Eine Forschergruppe findet: Placebos eignen sich für die Schmerztherapie. Gut zu wissen. Aber sollte man solche Arzneimittel überhaupt zulassen?
Während das Netz über eine in Bayern geplante Homöopathie-Studie spottet, in der untersucht werden soll, ob der Placebo-Effekt genutzt werden könnte, um den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, widmen sich auch Forscher der Universität Duisburg-Essen dem Thema Placebo – wenn auch ohne Geschwurbel. Ihnen geht es um die Frage, welchen Effekt Placebos bei idiopathischen Rückenschmerzen haben. Parallelen drängen sich dennoch auf.
Zum Hintergrund: Rückenschmerzen gehören laut Untersuchungen der DAK-Gesundheit neben Atemwegserkrankungen und psychischen Problemen zu den häufigsten Einzeldiagnosen für Krankschreibungen. Viele Betroffene gehen aufgrund ihrer Beschwerden ins Krankenhaus und die Maschinerie mit beigebenden Verfahren läuft an. Finden Ärzte keine Grunderkrankung, bleibt noch die schönen Worte „idiopathische Rückenschmerzen“, was Patienten nicht wirklich weiterhilft. Schonen sie sich, wird die Sache nicht unbedingt besser. Und Schmerzmittel führen bei langfristiger Anwendung zu Nebenwirkungen, bei manchen auch zur Abhängigkeit.
Zurück zum anfangs erwähnten Forscherteam vom Universitätsklinikum Duisburg-Essen. Es hatte folgende Idee: Warum sollte man Patienten nicht einfach mit wirkstofffreien Präparaten behandeln? Gesagt, getan.
Für eine dreiwöchige Open-Label-Studie untersuchten die Wissenschaftler 127 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Alle Teilnehmer hatten zuvor über einen Zeitraum von mehr als zwölf Wochen Beschwerden. Sie erhielten randomisiert entweder „treatment as usual“ (n = 59), sprich keine weitere Therapie, oder Placebos (n = 63). Nach drei Wochen ging es in beiden Armen ohne Behandlung weiter. Primärer Endpunkt war die Veränderung der Schmerzintensität. Sekundär wurde der Grad an funktioneller Behinderung erfasst – sowohl in Form von Patientenberichten als auch in Form von Messungen der Wirbelsäulenbeweglichkeit.
Tatsächlich verringerte sich die Schmerzintensität und das Vorhandensein von Depressionen, gemessen anhand von Fragebögen, in der Placebogruppe signifikant. Auch die Beweglichkeit der Wirbelsäule verbesserte sich laut Selbsteinschätzung in der Scheingruppe mehr als in der Gruppe ohne jegliche Intervention. Einfluss auf objektive Mobilitätsparameter, Angst und Stress konnten Forscher nicht finden.
Nun hat die Studie ohne Zweifel mehrere Einschränkungen. Die Wissenschaftler arbeiteten mit vergleichsweise wenig Probanden – und mit einer, gemessen an chronischen Rückenschmerzen, geringen Nachbeobachtungszeit. Was für ihre Argumentation spricht: Andere Forschergruppen fanden bereits ähnliche Ergebnisse.
Kürzlich hat DocCheck berichtet, dass die Sache bei topischen Analgetika ähnlich aussieht. In einer Studie erhielten Patienten Ketamin, Gabapentin, Clonidin und Lidocain gegen neuropathische Schmerzen. Bei nozizeptiven Schmerzen kamen Ketoprofen, Baclofen, Cyclobenzaprin oder Lidocain zum Einsatz.
Handelte es sich um Schmerzen eines gemischten Typus, wurden Ketamin, Gabapentin, Diclofenac, Baclofen, Cyclobenzaprin oder Lidocain verabreicht. Eine Kontrollgruppe schmierte sich nur mit Placebo-Creme ein. Tatsächlich kam es in den Gruppen, verglichen mit Placebo-Cremes, zu keinen signifikanten Unterschieden. Placebos hätte es also auch getan.
Für die Forscher aus Duisburg-Essen sind ihre Daten jedenfalls Anlass genug, eine weitere Untersuchung zu initiieren. Dafür suchen sie noch Teilnehmer. Sie wollen klären: Wie genau und für wie lange wirken Placebos, selbst wenn Patienten wissen, dass sie wirkstofffrei sind? Ihr Ziel ist, Placebos als Add-ons zu Schmerztherapien anzuwenden, um mögliche Nebenwirkungen bis hin zur Medikamentenabhängigkeit zu verhindern.
In klinischen Studien sind Placebos seit Jahrzehnten Standard. Das Design ist nicht infrage zu stellen. Was von dem therapeutischen Einsatz von Placebos zu halten ist? Nicht sonderlich viel aus meiner Sicht. Doch wie würde es weitergehen, wenn man sich einmal auf diesen Gedanken einlässt?
Homöopathische Arzneimittel werden meist nur registriert, aber nicht zugelassen. Bei Placebo-Tabletten dürfte die Sache schwieriger werden. Zwar gibt es Studien, aus denen hervorgeht, dass Placebos auch dann wirken, wenn Patienten wissen, dass es sich um Placebos handelt. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle folgende Fragen in den Raum werfen:
Was denkt ihr? Ich bin gespannt auf eure Kommentare.
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