Der Begriff „französisches Paradoxon“ steht für die Tatsache, dass bei den Franzosen trotz fettreicher Ernährung das Risiko einer Herzerkrankung deutlich niedriger liegt als in anderen Ländern Europas. Der Grund dafür ist der Konsum von Rotwein, der einen hohen Gehalt an Antioxidantien aufweist – also Chemikalien, die bekanntlich vor einer Vielzahl von Krankheiten schützen, auch vor Herzerkrankungen und Krebs.
Jetzt wurden im Rahmen des Projekts PARADOX (French Paradox – red wine extract food additives) die gesundheitsfördernden Eigenschaften von Rotwein erfasst und in einen alkoholfreien Lebensmittelzusatz umgewandelt. Die Wirksamkeit der Substanz wurde in Laborversuchen und an Probanden nachgewiesen. Jetzt arbeitet man daran, den Zusatzstoff verschiedenen Produkten wie Müsliriegeln, Brot oder etwa Milchprodukten hinzuzufügen.
Am PARADOX-Projekt nahmen 16 Partner, darunter auch Winzer, Forschungslabors und Lebensmittelhersteller, aus neun EU-Mitgliedstaaten teil. Dem Geheimnis auf der Spur Dass Wein Heilkräfte haben könnte, ist nicht neu. Schon Hippokrates, der Vater der Medizin, empfahl verschiedene Weine zur Fiebersenkung und Wunddesinfektion. Im Jahre 1979 fanden britische Forscher in einer Studie heraus, dass die Anzahl der Herzerkrankungen in Ländern mit moderatem Weinkonsum unter dem Durchschnitt liegt. Rotwein verdankt seine gesundheitsfördernde Wirkung einem hohen Gehalt an starken Antioxidantien, wie beispielsweise Polyphenolen.
Umfangreiche Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass sich eine antioxidantienreiche Ernährung positiv auf die Gesundheit auswirkt. Antioxidantien spielen eine wichtige Rolle bei der Krankheitsvorbeugung, da sie freie Radikale zerstören, die unsere DNA und unsere Zellen beschädigen. Sie fördern die Gesundheit der Herzgefäße, indem sie den Cholesterinspiegel und den Blutdruck senken und dadurch Arteriosklerose, Herzinfarkten, Schlaganfällen und anderen Krankheiten vorbeugen.
Antioxidantien haben auch krebsvorbeugende Eigenschaften, schützen uns vor altersbedingter Neurodegeneration und stärken ein geschwächtes Immunsystem. Die PARADOX-Projektpartner hatten sich vorgenommen, die im Rotwein enthaltenen Antioxidantien zu identifizieren und zu isolieren. Das gewonnene Extrakt sollte dann in einen Nahrungsmittelzusatz mit akzeptablem Geschmack und langer Haltbarkeit umgewandelt werden. Der letzte Punkt war besonders wichtig, da viele bereits existierende antioxidativ wirkende Nahrungsmittelzusätze schnell ihre Wirksamkeit verlieren. Vom Abfallprodukt zum wertvollen Rohstoff Den Rohstoff für das PARADOX-Projekt bildete Traubentrester, also die Überreste an Schalen und Kernen, die beim Pressen der Trauben für die Weinherstellung anfallen. Bevor sich das PARADOX-Projekt dafür interessierte, war der Trester ein Abfallprodukt, und er wurde einfach weggeworfen. Allerdings besitzt er genauso wie der Wein einen hohen Gehalt an Antioxidantien.
Die Projektpartner haben untersucht, wie die Antioxidantien am besten aus dem Trester extrahiert werden können, sodass sich eine hohe Ausbeute erzielen lässt. Das gewonnene Extrakt wird getrocknet und heraus kommt ein Pulver, bei dem es sich um ein 100 %iges Konzentrat aus Polyphenolen und anderen gesundheitsfördernden Molekülen handelt. Analysen haben gezeigt, dass das Extrakt mehrere wichtige antioxidativ wirksame Verbindungen enthält darunter auch Tannine und viele Polyphenole wie Flavoide, von denen man annimmt, dass sie das Immunsystem stärken und den Körper vor bakteriellen Toxinen schützen. Das ebenfalls in dem Extrakt enthaltene Resveratrol ist wahrscheinlich der wichtigste Bestandteil, der dem Wein seine antikanzerogenen Eigenschaften verleiht. Labortests haben ergeben, dass das Extrakt oxidativen Stress in lebenden Zellen reduziert und das sogenannte ET-1-Enzym, das zur Zerstörung von Blutgefäßen beiträgt, unterdrückt. Die Substanz wirkt nachweislich auch wachstumshemmend auf Prostataund Brustkrebszelllinien.
Neue Technologien zum Schutz eines neuen Produkts Theoretisch hätte man das Extrakt in Pulverform direkt, so wie es ist, den Nahrungsmitteln zusetzen können. Wie andere antioxidantienreiche Traubenextrakte verliert aber auch das Tresterextrakt schnell seine positiven Eigenschaften, da die Antioxidantien während Verarbeitung, Transport und Lagerung der Oxidation ausgesetzt sind. Das PARADOX-Team entwickelte daher eine neue Mikroverkapselungstechnik, um ihr wertvolles Produkt vor Oxidation, Licht, Temperatur- und Druckstress zu schützen. Auf diese Weise ist die erzeugte Substanz länger haltbar als ähnliche Funktionsnahrung.
Die Forscher tauften ihr Produkt auf den Namen Paradox 41. Die Mikrokapseln sind winzig, ihr Durchmesser beträgt nur den Bruchteil eines Millimeters. Im Magen werden sie von den Verdauungssäften aufgelöst und die enthaltenen Antioxidantien werden freigesetzt. Das Verfahren für die Mikroverkapselung ist jetzt patentiert worden. Paradox 41 kann einer breiten Palette von Nahrungsmitteln und Getränken zugesetzt werden. Um seine Auswirkungen auf die Gesundheit bewerten zu können, führten die Partner zwei klinische Versuche an Probanden durch, denen zwei Wochen lang täglich Orangensaft mit mikroverkapseltem Tresterextrakt verabreicht wurde.
Am Ende dieses Zeitraums wurde bei den Probanden ein höherer Gehalt an Antioxidantien im Blut festgestellt. Das Produkt bietet Schutz vor vielen Krankheiten, die im Wesentlichen durch oxidativen Stress verursacht werden, wie beispielsweise Krebs und Herzkreislauferkrankungen. Paradox 41 ist jetzt auf dem Markt erhältlich. Es wird von dem Unternehmen und Koordinator von Paradox GAT Food Essentials unter dem Namen PARADOX PLY vermarktet. Nahrungsmittelhersteller können ihren Produkten PARADOX PLY zusetzen und auf diese Weise Funktionsnahrung mit einem klaren Mehrwert für die Verbraucher produzieren. Dadurch könnten schon bald alle Europäer von dem französischen Paradoxon profitieren, nicht nur die Rotweinliebhaber.
Quelle: Europäische Forschungs-Kommission