Viele Paare bleiben ungewollt kinderlos, weil es nicht gelingt, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. In diesem milliardenschweren Markt tummeln sich Ärzte, Apotheker und pharmazeutische Hersteller. Neu im Angebot sind Transplantationen der Gebärmutter.
Die meisten Paare in Deutschland wünschen sich Nachwuchs. Doch rund zwei Millionen bleiben über Jahre hinweg ungewollt kinderlos. Inzwischen gibt es viele Möglichkeiten nachzuhelfen – da hat sich ein riesiger Markt etabliert. Ärzte, Apotheker und pharmazeutische Hersteller wollen den Wunsch nach einem Kind möglich machen und gleichzeitig ein Stück vom großen Kuchen abbekommen.
Dazu ein paar Details. Gesetzliche Versicherte haben nach Paragraph 27a SGB V einen Anspruch darauf, dass sich ihre Kasse an „Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft“ beteiligt. GKVen übernehmen im Regelfall 50 Prozent der Therapie- und Medikamentenkosten für drei Zyklen einer In-vitro-Fertilisation oder einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion. Grafik: Kinderwunsch am Beispiel von Akademikern. Quelle: Statista, Screenshot: DocCheck Rund 130 Kinderwunschkliniken profitieren vom Traum, doch noch eine Familie zu gründen. Sie erwirtschaften schätzungsweise 300 Millionen Euro pro Jahr. Im pharmazeutischen Bereich gilt Merck als Platzhirsch. „Mit Gonal-f®, dem führenden rekombinanten Hormonpräparat zur Behandlung von Unfruchtbarkeit, erzielte der Unternehmensbereich Healthcare im Geschäftsjahr 2015 ein organisches Umsatzwachstum von 3,7 Prozent“, heißt es im Geschäftsbericht. Die Umsätze wuchsen von 628 auf 685 Millionen Euro. Nicht jedes Angebot hält seriösen Überprüfungen stand. „Der Traum vom eigenen Kind kann wahr werden nach einer Behandlung mit unserem alpinen Bergkiefern-Hochmoor“, wirbt ein Kurbad. Und Heilpraktiker setzen auf die traditionelle chinesische Medizin (TCM), auf Homöopathie oder Yoga. Je größer der Kinderwunsch, desto tiefer greifen Paare in die eigene Tasche. Jetzt haben Chirurgen die Gunst der Stunde für sich entdeckt.
Im September 2012 transplantierten schwedische Spezialisten nach jahrelangen Vorarbeiten den ersten Uterus. Dass die Methode generell funktioniert, führen sie auf Tierversuche zurück. Da in ihrem Heimatland keine Experimente mit Primaten erlaubt werden, reisten Ärzte fast 20 Mal nach Nairobi. Professor Dr. Mats Brännström von der Universität Göteborg zeigte, dass Eingriffe auch bei Menschen funktionieren. Eine Mutter spendete ihrer Tochter das begehrte Organ. Brännströms Patientin wurde schließlich per IVF schwanger. Alles verlief problemlos, und im September 2014 kam ein gesunder Junge per Kaiserschnitt zur Welt. Brännström hat bei seiner Pilotstudie insgesamt neun Frauen operiert. Die Organe kamen von lebenden Familienmitgliedern, meist von Müttern. Der Forscher sah sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Es geht nicht nur um die erfolgreiche Integration in den Körper. Bei der Schwangerschaft muss das Organ allen Belastungen standhalten. Organe von Spenderinnen, die bereits einen Kaiserschnitt hinter sich haben, sind nicht unbedingt geeignet. Sollten Paare lediglich ein Kind wollen, rät der Experte zur Entfernung bald nach der Geburt, um möglichst kurz Immunsuppressiva zu verabreichen. Bei zwei Teilnehmerinnen musste er das Transplantat aufgrund von Abstoßungsreaktionen noch vor der Schwangerschaft entfernen.
Kurze Zeit später erklärte Professor Dr. Matthias Beckmann aus Erlangen, er wolle das Verfahren in Deutschland etablieren. Beckmann rechnet damit, dass 4.000 Frauen pro Jahr ohne Gebärmutter beziehungsweise mit starken Fehlbildungen zur Welt kommen oder ihr Organ aus unterschiedlichen Gründen verlieren. Dazu gehören maligne Erkrankungen, Strahlentherapien, Infektionen oder Unfälle. Die absolute uterine Infertilität betrifft drei bis fünf Prozent aller Frauen. Wie viele von ihnen tatsächlich Interesse am Eingriff haben und welchen Beitrag GKVen vielleicht erstatten, bleibt abzuwarten. Schließlich war es soweit. Ein multidisziplinäres Team des Universitätsklinikums Tübingen und des Universitätsklinikums Göteborg führte die deutschlandweit erste OP durch. Ihre 23-jährige Patientin leidet am Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom mit Uterus- und Vaginalaplasie. In einem früheren Eingriff war der Patientin 2009 eine Scheide angelegt worden. Die mehrstündige Transplantation der Gebärmutter verlief komplikationslos. Verheilten nun auch die Operationsnarben nach dem Eingriff, könnte die Patientin in einem Jahr schwanger werden, so ihre Ärzte. Dafür wollen ihr Reproduktionsmediziner eine mit dem Sperma ihres Mannes befruchtete Eizelle einsetzen, die sie ihr bereits entnommen haben mit dem Sperma ihres Mannes befruchtete und tiefgefrorene Eizelle einsetzen.
Doch die Möglichkeiten gehen noch weiter. Forschern der Uni Wien ist die erste allogene Eierstocktransplantation im Tierexperiment gelungen. Zur Immunsuppression setzten sie den preimplantation factor (PIF) ein. Bei einem von zwei weiblichen Pavianen sprang der Zyklus wieder an. Dr. Michael Feichtinger, Erstautor der Studie, hofft bereits auf Einsatzmöglichkeiten bei Frauen mit früher Menopause. Kritiker werfen Ärzten schon jetzt vor, sie würden ohne medizinische Not Eingriffe durchführen. Matthias Beckmann sieht das anders. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung verweist er auf die psychische Belastung, sollten Frauen keine Kinder bekommen können. Leihmutterschaft oder Eizellspenden sind in Deutschland nicht möglich. „Wir als Gesellschaft drängen die Frauen dazu, ins Ausland zu gehen, wo sie medizinisch oft schlechter versorgt werden“, sagt der Arzt. Er hofft, künftig einem Teil der Betroffenen in Deutschland helfen zu können.