Frauen leiden in der Postmenopause häufig unter sexueller Lustlosigkeit. Eine neue Studie zeigt: Mit einer Testosterontherapie steigert sich die Libido von Probandinnen signifikant. Kommt bald ein Testosteron-Präparat für die Frau auf den Markt?
Kürzlich wurde eine interessante australische Metaanalyse zum Thema Libidoverlust in der Postmenopause im Lancet veröffentlicht. In 36 randomisierten und kontrollierten Studien wurde bei 8.480 Teilnehmerinnen, die sich mehrheitlich in der Postmenopause befanden, entweder ein Testosteronpräparat, eine herkömmliche Hormonersatztherapie oder ein Placebo angewandt. Der Untersuchungszeitraum fand zwischen Januar 1990 und Dezember 2018 statt, die Therapiedauer betrug mindestens 12 Wochen.
Probandinnen, die eine Testosterontherapie erhielten, gaben eine signifikante Steigerung ihrer Libido an. Es wurde ein erfüllteres Sexualleben bezüglich Reizschwelle, Häufigkeitsbedürfnis und individueller Erlebnisfähigkeit beschrieben. „Testosteron wirkt direkt im Gehirn und beeinflusst zentral sexuelle Funktionen (Libido, sexuelle Fantasien und Gedanken), außerdem steigert es den genitalen Blutfluss und lässt damit Frauen Erregung und Orgasmen besser spüren“, so Susan David, Mitautorin der Studie. Normalerweise fällt der Testosteronspiegel auch bei Frauen mit zunehmendem Alter ab, besonders stark ist der Abfall nach einer chirurgisch induzierten Postmenopause.
Die Studie hat, neben dem offensichtlichen Benefit bezüglich der eindeutigen Verbesserung sexueller Zufriedenheit, aber auch weniger erwünschte Effekte gezeigt. Es kam zu allgemeiner Gewichtszunahme, Akne und Haarwuchs. Bei oraler Verabreichung von Testosteron kam es zum signifikanten Anstieg von LDL-Cholesterin und Abnahme von HDL-Cholesterin, was eine Gefährdung des Herz-Kreislauf-Systems nach sich ziehen kann. Während einer transdermalen Applikation wurde dieser Effekt allerdings nicht beobachtet. Bezüglich Stimmungsschwankungen, Gedächtnisleistung oder Knochendichte wurden keine Veränderungen wahrgenommen, wobei die Auswertungsdaten für diese Merkmale gering sind.
„Dies ist die erste Studie, die den Einsatz von Testosteron für irgendetwas anderes als zur Libidosteigerung widerlegt, es sei denn, zukünftige Studien zeigen einen anderen Nutzen“, so Susan Davis. Leider würden viele Frauen in den USA und Australien mit Testosteron aufgrund von Depressionen oder anderer gesundheitlicher Gründe therapiert. Außerdem, so Davis, gäbe es keine Präparate speziell für postmenopausale Frauen. Deshalb würden Medikamente, die nur für Männer zugelassen sind, verabreicht. Dies sei unsicher und ineffektiv.
In Deutschland gibt es derzeit kein Präparat, das zur Testosterontherapie bei Frauen zugelassen ist, obwohl ein Benefit für ovarektomierte und postmenopausale Frauen mit Libidoverlust diskutiert wird. Bereits 2006 gab es ein für Frauen zugelassenes Testosteronpflaster, es wurde aber in Publikationen kontrovers beurteilt und der Vertrieb 2010 wieder eingestellt.
Seit 1. Juli 2016 ist mit Remisens® ein pflanzliches Präparat aus Damianablätter-Trockenextrakt im Handel. Es handelt sich um ein lange bekanntes Aphrodisiakum, welches den Testosteronspiegel im Körper erhöhen soll. Darüber schreibt die Deutsche Apothekerzeitung folgendes:
„Die Evidenz für die Anwendung von Remisens® ist sehr gering (entsprechend seinem Zulassungsstatus). Will eine Kundin jedoch unbedingt etwas gegen ihren Libidoverlust einnehmen, muss man bei der Abgabe dieses Präparats keine allzu großen Bedenken haben, denn gerade auf dem Gebiet der Aphrodisiaka ist der Placebo-Effekt nicht zu vernachlässigen.“
Verminderte Libido und sexuelle Dysfunktionen sind häufig angesprochene Themen in der gynäkologischen Praxis. Auf der Hand liegt der zunehmende Hormonmangel im Klimakterium. Vaginale Beschwerden lassen sich zunächst mit nicht hormonellen Befeuchtungscremes oder Ovula in den Griff bekommen. Sind diese nicht ausreichend, ist eine vaginale, niedrig dosierte Östrogenisierung oft sehr schnell erfolgreich. Bei weiteren klimakterischen Beschwerden ist der Einsatz von Phytopharmaka (DocCheck berichtete) zunächst sinnvoll. Bei sehr starken Beschwerden und fehlenden Kontraindikationen ist eine Hormonersatztherapie zu erwägen. Die Auswirkungen auf Stimmungslage und Sexualleben wird von den Patientinnen überwiegend positiv wahrgenommen.
Störungen im Sexualleben sind oft vielschichtig. Veränderungen der hormonellen Situation sind sicherlich der bedeutendste Faktor. Eine medikamentöse Therapie mit zunächst pflanzlichen Produkten, gegebenenfalls auch eine Hormonersatztherapie können sehr hilfreich sein. Eine bevorzugt transdermale Testosterontherapie wäre aufgrund der beschriebenen Studie sicher eine erneut zu prüfende Option, wobei das Nebenwirkungsprofil einen limitierenden Faktor darstellt.
Weiterhin können familiäre Konflikte, Partnerschaftsprobleme, Stress und persönliche Krisen eine nicht unerhebliche Rolle bei sexuellen Störrungen spielen. Echte Empathie im Patientengespräch, der Hinweis auf psychosoziale Hilfestellungen und der Rat zu mehr Achtsamkeit gegenüber der individuellen Lebensbalance können bereits weichenstellend sein. Auch eine Paartherapie ist in entsprechenden Situationen in Erwägung zu ziehen.
Bildquelle: Fernando Brasil, unsplash