ideale Ergänzung zur Corona-Warn-App, um Superspreader schnell zu erkennen.
„Die Luca-App ist ein extrem einfach zu erstellendes digitales Kontakttagebuch, das auch auf älteren Smartphones funktioniert und sogar analoge Schlüsselanhänger für Menschen ohne Smartphone unterstützen soll. Damit wäre die gesamte Bevölkerung erreichbar“, so Teichert.
Mit einem solchen System blieben allerdings auch Menschen auf der Strecke, wie Dr. Dennis-Kenji Kipker warnt: „Nicht alle Personen verfügen über ein kompatibles Smartphone – einige Personen könnten bei einer Verpflichtung somit bestimmte Einrichtungen nicht mehr aufsuchen“, erklärt derWissenschaftlicher Geschäftsführer vom Institut für Informationsrecht (IGMR) an der Universität Bremen. „Wie bereits erwähnt verarbeiten außerdem nicht die Restaurants oder Geschäfte die Daten der Gäste und Kunden, sondern Luca selbst. Hier wird ohne konkrete gesetzliche Pflicht das Interesse vermutlich eher gering sein, dem Kunden die Installation der App aufzwingen wollen – und selbst wenn dem so wäre, könnte man beispielsweise eine alternative Gaststätte aufsuchen, wo das nicht der Fall ist“, gibt Kipker außerdem zu bedenken.
Hier sieht er ähnliche Schwierigkeiten wie damals bei der Etablierung der Corona-Warn-App. „Mit Blick auf die Diskriminierung von Personen stellen sich dieselben Probleme, die auch schon letztes Jahr für die Corona-Warn-App diskutiert wurden, da nicht alle ein Smartphone haben und auch nicht haben müssen. Das ist auch einer der Gründe, warum keine Pflicht zur Nutzung der Corona-Warn-App besteht.“
Auch Jager fühlt sich an die Diskussionen zur Corona-Warn-App erinnert: „Einfach zu sagen ‚die Daten sind verschlüsselt‘ genügt nicht, denn irgendwer muss ja auch den Schlüssel haben“, so der IT-Experte. „Eine Lehre aus der Diskussion um die Corona-Warn-App war ja, dass Transparenz eine Grundvoraussetzung dafür ist, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen – ganz besonders wenn es um die Erfassung sensibler Daten geht. Daher ist es wichtig, dass eine unabhängige Überprüfbarkeit durch Dritte ermöglicht wird. Dafür müssen Quellcodes und eine vollständige technische Systembeschreibung veröffentlicht werden.“
Ob es zu einer bundeseinheitlichen Anwendung kommt, wird derzeit diskutiert. Nicht alle sind vom Konzept überzeugt: So sprach sich nun die Start-up-Initative „Wir für Digitalisierung“ gegen eine exklusive Einführung der Luca-App zum bundesweiten Corona-Tracing aus. „Es muss egal sein, mit welcher App ein Betrieb digitale Kontaktdaten erfasst. Wichtig ist, dass das Gesundheitsamt über eine einheitliche, offene Schnittstelle darauf zugreifen kann“, heißt es auf der Website der Initiative.
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