Gelenkblutungen bedeuten für Hämophilie-Patienten neben Schmerzen und eingeschränkter Mobilität durch Gelenkschäden auch Angst: Schon ein einziger Hämarthros kann bleibenden Schaden anrichten. In der Fachwelt zeichnet sich daher zunehmend eine Entwicklung ab, bei der „Zero Joint Bleeds“ angestrebt werden.1
Arthropathien gelten als größte Herausforderung im Management der Hämophilie.2 Auslöser der chronischen Gelenkschädigung sind besonders wiederholte Blutungen in dieselben Gelenke, so genannte Zielgelenke. Diese sind typischerweise Sprung-, Knie- und Ellbogengelenke. Wiederholte Einblutungen in Zielgelenke führen zu chronischen Schmerzen, funktionellen Beeinträchtigungen und Deformitäten, welche die Patienten in ihrer Lebensqualität spürbar einschränken.2 Allerdings zeichnet sich mit zunehmendem Alter des Patienten ein progredienter Verlauf der Gelenkschädigung ab, auch wenn im betroffenen Gelenk keine weiteren Blutungen mehr auftreten.3
Abb. 1: Pathophysiologie nach initialer Gelenkblutung.Modifiziert nach Gringeri et al.1
Abbildung 1 zeigt die Kaskade von pathophysiologischen Ereignissen, die durch Gelenkblutungen ausgelöst werden und in einer Arthrophathie mit Invalidität enden können.1
Mit dem Ziel, Blutungen zu minimieren, hat sich die Prophylaxe bereits als Goldstandard etabliert.3 Zahlreiche Studien zeigen, dass eine prophylaktische Behandlung im Vergleich zur Bedarfstherapie (On-demand Therapie) eine signifikante Reduktion der Blutungshäufigkeit und demzufolge weniger Schmerzen und Gelenkschäden ermöglicht.4 In den letzten Jahren häufen sich Expertenstimmen, die sich statt einer Blutungsreduktion für eine vollständige Blutungsfreiheit („Zero Bleeds“) aussprechen.1
Von großer Relevanz für die effektive Prävention einer Arthropathie ist der frühzeitige Beginn einer Prophylaxe, möglichst vor dem Auftreten der ersten Gelenkblutung. Dies verdeutlicht eine Studie, die das Ausmaß der Gelenkschädigung in Abhängigkeit von Alter der Patienten und Beginn der Prophylaxe untersuchte.5 Wird die Prophylaxe vor Eintritt der 1. Gelenkblutung initiiert, ist die Schädigung ab einem Alter von 40 Jahren weitaus geringer als nach Einsetzen der ersten oder mehrerer Blutungen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Prognostizierter Pettersson-Score zur radiologischen Bewertung der Gelenkschädigung in Abhängigkeit von Patientenalter und Beginn der Prophylaxe. Beginnt diese vor Eintritt der 1. Gelenkblutung, ist die Schädigung ab einem Alter von 40 Jahren weitaus geringer als nach Einsetzen der ersten Blutung. Modifiziert nach Nijdam et al.5
Der frühe Beginn und die konsequente Umsetzung einer Prophylaxe sind essenziell, um Gelenkblutungen effektiv zu verhindern und dadurch die Gelenkgesundheit und somit die Lebensqualität von Hämophilie-Patienten langfristig zu bewahren.1,3,5
Trotz intensiver Prophylaxe entwickeln viele Hämophilie-Patienten unter herkömmlichen Faktor-Präparaten bereits zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr Arthropathien.3 Große Hoffnung setzt man in stärker auf die einzelnen Patienten angepasste Therapieregime, bei denen neben der individuellen Blutungsrate des Patienten auch der Zustand des muskuloskelettalen Systems, der Grad der körperlichen Fitness sowie die Pharmakokinetik des substituierten Gerinnungsfaktors berücksichtigt werden.3 Moderne Gerinnungsfaktoren mit verlängerter Halbwertszeit können beispielsweise höhere Faktorspiegel über einen längeren Zeitraum erreichen und bieten einen hohen Blutungsschutz, auch bei einer reduzierten Injektionsfrequenz.6,7
Darüber hinaus hilft regelmäßige körperliche Aktivität erwiesenermaßen, Gelenkschäden vorzubeugen und die Gelenkgesundheit bei Hämophilie-Patienten zu erhalten und zu verbessern.
Quellen:
1. Gringeri et al. The burden of bleeding in haemophilia: is one bleed too many? Haemophilia (2014), 20, 459–463
2. Pasi K. J. et al. Long-term impact of rFVIIIFc prophylaxis in pediatric, adolescent, and adult subjects with target joints and severe hemophilia A. Poster: International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) Annual Congress, July 8–13, 2017, Berlin, Germany
3. Oldenburg, J. Optimal treatment strategies for hemophilia: achievements and limitations of current prophylactic regimens. Blood. 2015 Mar 26;125 (13): 2038-44.
4. Oldenburg J, et al. Cross-sectional MRI study investigators. Controlled, cross-sectional MRI evaluation of joint status in severe haemophilia A patients treated with prophylaxis vs. on demand.Haemophilia. 2015; 21(2):171-9
5. Nijdam A. et al. Long-term effects of joint bleeding before starting prophylaxis in severe haemophilia. Haemophilia (2016), 22, 852–858
6. Powell J.S. et al. Phase 3 Study of Recombinant Factor IX Fc Fusion Protein inHemophilia B. N Engl J Med 2013; 369:2313-2323
7. Mahlangu J, et al., Phase 3 study of recombinant factor VIII Fc fusion protein in severehemophilia A, Blood. 2014; 123 (3): 317–325
8. Niu, X, et al. Physical activity and health outcomes in persons with haemophilia B. Haemophilia (2014), 20, 814–821
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