Eine Frau stellt sich mit einem geschwollenen linken Auge in der Notaufnahme vor. Die 36-Jährige leidet zudem an starken einseitigen Kopfschmerzen, die gleichzeitig mit Nasenbluten einsetzten. Alles deutet auf eine Verletzung durch Gewalteinwirkung hin – oder doch nicht?
Eine Frau blutet plötzlich ohne erkennbare Ursache aus der Nase. Zwar verschwindet die Epistaxis wieder von selbst, doch als wenig später linksseitige Kopfschmerzen einsetzen, ist die 36-Jährige beunruhigt. Der Schmerz strahlt sogar bis in den linken Arm aus. Als gleichzeitig ihr linkes Auge anschwillt, entschließt sie sich dazu, in die Notaufnahme zu fahren.
Bei der körperlichen Untersuchung stellen die Ärzte fest, dass die Sehschärfe im linken Auge nicht beeinträchtigt ist. Auch Augenbewegung und Pupillenreflex sind normal. Die Patientin klagt weder über Photophobie, noch über Schmerzen im Nacken oder in der Brust.
Knochenbruch und Luftansammlung
Als der Arzt den infraorbitalen Rand des linken Auges abtastet, kann er eine Krepitation wahrnehmen, die auf eine Knochenschädigung in diesem Bereich hinweist. Im CT bestätigt sich der Verdacht des Arztes – die Aufnahmen zeigen eine Fraktur der Lamina papyracea der medialen linken Orbitawand. Das ist die dünne Wand zwischen Augenhöhle (Orbita) und Siebbein (Os ethmoidale). Dabei scheint extrakonales Fettgewebe in die Siebbeinzellen eingedrungen zu sein. Zudem liegt ein Orbitaemphysem vor, eine Luftansammlung in der Augenhöhle. Die extraokulären Muskeln, die Sehnerven und die Augen selbst sind unauffällig.
Normalerweise entstehen Orbitafrakturen durch Traumata, für mögliche Gewalteinwirkungen gibt es aber keine äußerlichen Anzeichen. Als möglicher Auslöser kommen auch plötzliche Veränderungen des Umgebungsdrucks in Frage. Sogenannte Barotraumata der Lunge oder des Mittelohrs können beispielsweise durch Tauchen oder Fliegen ausgelöst werden.
Fragile Nebenhöhlen
Laut Patientin ist an diesem Tag auch nichts ungewöhnliches passiert. Die Ärzte haken nochmal nach und erfahren, dass ihre Nase zu bluten begann, nachdem sie sich kräftig schnäuzte.
Da es keine andere Erklärung gibt, spekulieren die Ärzte, dass das Schnäuzen für die Fraktur verantwortlich ist. Der dabei entstehende Überdruck in den Nasennebenhöhlen hat anscheinend die Lamina papyracea durchbrochen. Ungewöhnlich ist allerdings, dass nicht der Orbitaboden betroffen ist, der bei Überdruck für gewöhnlich eher nachgibt als die Lamina papyracea. (siehe Blow-out-Fraktur)
Die Patientin wird angewiesen, sich nicht die Nase zu schnäuzen, nicht zu rauchen und ein Antibiotikum sowie Schmerzmittel einzunehmen. Von einer operativen Behandlung sehen die Mediziner ab, da ein Orbitaemphysem sowie die Fraktur üblicherweise spontan ausheilen. Beim Kontrolltermin drei Wochen später hat die Patientin keine Schmerzen oder Schwellungen mehr. Auch Nasenbluten trat nach ihrem ersten Besuch in der Notaufnahme nicht mehr auf.
Quelle:Orbital blowout fracture from nose blowing. Meyers S, Bell D. BMJ Case Reports. doi: 10.1136/bcr-2018-224633; 2018
Artikel von Anke Hörster