Als Heidelberger Wissenschaftler im Februar einen angeblich marktfähigen Bluttest für Brustkrebs vorstellten, blieb die Fachwelt kritisch. Zu Recht, wie sich inzwischen herausstellte. Und die negativen Schlagzeilen reißen nicht ab: Mobbing, Ideenklau – und jetzt eine Strafanzeige.
Als das Universitätsklinikum Heidelberg und die HeiScreen GmbH am 21. Februar die Entwicklung eines Bluttests zur Ergänzung der Brustkrebsdiagnostik bekannt gaben, war von einem medizinischen „Meilenstein“ die Rede. Durch Biomarker ließen sich bei dem schonenden Eingriff auch kleinste Tumore erkennen. Die betroffenen Patientinnen würden weniger Belastung durch Schmerzen oder Strahlung erfahren, heißt es in der Pressemitteilung der Uniklinik, die nach wie vor auch auf der Website der beteiligten Firma HeiScreen heruntergeladen werden kann.
Während die Heidelberger Wissenschaftler euphorisch waren, blieben andere vorsichtig. Zu viele Unsicherheiten im Verfahren, keine wissenschaftlich publizierte Studie und zu wenige Probandinnen, befand zum Beispiel Klaus Pantel, Experte für Flüssigbiopsie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Auch Petra Brandt, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, war von der Art der Veröffentlichung irritiert: „Ich war von Anfang an skeptisch, da mir alles viel zu schnell ging. Normalerweise bekommt man die Anfänge einer solch ‚bahnbrechenden’ Neuerung in gängigen Fachzeitschriften mit, aber diesmal kam gleich so ein fast fertiges Projekt an die Öffentlichkeit – das hat mich stutzig gemacht.“
Und die Kritiker behielten recht: Gut einen Monat später veröffentlichte die Heidelberger Uniklinik eine weitere Stellungnahme zum Test – und eine Entschuldigung. Denn die reißerische PR-Kampagne ließ bei vielen den Eindruck entstehen, die neue Form der Brustkrebsdiagnostik sei bereits verfügbar.
„Mich haben auch einige Patientinnen sehr hoffnungsvoll darauf angesprochen und ich habe immer erwidert: Erst einmal abwarten, das geht mir alles zu schnell“, berichtet unter anderem Gynäkologin Brandt aus ihrem Praxisalltag. Die angeblich noch für dieses Jahr geplante Markteinführung gelte mittlerweile als utopisch, die hohe Fehlerquote des Verfahrens sei heruntergespielt worden, schreibt dazu der Spiegel.
Auch ein schwerer Interessenkonflikt kam zutage. Denn Prof. Christof Sohn, Ärtzlicher Direktor der Uniklinik Heidelberg, und Prof. Sarah Schott, Sektionsleiterin Translationale Frauenheilkunde und Leiterin für Familiäre Krebserkrankungen, sind finanziell an HeiScreen, einer Ausgründung der Uniklinik, beteiligt. Die Firma soll den von den beiden Medizinern präsentierten Bluttest vermarkten.
Die Uniklinik äußerte sich in ihrer Stellungnahme dazu ebenfalls: „Wir bekennen uns zu der Aufgabe, die Erkenntnisse aus der Forschung in die klinische Anwendung zu übertragen und dazu Ausgründungen zu tätigen. In diesen Kontext gehören auch der Bluttest und die Gründung der HeiScreen GmbH.“ Dies sei eine Erweiterung traditioneller Aufgaben des Klinikums, heißt es dort weiter.
Das Problem: „Wenn aus wirtschaftlichen Interessen unüberprüfbare Ergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben und damit ungerechtfertigte Erwartungen geweckt werden, wirft das einen Schatten auf das Image der Forschung“, so Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, im Tagesspiegel. Wirtschaftliche Interessen werden damit über das Patientenwohl gestellt.
Unterdessen könnte die tatsächliche Entwicklerin des Bluttests von den Erlösen ihrer eigenen Erfindung ausgeschlossen werden. Dr. Rongxi Yang, eine preisgekrönte junge Krebsforscherin, arbeitete seit 2010 an dem Projekt. Im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung schilderte sie, wie sie aus dem Klinikum gemobbt wurde: „Meine Zugangskarte zum Labor und meinem Büro wurde deaktiviert. Ich bekam ein isoliertes Büro, meine Teamkollegen wurden angewiesen, nicht mehr mit mir zu sprechen.“
Prof. Schott wurde überraschend ihre Vorgesetzte und kontrollierte sie mit stündlichen Anrufen. Gemeinsam mit Prof. Sohn präsentierte sie später den Bluttest, dessen Entdeckung Sohn für sich verbuchte. Yang verließ im Juni 2017 die Uniklinik, gemeinsam mit ihren Teamkollegen. Den skurrilen Ablauf ihres Ausscheidens kann sie auch mit E-Mail-Protokollen belegen.
Das Ganze wirft kein gutes Licht auf die Uniklinik Heidelberg. Fast wirkt es wie eine Verzweiflungstat, dass sie jetzt Strafanzeige gegen unbekannt stellt. Dort heißt es: „Als öffentliche Einrichtung sieht sich das Universitätsklinikum aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung des potentiellen Bluttests zur Brustkrebsdiagnostik, der am 21. Februar der wissenschaftlichen Fachwelt und Öffentlichkeit vorgestellt worden war, zu diesem Schritt veranlasst. Die Entscheidung über die Aufnahme von Ermittlungen obliegt nun der Staatsanwaltschaft.“
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg habe mit Vorermittlungen begonnen und befrage ab nächster Woche Beschäftigte der Uniklinik, so Pressesprecher Tim Haaf im Tagesspiegel. Wenn klar ist, ob eine Straftat begangen wurde und wenn ja, wer dafür verantwortlich ist, werde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
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