Derzeit greifen alle großen Zeitungen eine Meldung aus dem Landkreis Karlsruhe auf. Darin geht es um über 100 Tuberkulose-Infektionen an zwei Schulen. Ist die Aufregung angemessen?
Die Rede ist von einem Fall von ansteckender Tuberkulose, der in der Michael-Ende-Gemeinschaftsschule in Bad Schönborn-Mingolsheim aufgetaucht ist. Des weiteren wird ein Fall in der Franz-Josef-Kuhn Grundschule in Bad Schönborn-Langenbrücken, hier wurde eine „niedrigere Ansteckungsfähigkeit“ bestätigt, heißt es in der vielzitierten Pressemitteilung. Umgehend nachdem sie die Diagnose erhalten hatten, wurden die beiden Kinder isoliert und behandelt. Aktuell herrsche kein erhöhtes Ansteckungsrisiko.
In der betroffenen Jahrgangsstufe der Michael-Ende-Schule kam es zu einer hohen Zahl an Ansteckungen. „Derzeit werden zwei dieser Schüler stationär behandelt, bei denen von einer Erkrankung auszugehen ist,“ so lautet die Erklärung. Daraufhin wurden die Untersuchungen im schulischen Umfeld stark ausgeweitet.
Das Ergebnis: „In der betroffenen Jahrgangsstufe sind 88 % der Mitschüler infiziert, in den anderen Klassenstufen im Durchschnitt 18 %. Die Gesamtzahl der infizierten Schüler und Lehrer an der Schule beläuft sich derzeit auf 109 Personen. An der Zahl der an Tuberkulose Erkrankten (derzeit insgesamt vier Personen) hat sich nichts geändert.“
Im Zuge der Zuwanderungsthematik wird immer wieder über ein erhöhtes Risiko für Tuberkuloseinfektionen berichtet. So titelte die Welt etwa im Vorjahr mit der Headline „Die Angst vor der eingeschleppten Tuberkulose“ sehr reißerisch über steigende Tuberkulose-Fälle in Deutschland. Der Artikel liest sich dann deutlich nüchterner: „Durch die Flüchtlingskrise war die Zahl der registrierten Tbc-Fälle in Deutschland nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) zunächst angestiegen: von 5426 im Jahr 2014 auf 5837 (2015) und 5959 (2016). Im vergangenen Jahr ging die Zahl leicht auf 5486 zurück.“
Die aktuellste Zahl liegt für das Jahr 2018 vor: Für diesen Zeitraum meldet das RKI 5.429 Fälle. Die Fallzahlen der letzten Jahre sind also weit weniger dramatisch, als die Überschrift vermuten lässt. Seit 2001 schwanken die Zahlen immer wieder nach oben und nach unten, eine Übersicht findet man auf der Website des RKI.
Grund zur Panik bietet die jüngste Meldung wohl kaum – auch, wenn die Angst, dass die Schwindsucht zurückkehrt, schon seit vielen Jahren groß zu sein scheint. Hier ein paar Headlines der letzten Jahrzehnte:
SPIEGEL, 2017
BERLINER MORGENPOST, 2016
DIE TAGESPOST, 2011
FOCUS, 2010
STERN, 2009
ZEIT, 1993
„Der Anstieg ist im Grunde nicht hoch“, sagte etwa Nicolas Schönfeld im Jahr 2017 in einem Interview mit den DocCheck News. „Wir müssen immer bedenken, von welchem Ausgangswert wir diese Veränderung betrachten. Wenn wir zehn Jahre zurückschauen, dann ist da zur jetzt gestiegenen Inzidenz insgesamt kein Klassenunterschied. Das ist alles nicht so dramatisch.“ Schönfeld ist Oberarzt an der Klinik für Pneumologie am Helios-Klinikum Emil von Behring in Berlin.
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