Weltweit leiden etwa 108 Mio. Kinder und 604 Mio. Erwachsene an Übergewicht.1,2 Aktuelle Studien untersuchen, ob Übergewicht mit einer Veränderung im Darmmikrobiom zusammenhängt und möglicherweise mit Probiotika reguliert werden kann.2-7 Lesen Sie hier die wissenschaftlichen Hintegründe.
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Mikrobiom beeinflusst den Stoffwechsel
Darmbakterien spielen eine entscheidende Rolle bei der Nahrungsverarbeitung und nehmen damit direkt Einfluss auf den Stoffwechsel. Das Mikrobiom hat einerseits die Funktion, den Menschen mit Nährstoffen zu versorgen. Zum anderen kann eine Veränderung der Bakterienzusammensetzung (med. Dysbiose) und der dadurch veränderte Stoffwechsel zu einer Gewichtszunahme und möglicherweise zu Adipositas führen. Offen bleibt, welche Zusammensetzung des Mikrobioms für einen gesunden Menschen nötig ist und welche Rolle bei Stoffwechselerkrankungen genetische Veranlagungen spielen.2,73 Parameter für den Einfluss des Mikrobioms auf den Stoffwechsel
Das Darmmikrobiom hat sich in den letzten 10 Jahren als ein wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung von Fettleibigkeit herausgestellt. Entsprechend konnten in Studien 3 Parameter, die zum Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung des Mikrobioms und Übergewicht beitragen, identifiziert werden:
1. Bakterielle Vielfalt im Darm
Zwischen schlanken, übergewichtigen (BMI > 25) und adipösen Menschen (BMI > 30) unterscheidet sich die bakterielle Vielfalt im Darm. Übergewichtige und Adipöse scheinen eine geringere Diversität als schlanke Menschen zu haben.2,6 Analysen deuten darauf hin, dass die mikrobielle Vielfalt des unteren Gastrointestinaltrakts eine Rolle für Übergewicht spielt, da die des oberen Gastrointestinaltrakts nicht mit Übergewicht zusammenhängen. Welche Mikroorganismen genau für eine Gewichtszunahme verantwortlich sind, ist momentan nicht exakt geklärt.2,7
2. Verhältnis der bakteriellen Zusammensetzung
Das Darmmikrobiom eines Menschen besteht taxonomisch zu 90 % aus den bakteriellen Phyla Bacteroidetes und Firmicutes.2,3 In Reviews wird diskutiert, ob Übergewicht mit dem Verhältnis der Bacteroidetes und Firmicutes zueinander korreliert.2,3,5,7 Da der Zusammenhang von Mikrobiom und Übergewicht jedoch mehr als ein Ungleichgewicht der taxonomischen Rangstufen Bacteroidetes und Firmicutes zu sein scheint, sind genauere Analysen auf tieferen taxonomischen Ebenen (z. B. Klasse, Ordnung, Familie, Gattung und Art) notwendig.2
3. Kurzkettige Fettsäuren
Auch die Stoffwechselprodukte der Bakterien scheinen das menschliche Körpergewicht zu beeinflussen: So nimmt einerseits die Menge an fäkalen kurzkettigen Fettsäuren von Untergewichtigen über Normalgewichtige zu Adipösen signifikant zu.3,7-9 Auf der anderen Seite können kurzkettige Fettsäuren direkt oder indirekt physiologische und pathologische Prozesse in Bezug auf Fettleibigkeit positiv regulieren. In einer aktuellen Studie waren im Blut zirkulierende kurzkettige Fettsäuren direkter mit diesen Stoffwechselprozessen assoziiert als die fäkalen kurzkettigen Fettsäuren. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, in Studien zirkulierende kurzkettige Fettsäuren als Biomarker für Stoffwechselveränderungen zu messen.10Probiotika als therapeutischer Ansatz?
Studien und Reviews haben gezeigt, dass Übergewicht mit strukturellen und funktionellen Veränderungen der Darmmikrobiota in Verbindung gebracht wird. Wichtig ist in dem Zusammenhang nicht in erster Linie, welche Bakterien den Darm besiedeln, sondern über welche Stoffwechselleistungen diese Bakterien verfügen. Daher ist das Mikrobiom zu einem potenziellen therapeutischen Ziel geworden. Seit einiger Zeit wird deshalb auch in präklinischen und klinischen Studien diskutiert, ob eine Modulation des Darmmikrobioms mittels Probiotika Übergewicht vorbeugen oder dieses behandeln kann.3-7Beispielstudien mit Evidenz für Probiotika
In klinischen Studien zeigte sich, dass probiotische Kombinationen bestehend aus verschiedenen Arten der Gattungen Streptococcus und Lactobacillus (Abteilung Firmicutes) und Bifidobacterium (Abteilung Actinobacteria) Körpergewicht, -fett sowie BMI verringern können.4,11-13
Beispielstudien ohne Evidenz für Probiotika
In anderen klinischen Studien konnte keine Evidenz für Probiotika als Therapie bei Übergewicht nachgewiesen werden. Das spricht wiederum auch für die stammspezifische Wirkung einiger wichtiger Stoffwechselfunktionen:14,15
Referenzen:
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