In der Apotheke sehe ich immer wieder, wie ich besonders Herz- und Diabetespatienten mit einer einfachen Beratung helfen kann.
Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, erhielt in diesem Jahr den André-Bédat-Preis, die höchste Auszeichnung des Weltapothekerverbands (FIP) für seine Verdienste um die pharmazeutische Praxis. Sein Festvortrag anlässlich der Preisverleihung fand coronabedingt nur online statt und war einem Thema gewidmet, das ihm besonders am Herzen liegt: die pharmazeutische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz und wie sie die Einnahmetreue und Lebensqualität der Patienten verbessern kann. Besonders in Zeiten, in denen nach Möglichkeiten gesucht wird, pharmazeutischen Dienstleistungen auch bei der Vergütung mehr Raum zu geben, ist das ein extrem wichtiges Thema.
Bei seinem Plädoyer für die Aufnahme der pharmazeutischen Betreuung in die Leitlinien zur Prävention und Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen bezog er sich unter anderem auf eine eigene Studie aus dem Jahr 2019. Sie belegt eine signifikante Verbesserung der Einnahmetreue und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patienten.
Wie wichtig das Einbinden der Apotheker bei der pharmazeutischen Betreuung in Krankenhäusern für die Patientensicherheit ist, hat im Jahr 2018 auch der niedersächsische Landtag bekräftigt. Seine damals verabschiedete Änderung zum Krankenhausgesetz sieht vor, dass es Stationsapotheker in allen Kliniken des Landes geben muss. Es wurde auch als Reaktion auf die Morde des Krankenpflegers Niels Högel verabschiedet. Die Apotheker sollen helfen, den Abfluss der Medikamente nachzuvollziehen und außerdem den Medizinern als Ansprechpartner für eine verbesserte individuelle Therapie zur Seite stehen.
Im Rahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) gilt für multimorbide Patienten mit mindestens drei verordneten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der gesetzliche Anspruch auf die Erstellung eines Medikationsplans. Auch dieser gilt als Möglichkeit einer pharmazeutischen Betreuung mit interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern. Die Kooperationsgemeinschaft unternehmensnaher Krankenkassen (KUK) bekräftigt in einem Positionspapier, dass die Beratung im Kontext eines Medikationsmanagements durch den Apotheker eine wichtige Rolle spielt. Gerade Chroniker würden besonders von der verstetigten Beratung durch die Apotheker profitieren. Um das zu bekräftigen, wird auch hier Schulz' Herzinsuffizienz-Studie ins Feld geführt.
Meine eigene Erfahrung in der täglichen Apothekenarbeit zeigt mir ebenfalls, dass gerade im Bereich der Chroniker und deren Beratung noch viel Luft nach oben ist. Und hier dreht es sich nicht nur um die Begleitung von Patienten mit Herzproblemen – gerade Diabetiker haben erfahrungsgemäß viele Fragen. Diese beziehen sich nicht immer nur auf das Spritzenmanagement, sondern auch allgemein auf Ernährung, Sport, wie sie einen Unterzucker erkennen oder warum der Blutzuckerspiegel morgens früh häufig so hoch ist, obwohl nachts nichts gegessen wird. Viele Hausärzte haben nicht die Zeit, sich im Tagesgeschäft um diese Fragen so zu kümmern, dass die Patienten mit dem guten Gefühl die Praxis verlassen, umfassend aufgeklärt worden zu sein. Einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen, dauert den Patienten häufig einfach zu lange und dringliche Fragen bleiben oft lange Zeit ungeklärt.
Hier können die Apotheken einen niedrigschwelligen Zugang eröffnen und als Ansprechpartner für die Patienten gemeinsam mit den Ärzten eine umfassende Beratung anbieten. Viel Potenzial bleibt zurzeit noch ungenutzt. Das kann sich unser Gesundheitssystem eigentlich nicht leisten. Sind die Patienten besser über ihre Erkrankung aufgeklärt, nehmen sie ihre Medikamente regelmäßig und zum richtigen Zeitpunkt ein und wissen Bescheid, wie sie mit der Ernährung gezielt ihre Gesundheit unterstützen. Wird beispielsweise auch der Blutdruck engmaschig kontrolliert, verbessert sich zusätzlich die Lebensqualität, Krankenhausaufenthalte verringern sich.
Dass die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und anderen Heilberufen enger werden muss und dies durch die Übernahme neuer Aufgaben im Gesundheitssystem geschehen könnte, ist indes keine neue Forderung und Erkenntnis der FIP. Bereits im Jahr 2004 wurde genau das auf dem 64. internationalen Kongress thematisiert – genutzt hat es wenig. Es bleibt zu hoffen, dass durch das geplante VOASG tatsächlich ein Wandel eingeleitet wird und es nicht bei dem frommen Wunsch bleibt, dass sich etwas ändert. Nicht den Apotheken, sondern vor allem den Patienten und ihrer Gesundheit zuliebe.
Bildquelle: Ula Kuźma, Unsplash