Sind Lehrer gefährdeter als andere Berufsgruppen, wenn es um COVID-19 geht? Schwedische Registerdaten aus der ersten Welle sprechen eher dagegen.
Wissenschaftler des Karolinska Instituts haben im New England Journal of Medicine eine Auswertung von realen Versorgungsdaten zu ICU-Einweisungen und Sterblichkeit bei Kindern und Lehrern in Schweden während der ersten Corona-Welle vorgelegt. Schweden hatte damals mit die höchste COVID-19-Sterblichkeit weltweit. Da es keinen Lockdown gab und auch keine Maskenpflicht, konnte sich das Virus relativ unkontrolliert verbreiten. Schweden war eines der wenigen Länder, die Kindergärten/Vorschulen (Kinder von 1–6 Jahren) und Schulen (7–16 Jahre) geöffnet ließen.
Die Daten zu schwerem COVID-19 wurden prospektiv im landesweiten Swedish Intensive Care Registry erfasst. Die Autoren analysierten alle Kinder, die aufgrund einer Erkrankung an COVID-19 zwischen dem 1. März und dem 30. Juni 2020 auf eine Intensivstation aufgenommen werden mussten.
Dabei zogen sie durch Labor verifizierte oder klinisch bestätigte COVID-19-Fälle heran sowie Daten von Patienten mit dem sogenannten MIS-C bzw. PIMS-TS (wir berichteten), die im Swedish Pediatric Rheumatology Quality Register erfasst wurden.
Die Gesamtheit aller Todesfälle mit jeder möglichen Ursache unter den 1.951.905 Kindern in Schweden im Alter von 1–16 Jahren ist wie folgt:
Von März bis Juni 2020 wurden insgesamt 15 Kinder mit COVID-19 (inklusive jene mit MIS-C) auf die Intensivstation aufgenommen (0,77 pro 100.000 Kinder dieser Altersgruppe). Davon zählten vier Kinder zu der Altersgruppe 1–6 Jahre (0,54 pro 100.000) und 11 zu der Altersgruppe 7–16 Jahre (0,90 pro 100.000). Von allen Kindern hatten vier eine chronische Erkrankung, in zwei Fällen eine Krebserkrankung, einmal eine chronische Nierenerkrankung und einmal eine hämatologische Erkrankung. Kein Kind mit COVID-19 starb.
Einem Report der Public Health Agency of Sweden zufolge benötigten bis zum 30. Juni 2020 weniger als 10 Vorschullehrer und 20 Schullehrer in Schweden eine Covid-19-bedingte Behandlung auf der Intensivstation. Das seien 20 von 103.596 Schullehrern, was 19 pro 100.000 entspreche. Verglichen mit anderen Berufen – inklusive medizinisches Fachpersonal – sei das relative Risiko den Autoren zufolge bei Vorschullehrern 1,10 (95% Konfidenzintervall [CI], 0.49 zu 2.49) und bei Lehren an Schulen 0,43 (95% CI, 0.28 zu 0.68).
„Obwohl Schweden sowohl Vorschulen als auch Schulen offen gelassen hat, haben wir während der SARS-CoV-2-Pandemie eine niedrige Inzidenz schwerer COVID-19-Fälle unter Vorschul- und Schulkindern festgestellt. Unter den 1,95 Millionen Kindern im Alter von 1 bis 16 Jahren, hatten 15 entweder COVID-19, MIS-C oder beides und wurden auf der Intensivstation behandelt – dies entspricht einem Kind von 130.000“, so das Fazit der Autoren.
Die schwedische Analyse kann vor allem das Argument entkräften, dass Lehrer eine besonders gefährderte Berufsgruppe seien. Auch unter unkontrollierten Hochinzidenzbedingungen wie in Schweden im Frühjahr war das Risiko nicht höher als für andere Berufsgruppen. Die Studie hilft dagegen nicht bei der Frage, welche Bedeutung Schulen für den Pandemieverlauf insgesamt haben. Allenfalls die These, wonach sie besonders ausgeprägte Brutstätten für SARS-CoV-2 seien, ist mit den jetzt vorgelegten Ergebnissen nicht kompatibel.
Insgesamt ist die Situation in Schweden derzeit weiterhin ähnlich kritisch wie in anderen europäischen Ländern. Sowohl die Infektionszahlen als auch die Zahl der coronabedingten Todesfälle sind seit Herbst 2020 stark gestiegen. Die Todeszahlen sind derzeit ähnlich hoch wie in der ersten schwedischen Welle. Von den zehn Millionen Einwohnern sind bisher 9.000 Menschen an oder mit COVID-19 verstorben. Das sind pro Einwohner etwa doppelt so viele wie in Deutschland. Die Todesfälle über Weihnachten und Neujahr sind hier noch nicht mit eingerechnet, weil Schweden etwas verzögert meldet.
Seit Ausbruch der Pandemie wird nun landesweit erstmals empfohlen, im öffentlichen Nahverkehr zumindest in den Stoßzeiten einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. Schwedens Kliniken berichten über einen erheblichen Anstieg bei COVID-Patienten, Alten- und Pflegeheime melden vermehrt Infektionsfälle, weshalb seit November ein Besuchsverbot herrscht. In einigen Regionen waren Krankenhäuser gezwungen, den Notstand auszurufen.
Derzeit dürfen Bars ab 20 Uhr keinen Alkohol mehr ausschenken und müssen ab 22.30 Uhr ganz schließen. In Geschäften dürfen zum Einkaufen nur noch so viele Personen eingelassen werden, dass kein Gedränge entsteht. Zunächst sollen diese Regelungen bis zum 24. Januar gelten. Heute gab es grünes Licht seitens des Parlaments für ein neues Pandemiegesetz der Regierung, das die Situation entschärfen soll. Es soll vom 10. Januar an bis September 2021 gelten, konkrete Maßnahmen sind noch nicht bekannt.
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