Topische Analgetika sind bei Apothekern und ihren Kunden sehr beliebt. Dass schnöde Feuchtigkeitscremes ähnlich schmerzlindernd wirken, passt da nicht ganz ins Bild, oder?
Monat für Monat flattern Apothekenflyer in meinen Briefkasten. Zu den Angeboten gehören neben typischen Suchtartikeln wie Schmerztabletten, Nasensprays oder Laxantien auch topische Schmerzmittel. Mit dicken Rabatten werben die Pharmazeuten. Und sie preisen die „schnelle Wirkung“ und die „gute Verträglichkeit“ an. Solche Präparate sollten „in keiner Sporttasche fehlen“, schließlich versprechen sie rasche Schmerzlinderung bei Prellungen, Quetschungen oder Verstauchungen. Und auch Rückenschmerzen unterschiedlicher Art – der Deutschen häufigstes Leiden – gehören zu den Indikationen.
Salbenwirkstoffe wandern nicht durch den Magen-Darm-Trakt. Soweit, so bekannt. Doch tut sich am Ort des Geschehens tatsächlich etwas? Wie ist die Datenlage?
Vor einigen Monaten hat Robert E. Brutcher vom Walter Reed National Military Medical Center in Bethesda, Maryland, Studienergebnisse zur heiß diskutierten Frage veröffentlicht. Er nahm 399 Patienten mit lokalen Schmerzen in seine Studie auf. Ärzte klassifizierten das Schmerzgeschehen als neuropathisch (n = 133), nozizeptiv (n = 133) oder gemischt („Mixed Pain“, n = 133).
Die Patienten erhielten je nach Schmerztyp unterschiedliche Topika. Gegen neuropathische Schmerzen kamen Ketamin, Gabapentin, Clonidin und Lidocain zum Einsatz. Bei nozizeptiven Schmerzen erhielten sie Topika mit Ketoprofen, Baclofen, Cyclobenzaprin oder Lidocain. Handelte es sich um Schmerzen eines gemischten Typus, wurden Ketamin, Gabapentin, Diclofenac, Baclofen, Cyclobenzaprin oder Lidocain verabreicht. Eine Kontrollgruppe schmierte sich nur mit Placebo-Creme ein. Die Teilnehmer mussten ihren Schmerz auf einer Skala vor Behandlungsbeginn sowie einen Monat nach der Therapie angeben.
Kurz gesagt: In allen Gruppen sank dieser Score um 0,1 bis 0,3 Punkte. Der Unterschied zwischen Verum und Placebo war statistisch nicht signifikant.
Kritiker mögen einwenden, dass die Kohorte recht klein war – und aufgrund der vielen Wirkstoffe nur wenige Personen eine bestimmte Substanz bekommen hatten. Auch die Nachbeobachtungszeit, ein Monat, scheint recht kurz zu sein. Wohl wahr. Doch diese Veröffentlichung ist kein Einzelfall.
Bekanntlich gelten Reviews der Cochrane Collaboration als Goldstandard der evidenzbasierten Medizin. Im Jahr 2017 hatten sich Cochrane-Forscher mit topischen Analgetika befasst. Sie analysierten 206 Studien mit insgesamt 30.700 Patienten mit – wie es in ihrer Zusammenfassung heißt – „stark schwankender methodischer Qualität“. Das fanden die Wissenschaftler heraus:
So wirklich überzeugt sind die Cochrane-Experten nicht. Und es kommt noch besser.
Pin-Hao A. Chen vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, wies kürzlich „sozial übertragene Placebo-Effekte“ bei topischen Analgetika nach. Gesunde, freiwillige Probanden empfanden thermische Schmerzreize als schwächer, wenn sie zuvor das Placebo-Phantasiepräparat „Thermedol“ erhalten hatten – und wenn ihr Gegenüber an dessen Effekt auch glaubte. Speziell die Mimik scheint von Bedeutung zu sein.
Daraus lässt sich als Hypothese ableiten: Sind Apotheker von der Wirkung ihrer Analgetika selbst überzeugt, tut sich bei ihren Kunden vielleicht wirklich was. Das Phänomen ist als „Placebo by Proxy“-Effekt bereits bekannt. Der erklärt auch, warum Tiere auf homöopathische Präparate reagieren. Und hat offensichtlich auch bei Schmerzcremes seine Bedeutung.Bildquelle: Anastasia Dulgier, Unsplash