Kürzlich sagte der Chef noch, eine Plexiglasscheibe sei keine Option. Nun stehe ich auch hinter der Scheibe. Es sind schnelllebige Zeiten.
Als ich am letzten Montag in die Apotheke kam, musste ich etwas schmunzeln. Ab sofort gehöre auch ich zu den Plexiglasapothekern. Wir haben jetzt eine Tröpfcheninfektionsschutzscheibe.
Das fand ich insofern witzig, als dass mein Chef die Woche zuvor noch sagte, es wäre für ihn keine Option. Boom. Jetzt ist es wohl doch eine Option. Und irgendwie ist es dann doch beruhigend, den Schutz zu haben.
Das Risiko, sich zu infizieren, wird schließlich auch von Woche zu Woche größer. Und so langsam erkennt (fast) jeder den Ernst der Lage. Deshalb ist der Schritt, eine Plexiglasscheibe zu installieren, notwendig gewesen. Denn so eine Scheibe zwischen mir und dem Kunden bringt zusätzliche Sicherheit. Für beide Seiten: Für die Kunden und für mich.
Da ich zwangsweise mit vielen Menschen in Kontakt komme, ist die Gefahr, sich bei mir anzustecken, relativ groß. Und das kann vor allem für ältere Menschen, mit denen ich in der Apotheke häufig in Kontakt komme, gefährlich werden. Ich könnte infiziert sein, ich könnte infizieren. Schließlich kann ich meinen Job nicht im Home Office machen, sondern stehe an der Front und berate die ganzen Menschen, die in die Apotheken strömen und nicht at home stayen. An dieser Stelle: #StayAtHome
Und seit Corona sind es wesentlich mehr Menschen, die ich tagtäglich zu sehen bekomme. Denn: „Wir haben leider kein Desinfektionsmittel mehr da.“
Unsere Schutzscheiben sind leider nicht sehr hoch, sodass ich seit dieser Woche kleinere Menschen bevorzuge. Was jedoch nicht heißen soll, dass ich vorher große Menschen bevorzugt habe. Und es tut mir auch schrecklich leid, wenn sich jetzt dadurch jemand diskriminiert fühlt. Geht deshalb bitte nicht zu Twitter und zettelt dort einen Shitstorm an.
Wenn jetzt also ein Riese vor mir steht, gehe ich automatisch einen Schritt zurück. Das hätte ich vorher wahrscheinlich nicht getan, aber mit der Scheibe zwischen uns fühlt sich das irgendwie richtiger an. Klingt komisch, ist aber so.
Viele versuchen übrigens, mir ihr Rezept ohne Umwege durch die Scheibe zu geben. Klappt leider noch nicht. Wir arbeiten aber daran.
Wenn ich direkt vor der Kasse stehe, konnten sich die Kunden bisher aussuchen, ob ich sie von rechts oder von links bediene (#DerBediener). Doch die Scheibe ist nicht nur nicht hoch, sondern sie ist auch nicht breit genug, um beide Seiten abzudecken. Sie schützt mich nur von rechts. Was machen also meine geliebten Kunden? Sie wählen meine linke Seite. Ganz klar. Da ist ja keine nervige Scheibe und man kann mich auf dieser Seite besser sehen und hören (Die Lichter in der Apotheke spiegeln sich in der Scheibe).
Deshalb ergibt sich nun eine neue Reihenfolge meiner aktuell am häufigsten gesagten Sprüche in der Apotheke.
Okay, es ist wie es ist. Wir sind durch die Scheiben also besser geschützt. Masken tragen wir trotzdem nicht, Handschuhe auch nicht. Bis auf meine USK. Aber sie ist sowieso etwas speziell, ich erwähnte es.
Was ich trotzdem weitgehend vermeide: nach vorne in den Verkaufsraum gehen. Die meisten stehen erstmal brav Schlange und wollen dann irgendetwas, was sie sich auch einfach hätten nehmen können, wie zum Beispiel irgendwelche Pflegeprodukte oder „Tee“. Das ist manchmal verständlich, manchmal aber nicht. Wenn es natürlich nicht anders geht, oder sich mein Kunde nicht zurecht findet, gehe ich natürlich vor und helfe ihm.
Nicht in den Verkaufsraum zu gehen, senkt allerdings das Risiko einer Infektion für mich. Gerade dann, wenn man um die Infektiosität weiß: Wenn ein Infizierter in die Gegend hustet oder niest, hält sich eine infektiöse Wolke für ca. fünf Minuten als Aerosol in der Luft. Läuft man durch und atmet man das ein, hat die Stadt eventuell einen weiteren Coronafall mehr. In dem Fall: mich.
Ich rechne zwar fest damit, dass ich mich früher oder später infizieren werde, aber ich möchte das so lange wie möglich verzögern.
Seit letzter Woche (beschrieben in meinem letzten Artikel) sind Fieberthermometer sehr beliebt, deshalb sind sie inzwischen ausverkauft und auch der Großhandel hat keine mehr verfügbar. Uns wurde aber noch eine Lieferung zugesagt. Wir werden sehen. Apropos Großhandel: Die nette Dame vom Großhandel erzählte uns, dass ihre Lager so ziemlich leer wären. Kein gutes Zeichen.
Was momentan ebenfalls sehr beliebt ist, sind Baumwollhandschuhe. Vielleicht aber auch nur deshalb, weil Latexhandschuhe im Moment so gut wie nicht zu bekommen sind. Ich weiß es nicht.
Die berühmte WhatsApp-Nachricht von „Elisabeth, die Mama vom Poldi“, in der die Dame von einem angeblich erhöhten Risiko, sich nach Ibuprofen-Einnahme mit Corona zu infizieren oder einen schwereren Verlauf zu entwickeln, spricht, bekamen wahrscheinlich auch die Mitarbeiter der WHO zugeschickt. Denn kurz darauf warnten sie vor der Einnahme von Ibuprofen. Zufall? Man weiß es nicht.
Immerhin hat Poldis Mama sich die Geschichte ja nicht komplett ausgedacht. Aber sie ist auch weiterhin nur eine Hypothese. Warum die WHO sowie der französische Gesundheitsminister also plötzlich davor warnten, Ibuprofen einzunehmen, ist mir ein Rätsel.
Die Folge war eine steigende Nachfrage nach Paracetamol. Ich hatte jedoch nicht das Gefühl, dass allgemein weniger Ibuprofen verkauft wurde. Das liegt wohl daran, dass nicht jeder diese Nachrichten bekommen hat. Die von Elisabeth oder der WHO. Und Ibuprofen ist sowieso ein Dauerbrenner in der Apotheke — auch ohne Corona. Jetzt wollten sie also alle Paracetamol kaufen, damit sie im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 ihr Fieber senken können.
Konsequenz Nr. 1: Wir hatten alles Paracetamol abverkauft und konnten erstmal keines mehr nachbestellen.
Konsequenz Nr. 2: Die Apotheken waren auch deshalb voll mit Menschen, weil eben jeder Paracetamol kaufen wollte. Und das ist nicht nur bei mir in der Apotheke zur Zeit so.
Kunde: „Haben Sie noch Paracetamol da?“
DerApotheker: „Leider nein!“
Am Donnerstag, den 19.03.2020, hat die WHO es sich schließlich wieder anders überlegt und ihre vorschnelle Entscheidung zurückgenommen. Ibuprofen ist wieder cool. Trotzdem sank die Nachfrage nach Paracetamol nicht. Wahrscheinlich haben auch diese Nachricht wieder nicht alle mitbekommen.
Wir haben jetzt sogar zusätzlich noch Streifen auf den Boden geklebt, damit die Leute Abstand voneinander halten. Klappt gut. Zumindest in der Apotheke. Da jetzt jedoch nicht mehr so viele Menschen in der Apotheke stehen können, stehen sie eben alle draußen. Ohne Abstand. Aber wenn es schon ohne Abstand sein muss, dann doch lieber draußen an der frischen Luft als drinnen. Draußen ist die Infektionsgefahr durch die Aerosolwolken geringer. Vom Winde verweht.
Eine kleine Anekdote habe ich noch: Eine junge Frau testete wohl verschiedene Pflegeprodukte, von denen wir Tester rumstehen haben (warum haben wir noch Tester rumstehen?). Ich habe es nicht gesehen und nur deshalb mitbekommen, weil plötzlich eine Frau, die in der Schlange stand, schrie, dass die Testertesterin sofort damit aufhören solle. Das sei unhygienisch und sie könne dadurch andere infizieren.
Ich weiß nicht, ob sie Lippenstifte auf ihrer Hand testete oder sich auf die Lippen schmierte (was relativ häufig vorkommt), aber die Reaktion der Kundin fand ich dann doch etwas übertrieben. Umso erstaunter war ich, dass mein Kollege plötzlich ausrastete und die junge Dame der Apotheke verwies mit den Worten, dass sie überhaupt nichts verstanden habe und dass sie alle unnötig in Gefahr bringe mit ihrer Aktion.
Sowohl die Reaktion der Kundin als auch die meines Kollegen zeigten mal wieder, wie angespannt jeder in der aktuellen Lage ist und dass die Angst, sich zu infizieren, immer größer wird. Deshalb sollte jeder nach wie vor darauf achten, sein Infektionsrisiko und das aller anderen so gering wie möglich zu halten.
Stichwort: Social Distancing. Haltet Abstand. Mindestens zwei Meter. Das Infektionsrisiko zu senken, heißt nicht, dass den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern die Masken weggekauft werden sollen. Näht euch doch eine. Das empfiehlt sogar Professor Drosten und er hat bekanntlich immer Recht. Und wenn er mal nicht recht hat, dann gibt er das auch offen zu. Ein großer Mann. Und wenn ihr euch mit Maske sicherer fühlt und unbedingt eine tragen möchtet, dann tragt sie wenigstens richtig. Sonst ist es lediglich eine Verschwendung der Maske.
Passt auf euch auf!
Bildquelle: analogicus, pixabay