Es ist Wochenende und eine Kundin möchte ein verschreibungspflichtiges Medikament haben – ohne Rezept. Ich wappne mich für die Diskussion. Doch als sie ihre Symptome beschreibt, werde ich hellhörig.
Eine Situation, wie sie wohl in jeder Apotheke häufig vorkommt: Eine Dame möchte am Wochenende ein verschreibungspflichtiges Medikament haben – natürlich ohne Rezept. Sie beklagt starken Juckreiz, gegen den sie eine verschreibungspflichtige kortisonhaltige Creme benötige. Sie gibt an, diese bereits seit 6 Wochen anzuwenden. Sie würde sie daher sicher wieder von ihrem Hausarzt aufgeschrieben bekommen.
Der Apotheker erklärt ihr, dass Präparate mit diesem Wirkstoff in der Regel gar nicht so lange angewendet werden sollten. Falls der Juckreiz persistiert, sollte zunächst die Ursache gefunden werden. Die Dame wird darauf an die Ambulanz einer Hautklinik verwiesen, in die sie schimpfend weiterfährt.
Als sie am Montag darauf wieder in der Apotheke steht, legt sie ein Rezept über Permethrin-Salbe und Ivermectin-Tabletten vor. Denn in der Klinik war die korrekte Diagnose gestellt worden – die Krätzmilbe Sarcoptes scabiei var hominis hatte den Juckreiz verursacht. Eine weitere Kortisongabe hätte also nur die Erkrankung verschleppt.
Die Krätzmilbe ist ein auf den Menschen spezialisierter Parasit und gehört zur Familie der Spinnentiere. Sie kommt weltweit vor, etwa 300 Millionen infizierte Personen gibt es, schätzt die WHO. Der Parasitenbefall gilt in tropischen Ländern als endemische Massenerkrankung. Aus europäischen Ländern gibt es derzeit keine aktuellen und belastbaren Zahlen.
Die Weibchen dieser Gattung leben in den oberen Hautschichten des Menschen, und legen während ihrer Lebenszeit, die etwa 4- 8 Wochen beträgt, mehrfach Eier im Stratum corneum ab. Die Larven schwärmen nach zwei bis drei Tagen an die Hautoberfläche aus. Nach etwa zwei Wochen findet die Begattung statt, nach der die männlichen Milben sterben, und die Weibchen graben sich in die Haut ein.
Der quälende Juckreiz, der besonders nachts auftritt, wird auf eine Immunantwort vom verzögerten Typ zurückgeführt. Diese Ekzemreaktion erfolgt auf die Milben selbst sowie auf ihre Eier und Ausscheidungen. Daher treten die ersten Symptome der Erkrankung meistens erst nach frühestens zwei, in manchen Fällen auch erst nach fünf Wochen auf, wenn die weiblichen Tiere sich bereits in der Haut befinden.
Es ist in der Apotheke daher unerlässlich, bei der Frage nach Auslandsreisen diese Inkubationszeit im Auge zu behalten. Wer jedoch bereits in der Vergangenheit an Krätze gelitten hat, kann aufgrund der gebildeten IgE-, IgM- und IgG-Antikörper sogar innerhalb von wenigen Stunden die typischen Beschwerden zeigen. Immunsupprimierte Patienten weisen dagegen in manchen Fällen keine Juckreizsymptomatik auf. Hier ist die Besiedelung durch die Milben häufig exorbitant hoch, und die Ansteckungsgefahr besonders groß. Und auch in Deutschland kommen immer mehr Menschen mit der Skabiesmilbe in Berührung.
Unterschieden werden hier neben der gewöhnlichen Krätzeerkrankung keine verschiedenen Arten, sondern ihre Ausprägung und das Erscheinungsbild. Die gepflegte Scabies ist neben der Scabies incognita die unauffälligste Form. Letztere wird durch die Vorbehandlung mit Kortikosteroiden quasi maskiert.
Die Scabies nodosa tritt vor allem bei Kleinkindern und Senioren auf, und wird von einer Knötchenbildung der Haut begleitet. Bei Scabies crustosa, der Borkenkrätze, treten dagegen deutliche Krustenbildung, starke Schuppung und eine millionenfache Besiedelung der Haut auf. Diese schwerste Verlaufsform, die sich bei immunsupprimierten Patienten manifestiert, ist hoch ansteckend. Besonders bei Kindern tritt auch eine bakteriell superinfizierte Form der Skabies auf, die durch Staphylococcus aureus ausgelöst wird.
Üblicherweise wird durch den Arzt eine permethrinhaltige Creme und/oder Ivermectin Tabletten verordnet. Damit die Therapie anschlägt, ist es wichtig, den betroffenen Patienten die Anwendung genauestens zu erklären. Die Creme muss einmalig auf der gesamten Körperoberfläche – mit Ausnahme des Bereichs um die Augen und der behaarten Kopfhaut – aufgetragen werden. Auch der Genitalbereich wird hier nicht ausgespart.
Um dies gewährleisten zu können, ist besonders bei motorisch eingeschränkten Patienten eine zweite Person zur Hilfe nötig. Diese sollte sich mit Einmalhandschuhen um die schlecht erreichbaren Stellen, zum Beispiel am Rücken, kümmern. Aufgetragen wird die Creme idealerweise eine Stunde nach dem Duschen oder Baden am Abend. Am nächsten Morgen sollte sie nur mit klarem Wasser abgespült werden. Vor und nach dem Auftragen der wirkstoffhaltigen Creme dürfen keine weiteren Pflegeprodukte auf der Haut angewendet werden, um die Therapie nicht zu gefährden.
Die Einnahme der Tabletten wird zwei Stunden nach und zwei Stunden vor einer Mahlzeit empfohlen. Der Patient sollte also vier Stunden nüchtern bleiben. Abhängig vom Befund wird beispielsweise bei Scabies crustosa eine zweite Anwendung empfohlen.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei einer Unverträglichkeit gegen Permethrin oder einer möglichen Resistenz gegen den Wirkstoff sind Benzylbenzoat-Emulsionen oder Crotamiton-Lotion, -Creme und -Salbe. Diese müssen an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen angewandt werden. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist eine feste Kombination aus Allethrin und Piperonylbutoxid, die aus dem Ausland bezogen werden kann.
Handtücher und Bettwäsche sollen fünf Tage lang nach jedem Hautkontakt gewechselt werden, Kleidung ebenfalls täglich. Alle waschbaren Textilien bei 50 Grad mindestens 10 Minuten lang waschen, nicht waschbare Gegenstände für mindestens 48 bis 72 Stunden ohne Kontakt zu Menschen lagern (z.B. Couch oder Autopolsterung). Auch eine Heißdampfbehandlung kann zur Dekontaminierung genutzt werden.
Eine spezielle Desinfektion ist unnötig, da die Milben diese ohnehin überleben würden. Auch nach längerem Kontakt zu infizierten Personen wäre eine Händedesinfektion daher nicht ausreichend, um eine Übertragung sicher auszuschließen. Hier wird intensives Händewaschen angeraten, wenn keine Einmalhandschuhe getragen wurden.
Infektionen kommen vor allem innerhalb einer Wohngemeinschaft, Familie oder eng vertrauter Personen vor. Krätzmilben bewegen sich vergleichsweise langsam, so dass hier ein längerer oder großflächiger Hautkontakt zur Übertragung nötig ist.
Nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung gibt es Patienten, die an einem postskabiösen Ekzem leiden, bei dem die Symptome trotz Milbenfreiheit persistieren. Der Grund ist vor allem eine Irritation der Haut als Folge der Therapie oder ein Exsikkationsekzem. Auch immunogene Milbenteile können hier der Grund für den Juckreiz sein. Ein Wiederholen der Therapie wäre also der falsche Ansatz. Hier sollte vor allem Wert auf eine Hautpflege gelegt werden, die Feuchtigkeit spendet und Irritationen beruhigt. Produkte, die bei einer Neurodermitis eingesetzt werden, können hier empfohlen werden.
Verwechselt wird eine Krätzeinfektion, wie im eingangs beschriebenen Beispiel, selbst von Medizinern manchmal mit einem hyperkeratotischen Ekzem, anderen juckenden Dermatosen, Psoriasis, Follikulitis oder Insektenstichen. Wer sich also bei der Beratung eines Patienten mit Juckreiz unsicher fühlt, der sollte ihm direkt den Gang zu einem Dermatologen empfehlen.
Weitere Infos zur Krätze gibt es hier.
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Bildquelle: W. Linsenmaier, Wiki Commons