Als Reaktion auf die Covid-Krise stellen einige Verlagshäuser ihre Publikationen kostenlos im Volltext zur Verfügung. Das ist gut. Aber warum eigentlich nur jetzt?
Viele Wissenschaftler sind sich einig: Paywalls, zu deutsch Bezahlschranken, dienen nicht dem wissenschaftlichen Austausch, sondern ausschließlich wirtschaftlichen Interessen. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie (ja, man sollte sie endlich mal so nennen, liebe WHO) scheint jetzt das eine oder andere Verlagshaus selbst Zweifel zu haben, ob die Paywall eine gute Sache ist, wenn schneller Wissensaustausch nottut.
Die Entscheidung, ad hoc eine kleine Auswahl an Publikationen frei zur Verfügung zu stellen, wirkt jedoch ebenso gestenhaft wie halbherzig. Wahrscheinlich ist sie aus der Not heraus geboren, denn der Widerstand gegen die großen Medizinverlage Elsevier, Wiley und Springer Nature nimmt zu. Unter zunehmendem Druck aus der Forscher-Community kündigte Elsevier unlängst per E-Mail an, rund 2.400 Coronavirus-Artikel vor die Paywall zu stellen.
Doch dieses kleine Entgegenkommen geht einigen nicht weit genug. Anfang Februar ergriff die Gruppe „Archivists“ die Initiative und stellte rund 5.000 Coronavirus-Artikel zum freien Zugriff auf einem Filesharing-Server zur Verfügung. Das Material stammte von einer Plattform, die einschlägig bekannt ist: SciHub.
SciHub wurde 2011 von Alexandra Elbakyan, einer Entwicklerin und Online-Aktivistin, gegründet. Sie bietet das, was Wissenschaftsverlage seit Jahren verweigern: Freien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur ohne teure Bezahlschranke. Nach gängigem Rechtsverständnis illegal, wird SciHub vom Gros der Wissenschaftler fleißig genutzt. „Notwehr“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
„Shrine“, einer der Organisatoren der Archivists-Initiative, verteidigt die Aktion wie folgt: „Von welchem Standpunkt aus man sich das auch ansieht, Paywall-Wissenschaft ist eine unmoralische Situation, und es ist eine laufende Tragödie.“
Der Endzwanziger hatte sein eigenes Paywall-Erlebnis. Ende Januar 2020 wollte er ein Paper über Coronaviren lesen und sollte dafür 39,95 US-Dollar zahlen. Stattdessen schrieb er mit Freunden einen Suchalgorithmus und kompilierte eine Sammlung von 5.200 Coronavirus-Arbeiten, die er dann online stellte.
Seine Motivation fasst er in einem markigen Statement zusammen: „Copyright on the health of humanity? Fuck off.“
Unter Verwendung von Zitaten der englischen Ausgabe von Vice.
Bildquelle: University of Minnesota Institute of Advanced Studies (Public Domain)