Bereits in der Kindheit treten genetische Veränderungen auf, die Jahrzehnte später zu Nierenkrebs führen können. Das haben Molekularbiologen herausgefunden. Für die Behandlung von Nierenzellkarzinomen ist diese Erkenntnis hilfreich, denn sie erklärt die Tumor-Genese.
Nierenzellkarzinome gehören zu den häufigen Krebserkrankungen der Industrienationen. Bei der Erfassung der Krebsneuerkrankungen in Deutschland liegt Nierenkrebs bei Männern auf Platz sechs und bei Frauen auf Platz elf, berichtet die Deutsche Krebsgesellschaft. Die Tumore zeichnen sich vor allem durch eine große genetische Vielfalt aus – der sogenannten intratumoralen Heterogenität: Die genetischen Eigenschaften von Tumorzellen variieren, je nachdem, von welcher Stelle des Tumors die entsprechende Biopsie stammt. Das erschwert die richtige Diagnosestellung sowie Prognose und Therapie.
Das soll sich zukünftig ändern, denn Wissenschaftler konnten nun erstmals verschiedene Subtypen von Nierenzellkarzinomen klar identifizieren. Daten kommen von TRACERx, einer prospektiven Kohortenstudie mit Patienten, die am klarzelligen Nierenzellkarzinom (Clear Cell Renal Cell Carcinoma, ccRCC) leiden. Molekularbiologen untersuchten mehr als 1.000 Tumorbiopsien von 100 Nierenkrebspatienten. Bei ihnen entnahmen Ärzte Material an mehreren Stellen des Primärtumors sowie von dessen Metastasen und analysierten die DNA. Mittels bioinformatischer Methoden rekonstruierten sie die evolutionäre Entwicklung des Tumors. Vereinfacht dargestellt, haben die Wissenschaftler die Mutationslast der unterschiedlichen Tumorproben eines Patienten miteinander verglichen. Wenn ein genetischer Fehler in jeder Tumorprobe eines Patienten nachzuweisen war, dann lag das entscheidende Mutationsereignis sehr lange zurück – eine mutierte Zelle vermehrte sich dann zu zahlreichen genetisch identischen Kopien. Fanden sich nur in einer oder zwei Proben genetische Auffälligkeiten, lag das Mutationsereignis noch nicht so lange zurück. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler des TRACERx-Konsortiums in drei Artikeln veröffentlicht:
„Bemerkenswert ist, dass das typische genomische Ereignis, das den Nierenkrebs charakterisiert, durchschnittlich 40 bis 50 Jahre vor der Krebsdiagnose stattfindet“, sagt Coautor Peter Campbell. Es beginnt bei vielen Nierenzellkarzinomen damit, dass in Zellen Teile des Chromosoms 3 verloren gehen. Diese erste Mutation findet in der Kindheit oder in der Adoleszenz statt, hat aber zunächst keine gesundheitliche Auswirkungen. Erst bei einer weiteren Mutationen 40 bis 50 Jahre nach dem ersten Mutation, entwickelt sich ein Nierenzellkarzinom. Ab diesem Punkt gibt es je nach Mutation drei spezifische evolutionäre Pfade, die die Forscher nun erstmals identifizieren konnten:
Erkenntnisse aus der TRACERx-Studie bieten die Möglichkeit, mit Hilfe der drei unterschiedlichen Pfade neue Ansätze zur frühzeitigen Diagnose bei Nierenzellkarzinomen zu entwickeln. Das ist insbesondere für Menschen wichtig, die einer Risikogruppe zugeordnet werden, da ein erblich bedingtes Krankheitsrisiko besteht. Die genaue Identifizierung des Nierenzellkarzinoms kann Ärzten helfen, die richtige therapeutische Maßnahme anzuwenden.