Während des Frühstücks wird ein 47-jähriger Mann plötzlich von massiven bilateralen Ohrenschmerzen heimgesucht. Die Beschwerden kommen aus dem Nichts – und sind unheilvolle Vorboten.
Der Mann hat keine Anzeichen für einen Infekt. Darüber hinaus merkt er weder Ohrgeräusche, Hörverlust noch Schwindel und hat keine anderen Vorerkrankungen von Hals, Nase oder Ohren. Eine Stunde lang verändert sich nichts, doch bei Einnahme seiner täglichen Herzmedikamente lassen die Schmerzen unerwartet nach. Der Mann sucht daraufhin besorgt eine Notaufnahme auf.
Vorgeschichte macht hellhörig
Seit vielen Jahren leidet er unter arterieller Hypertonie, in der Vergangenheit hatte er bereits zwei Herzinfarkte. Er zeigt keine typischen kardialen Symptome wie Brustschmerz, Atemnot, Übelkeit, Blässe oder Kaltschweiß. Dennoch werden die Ärzte bei seiner Vorgeschichte und der beschriebenen Wirkung ß-Blockern und Aspirin hellhörig.
Die otoskopische Untersuchung ist unauffällig. Der Patient ist hämodynamisch stabil, seine Herzfrequenz ist regelmäßig und die Herztöne rein und rhythmisch. Im EKG zeigt sich ein normofrequenter Sinusrhythmus mit tiefen Q-Zacken in den inferioren Ableitungen und unspezifischen ST-Veränderungen in den lateralen Ableitungen.
Journal of Investigative Medicine High Impact Case Reports
Geduldige werden belohnt
Im Labor zeigen sich jedoch keine Auffälligkeiten, weder Troponin noch Entzündungswerte sind erhöht. Trotzdem nehmen die Ärzte den Patienten stationär auf. Die Vorsicht zahlt sich 24 Stunden später aus, als die Herzfrequenz des Patienten auf 48 Schläge pro Minute abfällt und der Troponin-Wert im Serum bis auf 20 mg/mL steigt. Obwohl im EKG nach wie vor keine ST-Hebung zu erkennen ist, wird der Patient aufgrund des massiven Troponinanstiegs ins Herzkatheterlabor gebracht. Die Darstellung der Koronararterien zeigt den Verschluss zweier Äste des Ramus circumflexus, welche mit zwei Stents versorgt werden. Hierdurch normalisiert sich nicht nur die Herzfrequenz, auch die Ohrenschmerzen des Patienten nehmen unmittelbar ab.
Einen Tag später ist er völlig beschwerdefrei und kann kurze Zeit darauf entlassen werden. In ihrem Bericht erklären die behandelnden Ärzte, die Ohrenschmerzen des Patienten seien wahrscheinlich mit einer Reizung des Nervus vagus zu erklären, welcher sowohl das Herz als auch den äußeren Gehörgang innerviert. Sie mahnen bei Patienten mit kardialer Vorgeschichte zu extremer Wachsamkeit – auch bei kardial untypischen Beschwerden.
Quelle:
Myocardial Infarction Presenting as Ear Fullness and Pain, Israel Ugalde et al., Journal of Investigative Medicine High Impact Case Reports, doi: 10.1177/2324709618761753