Mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz konnten Forscher zu 70–80 % vorhersagen, bei welchen COVID-19-Patienten die Krankheit einen schweren Verlauf nimmt.
Ziel der Wissenschaftler war es, ein Tool zu entwickeln, das in der Lage ist, den wahrscheinlichen klinischen Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorherzusagen. So sollen Ärzte in ihrer Entscheidung unterstützt werden, welche Patienten wirklich einen stationären Aufenthalt im Krankenhaus benötigen und welche Patienten sicher nach Hause geschickt werden können.
Für die Studie wurden demografische Daten, radiologische Befunde sowie Laborparameter erhoben. Einbezogen wurden 53 Patienten aus Krankenhäusern in China, die alle positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Die häufigsten Symptome der Patienten waren trockener Husten und Fieber, allerdings litten auch einige von ihnen an weiteren Symptomen, darunter Halsschmerzen, Dyspnoe und Myalgie. Darüberhinaus waren Thorax-CT-Aufnahmen von 49 Patienten verfügbar, von denen 43 Milchglastrübungen der Lunge zeigten.
Die erfassten Parameter wurden mit Hilfe der neuen KI ausgewertet. Anders als erwartet zeigten sich jedoch nicht die für COVID-19 bekannten Marker als besonders gute Indikatoren. So waren Milchglastrübungen der Lunge, Fieber und eine starke Immunreaktion laut KI nicht geeignet, um vorherzusagen, bei welchen Patienten ein schwerer Krankheitsverlauf zu erwarten ist. Ebenso wenig wie das Alter und das Geschlecht der Patienten, obwohl diese in anderen Publikationen als mögliche Risikofaktoren genannt werden (DocCheck berichtete)
Die KI misst vielmehr drei anderen Parametern eine entscheidende Bedeutung bei. Hierzu zählen die Konzentration des Leberenzyms Alanin-Aminotransferase (ALT), die Hämoglobinwerte sowie das Auftreten einer Myalgie. Unter Einbeziehung weiterer Faktoren könne, den Wissenschaftlern zufolge, mit einer bis zu 80 prozentigen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden, wie hoch das Risiko für die Einwicklung eines schweren Atemnotsyndroms (ARDS) ist.
Obwohl die ALT-Werte nur leicht erhöht waren, spielten sie nach Angaben der Wissenschaftler für die Vorhersage des Schweregrads dennoch eine wichtige Rolle. Myalgien werden normalerweise nicht in die Klassifikation der Krankheitsschwere aufgenommen, könnten aber eine generalisierte Entzündungs- und Zytokinreaktion darstellen, die von anderen Indikatoren nicht gut erfasst wird. Und schließlich deuteten auch erhöhte Hämoglobinwerte einen schwereren Krankheitsverlauf an. Diese könnten beispielsweise auf einen nicht dokumentierten Tabakkonsum zurückgehen.
Dennoch hat die Studie auch einige Einschränkungen, so die Autoren. Hierzu zählen der relativ kleine Datensatz und die begrenzte klinische Schwere der Krankheitsverläufe in der untersuchten Patientengruppe. Die oft milderen Verläufe könnten jedoch auch darauf zurückzuführen sein, dass die Studienteilnehmer häufig jünger waren (mittleres Alter von 43).
Nichtsdestotrotz zeigt diese Studie, nach Angaben der Wissenschaftler, dass die prädiktive Analytik eine Rolle bei der Verbesserung der klinischen Fähigkeiten zur Unterscheidung der Krankheitsschwere spielen kann. So mache das Modell deutlich, dass einige klinische Daten möglicherweise unterschätzt werden, wie z. B. leichte Erhöhungen von ALT und Hämoglobin sowie Myalgien.
Dennoch müsse das Tool weiter verfeinert werden, indem weitere Daten aus verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Schweregraden in die Analysen einbezogen werden. Zudem solle die KI auch nicht die Patientenbeurteilung der Ärzte ersetzen, sondern sie vielmehr in ihrer Entscheidung unterstützen.
Quelle: © Xiangao Jiang et al. / Tech Science Press
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