Ich erwähnte es schon: Die Frage nach Desinfektionsmittel bestimmt derzeit mein Leben. Was in der Apotheke in den letzten Tagen sonst noch so los ist? Ein Update.
Anfang der Woche hatte ich das Gefühl, dass ich tatsächlich seltener nach Desinfektionsmitteln gefragt wurde, als die Woche zuvor (ich beziehe mich auf den Zeitraum zwischen dem 09.03.2020 und dem 15.03.2020).
Ich vermute, dass das aber nicht daran lag, dass die Nachfrage allgemein nachließ. Sondern eher an der zunehmenden Unlust der Menschen, von Apotheke zu Apotheke zu ziehen, um zu fragen, ob wir noch welches da hätten. Sie bekamen schließlich immer nur die gleiche Antwort: „Leider nein!“
Möglicherweise lag es aber auch daran, dass die meisten mittlerweile doch schon eines gekauft hatten und kein neues benötigten oder irgendwo auf Wartelisten stehen. Auch bei uns stehen Vorbesteller auf Wartelisten, die wir nach und nach abarbeiten, wenn wieder neues Desinfektionsmittel bei uns eintrifft. Und hin und wieder passiert das auch. Falls dann welches übrig bleibt, bekommen auch die anderen eine Chance, welches zu kaufen.
Man kann sich übrigens besser vor SARS-CoV-2 schützen, wenn man nicht den ganzen Tag von Apotheke zu Apotheke zu Apotheke zieht, um mit zig anderen Menschen nach Desinfektionsmittel zu fragen, weil man sich vor dem Coronavirus schützen möchte. Kann man mal drüber nachdenken.
Als die Menschen erfuhren, dass wir in den Apotheken nun auch selbst Desinfektionsmittel herstellen dürfen, kamen vereinzelte Anfragen. Man konnte sie allerdings an einer Hand abzählen. Aber auch hier lautete die Antwort bei uns nun stets: „Leider nein!“. Ohne lieferbare Ausgangsstoffe können wir auch nichts herstellen.
Dann, gegen Mitte der Woche, baten uns die Menschen, ihnen die Ausgangsstoffe für Desinfektionsmittel zu verkaufen, damit sie sich selbst zu Hause welches herstellen können. Auch dabei zogen sie von Apotheke zu Apotheke, da die anderen Apotheken scheinbar auch nicht an alle Bestandteile kommen konnten. Wie man sich selbst welches herstellen kann, darüber informieren zahlreiche Seiten im Internet.
Ob es allerdings eine so gute Idee ist, Menschen in ihren nicht gut durchlüfteten Räumen mit hochprozentigen brennbaren Lösemitteln hantieren zu lassen? Wahrscheinlich nicht.
Ab Donnerstag stieg die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln dann wieder massiv an. Gefühlt jede zweite Frage drehte sich darum, ob wir welches hätten. „Nach Desinfektionsmittel brauche ich nicht zu fragen, oder?“ – das ist übrigens eine der am häufigsten verwendeten Formulierungen in diesem Zusammenhang.
Ich hatte sogar eine Kundin, die sich eine Jodlösung kaufte, um sich damit die Hände zu desinfizieren. Was soll ich denn dazu sagen?
Es gibt übrigens auch genügend Menschen, die es für unsinnig halten, sich die Hände zu desinfizieren, da man seine Hände ja auch waschen kann. Sie haben natürlich recht. Man kann seine Hände auch waschen und muss sie nicht desinfizieren, aber wer hat schon Seife und ein Waschbecken in seiner Tasche? Ich nicht.
Am Freitag konnten wir dann viele unserer Kunden glücklich machen, da wir 200 Flaschen mit je 500 ml Händedesinfektionsmittel geliefert bekamen. 50 Stück gingen an die Vorbesteller und die restlichen 150 wurde in Schütten gepackt und verkauft. Nach drei Stunden waren alle wieder restlos ausverkauft. Also wieder von vorne. Der Kunde fragt: „Haben Sie noch Desinfektionsmittel?“ DerApotheker sagt: „Leider nein!“
Apple hat mittlerweile seine Empfehlung zur Reinigung des iPhones angepasst. Jetzt heißt es, dass man sein iPhone mit Isopropanol 70 % reinigen darf. Allerdings sollte es nicht darin gebadet werden, sondern man soll es auf ein Tuch geben und dann vorsichtig das Gerät damit reinigen. Ich vermute, dass diese Empfehlung ruhig auch auf andere Hersteller übertragen werden darf. Ich reinige mein Smartphone seit Jahren auf diese Weise, wie bereits an anderer Stelle erwähnt.
Und dann sind da noch diejenigen, die nicht nur nach Desinfektionsmittel fragten, sondern die Gelegenheit nutzten, sich auch immer wieder nach Atemschutzmasken zu erkundigen. Manche waren sogar ernsthaft verwundert, dass es keine mehr gab. Ich sagte ihnen dann immer, dass sie einen Monat zu spät dran seien. Die Mehrheit der Kunden rechnete aber berechtigterweise nicht damit, dass wir noch Masken auf Lager hatten.
Ich denke nicht, dass es so schnell Nachschub an Masken geben wird, da jetzt erstmal hauptsächlich Arztpraxen und Krankenhäuser versorgt werden. Das ist wesentlich sinnvoller.
Ich habe ehrlich gesagt auch nicht wirklich viele Menschen mit Masken rumlaufen sehen. Ein bis zwei Kunden trugen eine. Irgendwie gruselig. Vielleicht waren es aber auch irgendwelche deutschen Rapper. Ich weiß es nicht.
Manchmal müssen wir uns von unseren Kunden Vorwürfe anhören, weil wir weder Masken noch Desinfektionsmittel da haben. Das sei unerhört, denn die Kunden würden sie ja schließlich dringend brauchen, sei es für sich selbst oder für ihre kranken Angehörige. Dass sie sich darüber ärgern, kann ich sogar noch nachvollziehen. Warum uns dann Vorwürfe gemacht werden, nicht so sehr.
Ich sage ihnen dann immer, dass wir das Zeug nicht heimlich gebunkert haben und selbst ich im Notfall keine Maske hätte. Das hilft manchmal. Dann ziehen die Kunden nur noch über unser Gesundheitssystem her und wir sind nicht mehr im Fokus des Ärgers. Damit kann ich leben.
Bei einer Frau hätte ich mir allerdings gewünscht, dass sie eine Maske trug. Sie hielt sich zum Husten ihr Rezept vor den Mund, das sie mir anschließend gut befeuchtet in die Hand drückte. In diesem Moment hätte sogar ich gerne Latexhandschuhe getragen.
Zuvor war ich mir ziemlich sicher, dass Latexhandschuhe der nächste letzte Schrei werden würden. Bisher ist der Run aber tatsächlich ausgeblieben. Ich habe bis jetzt auch nur drei Kunden gesehen, die welche trugen.
Und natürlich meine Ultra-Schwurbel-Kollegin. Die den ganzen Tag lang mit Handschuhen im HV steht. Bei ihr bin ich mir relativ sicher, dass sie am liebsten zusätzlich zu ihren Handschuhen noch eine FFP3-Maske tragen wollen würde. Und wahrscheinlich sogar einen Ganzkörperanzug. Und das, obwohl sie sich sicherlich mit Globuli davor schützt, sich mit dem Virus anzustecken. Ja, sie ist Apothekerin. Nein, das merkt man ihr nicht immer an.
Diese Kollegin und viele andere tragen Handschuhe, weil sie denken, dadurch geschützt zu sein. Dass das in den meisten Fällen keinen Unterschied macht, ob ich nun Handschuhe trage oder nicht, ist doch eigentlich ziemlich logisch. Wenn man die behandschuhten Hände nicht desinfiziert, wird alles andere infiziert. Vor allem dann, wenn man sie nie wechselt.
Man sieht es den Handschuhen auch an, dass sie schon lange Zeit getragen werden. Manche argumentieren, dass sie sich nicht so oft ins Gesicht fassen oder ihre Finger ablecken würden, wenn sie Handschuhe tragen. Hmm. Okay.
Wenn man zum Beispiel welche trägt, um sich im Bus oder in der Bahn festzuhalten und sie danach wegwirft – von mir aus. Kann man machen. Vor allem dann, wenn man kein Desinfektionsmittel mehr bekommen hat oder das Waschbecken nicht in die Handtasche passte. Aber die ganze Zeit damit rumzulaufen, sie nicht zu wechseln und sich so zu verhalten, als hätte man keine an? Sinnlos.
Was ich schon vor Corona nicht leiden konnte, ist, wenn die Kunden das Rezept aufgrund der Abwesenheit eines weiteren Arms in den Mund nehmen. Oder wenn sie sich die Finger ablecken, um das Rezept besser von dem anderen Rezept zu trennen, bevor sie es mir feucht in die Hand geben. Das ist leider keine Seltenheit. Auch das habe ich bereits an anderer Stelle erwähnt.
Ich will gar nicht wissen, wie oft ich den Speichel von irgendwelchen Leuten an den Händen habe. Das ist eklig!
Und ich habe trotzdem bisher nie etwas zu den Fingerleckern gesagt und meine Gedanken für mich behalten. Aber dank Corona habe ich endlich den perfekten Vorwand, um jeden darauf anzusprechen, dass das Ablecken der Finger nicht wirklich eine gute Idee ist! Und ihr könnt mir glauben: Das mache ich auch. Vielleicht gewöhnt sich der ein oder andere das ja so endlich mal ab. Ich bin guter Dinge, dass die Menschen in der Postcoronazeit mehr auf Hygiene achten werden.
Kurzum: Handschuhe sind also nicht der letzte Schrei. Aber Fieberthermometer sind es offenbar, sie werden aktuell häufiger verkauft als sonst. Da die meisten allerdings eins zu Hause haben, kann und wird die Nachfrage danach natürlich nie so groß sein, wie sie es bei Desinfektionsmitteln der Fall ist. Das wird schließlich auch verbraucht, im Gegensatz zu Fieberthermometern. Aber im Bedarfsfall sollte natürlich jeder in der Lage sein, Fieber messen zu können. Dazu ein kurzer Exkurs.
Kunde: Welches Fieberthermometer können Sie mir empfehlen? Das fürs Ohr oder das für die Stirn?
DerApotheker: Das für den Hintern.
Kunde: Echt? Wieso das denn?
DerApotheker: Weil die rektale Messung nun mal die genaueste ist.
Ja, die rektale Messung ist die genaueste. Leider. Sie steht nämlich nicht gerade hoch im Kurs. Weder bei Erwachsenen noch bei kleinen Kindern und bei allen anderen dazwischen auch nicht. Jeder, der mal versucht hat, bei einem Kleinkind Fieber rektal zu messen, kann das nachvollziehen.
Mit einem einfachen Fieberthermometer kann man das Fieber aber nicht nur rektal, sondern alternativ auch unter der Zunge messen. Der angezeigte Wert ist allerdings in etwa ein halbes Grad Celsius niedriger als bei der Messung im Rektum. Das muss beachtet werden. Vor der Messung sollte man für eine halbe Stunde nichts Warmes essen oder trinken.
Bei kleinen Kindern ist die Methode zu unpräzise, da die Kinder das Thermometer selten genau unter der Zunge lassen. Von einer Messung unter der Achsel wird übrigens generell abgeraten: Sie ist zu ungenau.
Ansonsten gibt es noch Infrarot-Fieberthermometer, zum Beispiel das Ohr- und das Stirnthermometer. Sie messen die Infrarotstrahlen des Trommelfells oder der Stirn. Ein Stirnthermometer hat den Vorteil, dass es am hygienischsten ist, da man keinen Kontakt zum Körper benötigt, dafür ist es aber relativ ungenau. Abweichungen von einem Grad Celsius können durchaus vorkommen. Das ist inakzeptabel.
Das Ohrthermometer misst in etwa so genau wie die Messung unter der Zunge mit einem einfachen Digitalthermometer. Verfälscht werden können die Werte durch Ohrenschmalz oder eine zu ungenaue Position des Sensors, da die Infrarotstrahlen des Trommelfells direkt auf den Sensor treffen müssen.
Wenn man sich also für eines der drei verschiedenen Fieberthermometern entscheiden müsste, so nehme man das einfache. Wenn man das nicht möchte, dann sollte man das Ohrthermometer wählen. Die Meisten wollen allerdings nicht wahrhaben, dass ein Gerät für 30 Euro schlechtere Ergebnisse liefern soll als das für 3 Euro.
Bei Instagram folge ich so einigen Apotheken und was immer wieder auffällt ist, dass sich viele Apotheker jetzt Plexiglasscheiben an den HV-Tisch bauen lassen, um sich bzw. den Kunden vor einer Ansteckung zu schützen. Töpfcheninfektionsschutzscheiben. Vielleicht gar keine schlechte Idee.
Eine Apotheke bat ihre Kunden darum, sich zuerst die Hände zu desinfizieren, bevor sie an den HV-Tisch treten. Das Lustige daran ist, dass das Desinfektionsmittel dafür extra festgeklebt wurde, aus Angst, dass jemand so dreist ist und es klaut. Man sollte eigentlich davon ausgehen können, dass das keiner machen würde. Aber leider ist dem nicht so.
Immer wieder hört man von „Arzneimitteln“, die die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus angeblich reduzieren. Wenn wir das Desinfektionsmittel und den Mundschutz außen vor lassen, dann fällt auf, dass die Kunden neben Fieberthermometern vermehrt nach Vitamin C, Zink und Cystus – als Tee oder Pastillen – fragen.
Mit Vitamin C und Zink soll das Immunsystem gestärkt werden. Die Wirkung von Vitamin C aufs Immunsystem ist allerdings fragwürdig. Zink hingegen hat tatsächlich eine positive Wirkung auf das Immunsystem. Was aktuell auch häufig nachgefragt wird, ist Cistus Incanus, das Zistrosenkraut. Es soll angeblich die Viren umhüllen und so unschädlich machen. Studien, die das eindeutig beweisen, habe ich keine gefunden. Wenn man allerdings ein bisschen googelt, bekommt man eher den Eindruck, dass man sich das Geld sparen könnte. Da die Menschen aber durch die Panikmache nach jedem Strohhalm greifen, wundert mich die große Nachfrage auch nicht wirklich.
Kein Bestseller, auch wenn manche Homöopathen das gerne so hätten, ist das Arsenicum album C30. Es soll zur Prophylaxe eingenommen werden. So hat es angeblich das indische Gesundheitsministerium empfohlen. Und die können ja schließlich nicht falsch liegen. Was ist Arsenicum album C30 eigentlich genau? Zucker. Reiner Zucker. Nicht mehr und nicht weniger.
Es geht derzeit auch viel um Arzneimittel, die (angeblich) die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus erhöhen. Deswegen möchte ich zum Abschluss noch kurz darauf eingehen, dass im Internet davor gewarnt wurde, Sartane, ACE-Hemmer und sogar Ibuprofen das Risiko einer Infektion erhöhen könnten. Es handelt sich dabei allerdings um Hypothesen. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird überprüft werden. Bis dahin sollte aber auf keinen Fall einfach der Blutdrucksenker abgesetzt werden.
Am Samstag ging eine WhatsApp-Nachricht herum, die vor der Einnahme von Ibuprofen warnte (DocCheck berichtete), da in Studien der Universität Wien herausgefunden worden sei, dass Ibuprofen das Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, vergrößern würde. Die Universität Wien gab an, dass es sich um Fake News handle.
Die Universität Basel hingegen stellte eine Hypothese auf, dass die Einnahme von Ibuprofen das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus tatsächlich erhöhen könnte. Es ist aber nur eine Hypothese. Inzwischen gibt es dazu auch ein WHO-Statement. Wir werden sehen.
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Bildquelle: Juliana Malta, unsplash