Monsanto gerät zunehmend unter Druck: Roundup, das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel, war ein erheblicher Faktor bei der Entstehung der Krebserkrankung des Klägers. So entschieden gestern die Geschworenen des Gerichts von San Francisco. Wie argumentiert die Gegenseite?
Vor wenigen Stunden kam es in San Francisco zu einem Gerichtsurteil, das eine bedeutende Rolle in der Glyphosat-Debatte spielen wird. Ein Mann verklagte Monsanto, das Tochterunternehmen des Pharmakonzerns Bayer. Das Arbeiten mit dem Unkrautvernichter Roundup habe bei ihm zur Erkrankung am Non-Hodgkin-Lymphom geführt.
Richter Vince Chhabria stellte die Frage, ob Roundup einen „erheblichen Faktor“ („substantial factor“) für die Entstehung der Krebserkrankung des Klägers darstelle. Die sechs Geschworenen kamen zu folgender Überzeugung: Ja, Glyphosat ist mitschuld an der Krebserkrankung von Edwin Hardeman, dem Kläger. Mit diesem Votum geht der Prozess vor derselben Jury in seine zweite Phase, in der es um die Frage der Verantwortlichkeit des Konzerns und um eventuelle Schadenersatzansprüche geht. Musste zunächst geklärt werden, ob Roundup tatsächlich die Krankheit verursacht hat, wird nun darüber verhandelt, ob Monsanto über Risiken hinwegtäuschte und wie hoch der mögliche Schadenersatz ausfallen könnte.
Einem NBC-Bericht zufolge habe der 70-jährige Hardeman seit 1986 mit dem Unkrautvernichtungsmittel Roundup gearbeitet. Mehr als 300 Mal soll er es in diesem Zeitraum verwendet haben, so Hardemans Anwältinnen Aimee Wagstaff und Jennifer Moore. Im Jahr 2015 wurde bei ihm schließlich das Non-Hodgkins-Lymphon diagnostiziert, wie die New York Times schrieb.
„Niemand kann die Ursache nennen“, sagte Bayer-Anwalt Brian Stekloff in seinem Abschlussstatement vor Gericht in Hinsicht auf Hardemans Erkrankung, berichtete Reuters. Des Weiteren wies er darauf hin, dass auch andere Risikofaktoren zu berücksichtigen seien wie etwa das Alter des Klägers sowie seine Krankengeschichte, die eine Hepatitiserkrankung beinhaltet.
Es ist bereits der zweite Fall dieser Art. Schon im August des Vorjahres entschied das Gericht von San Francisco für den Kläger und gegen Monsanto. Der ehemalige Schulhausmeister Dewayne Johnson hatte ebenfalls regelmäßig Roundup verwendet und erkrankte am Non-Hodgkins-Lymphom. Von Monsanto erhielt er einen Entschädigungsbetrag von 78 Millionen Dollar.
Beim aktuellen Gerichtsfall handelt es sich um einen Bellwether-Fall. Das bedeutet, dass er für zukünftige Klagen als Musterfall dienen wird und somit als richtungsweisend gilt. Laut Moore könnte das Urteil Einfluss auf tausende ähnliche Fälle haben, etwa 11.200 Klagen gegen Monsanto sollen in Zusammenhang mit dem Unkrautvernichter derzeit existieren.
Heute beginnt die zweite Phase des Teilprozesses. Hardemans Anwältinnen werden argumentieren, dass Monsanto über die krebserregende Wirkung des Produkts Roundup Bescheid wissen hätte müssen: „Wir werden die Geschichte erzählen – was Monsanto wusste und seit wann“, sagte Anwältin Aimee Wagstaff in einem Telefoninterview mit NBC. Beide rechnen mit der Übernahme für sämtliche Behandlungskosten sowie der Auszahlung einer nicht genannten Entschädigungssumme seitens Monsanto.
Was den weiteren Verlauf des Gerichtsfalls betrifft, geben sich beide Parteien als zuversichtlich. „Wir sind sicher, dass die Geschworenen, sobald sie alle Beweise kennen, sehen, dass Monsanto sich 40 Jahre lang gesetzeswidrig verhalten hat“, wird Moore in der NYT zitiert.
Stellungnahme von Bayer auf Twitter
Doch auch die Gegenpartei gibt sich selbstsicher. Auf der US-amerikanischen Website veröffentlichte der Pharmariese gestern ein offizielles Statement. „Wir sind zuversichtlich, dass die Beweise in der zweiten Phase zeigen werden, dass Monsantos Handeln angemessen war und das Unternehmen nicht verantwortlich für Mr. Hardemans Krebs ist,“ heißt es unter anderem in der Pressemitteilung.
Wie schädlich Glyphosat tatsächlich für die menschliche Gesundheit ist, lässt sich nicht konkret beantworten. Nach wie vor ist die Datenlage uneindeutig, die Formulierungen vorsichtig. So stuft etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Evaluierung Glyphosat als „vermutlich krebserregend“ („probably carcinogenic to humans“) ein. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Metaanalyse lieferte weitere Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Glyphosat-Expositionen und einem erhöhten Risiko, am Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken (wir berichteten).
„Wir empfinden alle Mitgefühl mit Mr. Johnson“, sagte Monsanto-Vizepräsident Scott Partridge damals in Bezug auf den Gerichtsfall im Vorjahr. „Es ist natürlich, dass er nach Antworten sucht. Gyphosat ist nicht die Antwort.“ Ob sich Monsanto Aussagen wie diese in naher Zukunft noch leisten kann, ist fraglich.
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