Auf den ersten Blick erscheinen Angst und Sucht als zwei unterschiedliche Krankheitsbilder. Allerdings gibt es in vielen Fällen einen Zusammenhang. Es ist wichtig, diesen zu erkennen, um eine psychische Erkrankung ganzheitlich zu behandeln und dadurch das Rückfallrisiko zu verringern. Aber auch präventiv ist die Aufklärung sinnvoll, denn so lässt sich vielleicht noch verhindern, dass sich bei dir durch eine Angststörung zusätzlich eine Sucht entwickelt – oder umgekehrt. Hier daher die wichtigsten Infos, ob und wie die beiden Krankheitsbilder zusammenhängen.
Warum können Ängste und Süchte zusammenhängen?
Eine Sucht und eine Angststörung hängen nicht zwangsweise zusammen, sie können aber miteinander einhergehen oder die eine Erkrankung folgt auf die andere. Denn die möglichen Ursachen für beide Krankheitsbilder überschneiden sich und somit sind Personen mit Angststörungen manchmal auch anfälliger für eine Suchterkrankung oder umgekehrt. Zu diesen Ursachen gehören beispielsweise Kindheitstraumata, psychischer Stress oder genetische Veranlagungen. Auch neurobiologische Faktoren spielen bei der Entwicklung entsprechender Störbilder häufig eine Rolle – und auch sie können gleichermaßen eine Suchterkrankung sowie eine Angststörung hervorrufen. Zu diesen neurobiologischen Faktoren gehören zum Beispiel gewisse Neurotransmitter im Gehirn, genauer gesagt im Belohnungssystem, die sowohl bei der Entwicklung von Süchten als auch bei Angststörungen eine wichtige Rolle spielen.
Manchmal bedingen sich die beiden psychischen Erkrankungen sogar gegenseitig. Einfach ausgedrückt: Eine Angststörung kann direkt durch eine Sucht ausgelöst werden oder sie ist zuerst da und führt in eine Sucht, weil die Angst beispielsweise mit Alkohol oder Medikamenten gelöst werden soll – bis sie zur Sucht geworden sind. Wenn also ein potenzielles Suchtmittel bei einer Angsterkrankung als kurzfristige Lösung beziehungsweise Erleichterung erlebt wird, ist die Gefahr, dass sich daraus eine Sucht entwickelt, relativ hoch. Andersherum führt eine Sucht oft zu Ängsten, wie die Angst vor Entzugssymptomen oder einem Verlust des Suchtmittels und des damit einhergehenden, wohltuenden Gefühls. Falls du also bereits unter einer der beiden Problematiken leidest oder weißt, dass du eine Veranlagung zu solchen Erkrankungen hast, ist besondere Vorsicht geboten. Ebenso gilt es natürlich, die Augen offenzuhalten und dich kritisch zu hinterfragen, ob du vielleicht bereits unter einer solchen Begleiterkrankung leidest, die mit behandelt werden muss.
Eine Sucht erkennen: die Warnzeichen
Eine Sucht kann verschiedene Formen annehmen. Sie kann an eine Substanz gebunden sein, an das sogenannte Suchtmittel, oder es handelt sich um eine Verhaltenssucht. Typische Beispiele für eine solche Sucht nach einem gewissen Verhalten sind Essstörungen, eine Computerspielsucht, Arbeitssucht, Sexsucht oder eine Sucht nach Glücksspiel. Letztere ist ein hervorragendes Beispiel, um die Entwicklung einer Sucht zu veranschaulichen: Viele Menschen können regelmäßig Glücksspiel betreiben, ohne danach süchtig zu werden. Sie können also jederzeit aufhören, ohne Entzugserscheinungen zu erleiden. Allerdings gibt es die Gefahr, dass mit der Zeit immer häufiger gespielt wird und sich die Einsätze erhöhen – stets in der Hoffnung auf den großen Gewinn, um das bereits investierte Geld zurückzuerhalten. Zudem entwickelt sich eine Toleranz, sprich das Glücksspiel muss immer exzessiver betrieben werden, um noch die gewünschte Aufregung zu spüren, sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht.
Im nächsten Stadium tritt ein Kontrollverlust ein, sprich das Aufhören fällt schwer und es machen sich erste Entzugserscheinungen bemerkbar. Wer die Glücksspielsucht in diesem Stadium erkennt, kann sie gegebenenfalls noch ohne professionelle Hilfe stoppen. Es lohnt sich deshalb, das eigene Spielverhalten aufmerksam zu beobachten, dich zu fragen, ob dein Spielverhalten noch normal ist oder bereits Anzeichen für eine Sucht zeigt und ob du regelrechte Angst hast, nicht mehr spielen zu können. Im Zweifelsfall lohnt sich der Austausch in speziellen Foren mit Gleichgesinnten, die ähnliche Fragen oder Erfahrungen haben – dann kannst du das Glücksspiel noch vernünftig und damit risikofrei betreiben.
Verpasst du diesen Punkt zur Intervention jedoch oder merkst durch die Selbstreflexion sowie den Austausch mit anderen Spielern, dass du bereits ein Suchtverhalten entwickelst, so ist schnelle Hilfe wichtig. Ansonsten entsteht ein vollständiger Kontrollverlust und in dessen Folge häufig auch eine Angststörung. Deine Gedanken beginnen nur noch um das Glücksspiel zu kreisen, es wird zum Mittelpunkt deines Lebens und es entstehen zunehmend soziale sowie finanzielle, vielleicht sogar rechtliche Probleme. Dadurch tritt ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit ein, häufig kommt es auch zu Depressionen und eben Angstzuständen. Ein ähnlicher Kreislauf lässt sich bei jeder anderen Art der Sucht beobachten.
Ängste und Süchte immer gemeinsam behandeln
Sobald also Ängste in Folge einer Sucht auftreten, hat sie bereits ein spätes Stadium erreicht und ist dringend behandlungsbedürftig. Deshalb ist es wichtig, im Rahmen einer Therapie beide Faktoren zu erkennen und zu behandeln, damit sie sich nicht gegenseitig an der Heilung hindern. Spätestens in der Therapie werden die Ärzte daher bei einer Sucht auch auf Anzeichen einer Angststörung achten und umgekehrt. Da dieses Zusammenspiel jedoch von Person zu Person verschieden sein kann, ist auch die Diagnose sowie Behandlung in vielen Fällen kompliziert. Es ist deshalb wichtig, dass du auch selbst ein Bewusstsein dafür entwickelst, auf entsprechende Warnzeichen zu achten und die Thematik in der Therapie offen anzusprechen, um größt- sowie schnellstmögliche Heilungserfolge zu erzielen.
Alarmsignale für eine Angststörung
Du weißt nun bereits, wie solche Warnsignale bei einer Sucht aussehen können, doch auch eine Angststörung gilt es frühzeitig zu erkennen – aus den soeben genannten Gründen. Erneut besteht hierbei die Herausforderung darin, ein normales Ausmaß an Ängsten von einer krankhaften Entwicklung zu unterscheiden und eine Angststörung somit frühzeitig zu erkennen, bevor sie sich verfestigt hat. Denn je länger und schwerwiegender sie besteht, desto schwieriger und langwieriger kann auch die Therapie sein. Achte deshalb auf folgende Warnsignale einer Angststörung, sei es begleitend zu einer Sucht oder als (noch) einzelne Problematik:
Du machst dir übermäßig Gedanken und Sorgen um eigentlich alltägliche Dinge, die einem normalerweise keine Angst machen – wie das Einkaufen im Supermarkt oder die Parkplatzsuche, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.
Das gedankliche Abschalten fällt dir schwer, du bist ruhelos und nervös. Eventuell leidest du unter Schlafstörungen, weil du dich nicht entspannen kannst.
Durch die kreisenden Gedanken und die Nervosität fällt es dir schwer, dich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Vielleicht hast du auch das Gefühl von „Gehirnnebel“, sprich es ist beinahe unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.
Deine Ängste wirken auf andere Menschen übertrieben oder sogar phobisch. Auch irrationale Gedanken treten immer häufiger auf, die katastrophale Szenarien kreieren, von denen du eigentlich selbst weißt, dass sie nicht realistisch sind – die deine Angst aber weiter verstärken.
Du leidest unter körperlichen Symptomen wie Bluthochdruck, Schwindel, Schweißausbrüchen, Magen-Darm-Beschwerden, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen oder einer tiefen Erschöpfung aufgrund der ständigen Anspannung.
Ein typisches Symptom einer Angststörung ist zudem das Vermeidungsverhalten, sprich du beginnst gewisse Situationen oder Aktivitäten aus Angst zu meiden, wodurch sich die Angst weiter verstärkt und du dich in deinem Alltag zunehmend einschränkst. Du gerätst in einen regelrechten Teufelskreis. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass eine Angststörung, ebenso wie eine Sucht, bei jedem Menschen ein individuelles Bild zeichnet und die genannten Symptome in verschiedener Konstellation sowie Schwere auftreten können.
Den Kreislauf durchbrechen – aber wie?
Bleibt nur die Frage offen, wie du den Teufelskreis aus Angst und Sucht durchbrechen kannst, falls du bereits eine Doppeldiagnose hast oder selbst vermutest. Wie du mittlerweile weißt, ist es wichtig, frühzeitig sowie mit professioneller Hilfe zu intervenieren. Gemeinsam wird dann bei einer substanzgebundenen Sucht eine Entgiftung sowie die gegebenenfalls notwendige medizinische Betreuung eingeleitet.
Wichtig ist außerdem, die Lebensgewohnheiten grundlegend zu ändern, sich ein unterstützendes soziales Netzwerk aufzubauen und gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie durchzuführen. Begleitend sind Maßnahmen wie Meditation und Achtsamkeit hilfreich, um wieder in eine Aufwärtsspirale zu kommen und dadurch die Sucht sowie Angst gleichermaßen abzubauen. Ist dies gelungen, so ist die Therapie jedoch nicht abgeschlossen, denn die Rückfallprävention ist für alle Menschen mit psychischen Erkrankungen essentiell, um die Erfolge dauerhaft zu bewahren und wieder ein normales, sprich sucht- und angstfreies Leben zu führen.