Geht es um Corona, wird auch immer wieder über eine Impfpflicht diskutiert. Ich finde, Boni wären der elegantere Weg, um für Motivation zu sorgen.
Laut ARD-Umfrage wollten sich Anfang Januar 54 % aller Bürger „auf jeden Fall“ impfen lassen. Das sind 17 Prozentpunkte mehr als Ende 2020. Weitere 21 % (minus 13 Prozentpunkte) entscheiden sich „wahrscheinlich“ dafür. Auch YouGov berichtet Mitte Januar von solchen Trends. Vierzig Prozent der Deutschen planen, sich „schnellstmöglich“ impfen zu lassen (plus 8 Prozentpunkte, verglichen mit Dezember 2020). Weitere 27 % (minus 6 Prozentpunkte) haben dies zwar vor, planen jedoch, erst einmal abzuwarten. Alles in allem wird das kaum ausreichen, um Herdenimmunität zu erzeugen. Dafür wäre eine Impfquote von 70 % oder mehr erforderlich.
Politiker haben mit dem Thema wie so oft ihre liebe Not. „Ich habe im Bundestag mein Wort gegeben: In dieser Pandemie wird es keine Impfpflicht geben“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Wir setzen auf Aufklärung und Information.“
Aus Bayern kamen ganz andere Töne. „Wir müssen uns überlegen, ob wir für die besonders hochsensiblen Bereiche, das sind die Alten- und Pflegeheime, den Schutz besonders erhöhen“, erklärte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Wenn man höre und lese, dass sich dort wenige Pflegekräfte impfen lassen wollten, müsse man darüber diskutieren.
Auch Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, hält Impfungen für alle per Zwang für ausgeschlossen, kann sich aber eng berufsbezogene Impfvorgaben vorstellen. Was haben diese Statements alle gemeinsam? Sie denken nur an die Peitsche, nicht ans Zuckerbrot.
Impfmüdigkeit ist in der Tat kein neues Thema. Vor mehreren Jahren habe ich mit einem Oberarzt in leitender Funktion aus Süddeutschland telefoniert. Damals ging es – Überraschung – um die traditionell niedrige Bereitschaft von Ärzten oder Pflegekräften, sich gegen die saisonale Grippe zu schützen.
Der Kollege führte ein, dass Mitarbeiter als Anreiz einen zusätzlichen Tag Urlaub bekamen, falls sie sich für die Grippeschutz-Impfung entscheiden. Auch Entgelt-Bestandteile waren im Gespräch – dies wurde aber von der Klinikleitung nicht umgesetzt. Die Zeiten ändern sich, und aus Grippe wurde SARS-CoV-2. Doch an Boni denkt heute im klinischen Umfeld niemand mehr.
Was mich erstaunt: Laut Umfragen des Handelsblatts spielen bei Deutschlands Top-30-Dax-Konzernen Vergünstigungen für Impfwillige keine Rolle. Sie denken lediglich darüber nach, betriebseigene Infrastrukturen zu schaffen. Auch das ist nicht wirklich innovativ: Ich selbst bekam während meiner Zeit als Angestellter Grippeschutz-Impfungen vom betriebsärztlichen Dienst.
Denken wir einige Nummern größer. Viele Regierungen lehnen Vergünstigungen ebenfalls ab, Deutschland eingeschlossen. In Israel lief die Impfkampagne anfangs zwar hervorragend an. Doch dann brach das Interesse ein, und etliche Dosen landeten auf dem Müll. Daraufhin entschloss sich Israel, Vergünstigungen für Geimpfte einzuführen. Mit dem „grünen Pass“ wollen sie Einwohnern Vergünstigungen gewähren, etwa Theaterbesuche, Reisen ohne Quarantäne, oder Übernachtungen in Hotels. Lösungen für das Smartphone gibt es bereits. Auch kostenlose Mahlzeiten sollen die Motivation fördern. Firmen wiederum setzen auf Zeitgutschriften oder sonstige Vorteile für Mitarbeiter. Davon mag man wahlweise begeistert oder entrüstet sein.
Ich sage: Für Deutschland wären Lockerungen für Geimpfte eine Chance, um die Motivation zu fördern. Wir sind ohnehin auf dem Weg zur Zweiklasssengesellschaft. Schon jetzt haben manche Reiseveranstalter, Fluggesellschaften oder Event-Veranstalter angekündigt, nur noch Geimpften Leistungen anzubieten. Das sollte Anreize bieten, sich impfen zu lassen. Aufgabe der Bundesregierung wäre, strategischer vorzugehen, damit Anreize mehr Wirkung zeigen. Wenigstens haben sich alle EU-Mitgliedsstaaten auf Rahmenbedingungen für den EU-Impfausweis geeinigt.
Bildquelle: Amy Shamblen, unsplash