Noch in diesem Jahr soll der erste zuverlässige Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs auf den Markt kommen, verkünden Heidelberger Wissenschaftler. Während die Erfinder von einem „Meilenstein“ sprechen, äußert sich die Fachwelt kritisch.
Ein neues Verfahren, das mit Hilfe eines Bluttests die Erkennung von Brustkrebs verbessern kann, soll noch in diesem Jahr die Marktreife erlangen. Das schreibt das Universitätsklinikums Heidelberg in einer Pressemitteilung. Auf Basis eines innovativen Liquid Biopsy-Verfahrens sei es möglich, die Erkrankung nicht-invasiv zu diagnostizieren.
Das neue Verfahren soll eine Krebserkrankung anhand von Biomarkern erkennen und somit das Diagnosespektrum optischer Diagnoseverfahren wie Mammografie, Ultraschall oder MRT erweitern. Im Blut von an Brustkrebs erkrankten Frauen konnten 15 verschiedene Biomarker (miRNA und Methylierungsmarker) identifiziert werden, mit deren Hilfe auch kleine Tumore nachweisbar sind, heißt es.
„Der von unserem Forscherteam entwickelte Bluttest ist eine neue, revolutionäre Möglichkeit, eine Krebserkrankung in der Brust nicht-invasiv und schnell anhand von Biomarkern im Blut zu erkennen“, sagt Prof. Dr. Christof Sohn, Geschäftsführender Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. „Das neue blutbasierte Verfahren ist deutlich weniger belastend für Frauen, weil es weder schmerzhaft ist noch mit einer Strahlenbelastung einhergeht“, so Prof. Dr. Sarah Schott, Leiterin für Familiäre Krebserkrankungen an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.
Kohortenstudien als Grundlage für Produktentwicklung
2016 wurde das dem Test zugrunde liegende Verfahren als Patent angemeldet. Seitdem sei das Verfahren verfestigt, weiterentwickelt und die Genauigkeit in diversen Untersuchungen bestätigt worden. Details zu den Studienergebnissen sind hier nachzulesen.Fachwelt noch skeptisch
Während die Erfinder selbst von einem „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ sprechen, haben sich mittlerweile einige Experten kritisch zu dem neuen Bluttest geäußert.
„Das ist sicherlich ein spannender Ansatz“, sagt Klaus Pantel vom Hamburger UKE, ein Experte für Flüssigbiopsie. Was ihn allerdings skeptisch macht: Die Heidelberger Kollegen haben ihre Arbeit bisher nur bei einem Kongress präsentiert, eine wissenschaftliche Studie wurde noch nicht publiziert. Laut Sohn haben die Heidelberger bisher aus patentrechtlichen Gründen keine Arbeiten veröffentlicht, dies wollen sie nun schnell nachholen.
Auch Ingrid Mühlhauser, Vorsorge-Expertin aus Hamburg, steht einer übermäßigen Euphorie kritisch gegenüber. „Es ist überhaupt nicht möglich, etwas zu überprüfen“, sagt sie. Die Wissenschaftler nennen eine Sensitivität des Tests von 75 Prozent, was in ihren Augen eine nur mäßige Quote ist. „Das Verstörende an der Geschichte ist ja, dass es keine seriöse Publikation dazu gibt“, so Mühlhauser. Der Nutzen des Tests und etwaige Vorteile für Frauen konnten in Studien bislang nicht bewiesen werden, was auch Entwickler Sohn in seinem Kongressbeitrag einräumt.
Zweifel an Einsatz in der Praxis
Der Bluttest „ist noch nicht in großem Stil einsetzbar“, sagt Tanja Fehm, Direktorin der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf. Sie zweifelt an einem routinemäßigen Einsatz des neuen Verfahrens. Es seien Tests an weitaus mehr Frauen nötig, weshalb keine falschen Hoffnung gemacht werden sollten. Der Freiburger Onkologe Prof Robert Zeiser hält die Ergebnisse für sehr vielversprechend. Er rät aber, den weiteren Verlauf der Studie abzuwarten, bis sie tatsächlich abgeschlossen ist und genauere Ausagen zur Zuverlässigekeit des Bluttests gemacht werden können.