Was hält die Zukunft für angehende Mediziner bereit und kommt das Burnout mit dem Arbeitsvertrag? Im Vorfeld zum DGIM-Kongress steht Prof. Ulf Müller-Ladner Studis Rede und Antwort.
Transkript des Interviews mit Prof. Ulf Müller-Ladner zum Thema: Studis fragen – der DGIM-Chef antwortet. Es handelt es sich um eine 1:1-Abschrift des Gesprochenen im Video.
Maja Pignon: In diesem Jahr bekommt die junge DGIM während des DGIM-Kongresses einen größeren Gestaltungsraum. Auch wir wollen natürlich der jungen Generation eine Stimme geben und haben deshalb bei den Medstudenten unserer Community nachgefragt, was sie vom DGIM-Chef Professor Müller-Ladner wissen wollen. Schön, dass Sie da sind, Herr Professor.
Prof. Ulf Müller-Ladner: Sehr gerne.
Pignon: Zuerst einmal: Wie können wir Medizinstudenten eigentlich von der DGIM profitieren?
Müller-Ladner: Sie können auf vielfältige Weisen profitieren. Wir haben ein kleines All-inclusive-Paket über die vielen Jahre gebastelt. Das heißt, mit Eintritt ins Studium stehen entsprechende Plattformen zur Verfügung. Wir haben Nachwuchsakademien, wo man schon frühzeitig in die vielfältige Welt der Inneren Medizin eingebunden werden kann. Das reicht dann auch bis zur Mitarbeit, was natürlich gewünscht ist, bei der jungen DGIM. So kann man seine Zukunft in großen Teilen selbst oder zum Teil auch mitbestimmen – oder Impulse geben, die die Alten und Erfahrenen vielleicht manchmal ein bisschen übersehen oder vergessen. Also, sobald sie anfangen zu studieren bis zum Facharzt, helfen wir ihnen dabei, auch mit Beratung. Wenn es irgendwie schwierig wird oder wenn Wünsche bestehen, bestimmte Adressen, wer hat welches Fachgebiet, wo kann ich hin? Ein Anruf in der Geschäftsstelle oder eine Mail und sie kriegen fast immer eine Antwort, die alle glücklich macht.
Pignon: Wie engagiert sich die DGIM insbesondere bei den jungen Ärzten für die Weiterbildung und die Unterstützung?
Müller-Ladner: Naja, wir sehen uns schon so, dass wir uns da – weil wir ja in vielen Gremien mit drin sind – für die junge DGIM engagieren. Das heißt aber auch, dass wir im konstanten Dialog sind. Wir haben ja die junge DGIM – das heißt, wir möchten ja, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Zukunft bestimmen, gleich von Anfang an mitmachen und uns auch entsprechende Hinweise geben, wo es vielleicht hier und da fehlt. Das geht dann auch in die entsprechenden Kommissionen rein. Weiterbildungsordnung oder auch studentische Ausbildungskommission – all diese Dinge werden abgedeckt.
Pignon: Wie sieht die Zukunft der Inneren Medizin aus, würden Sie sagen? Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie da für uns als nächste Generation?
Müller-Ladner: Spannend, interessant, vielfältig. Man muss sich mal überlegen: Man möchte ja erst mal Arzt werden und möchte jedes Problem, das auf einen zukommt, lösen. Die Innere Medizin und die entsprechende Medikation und die Techniken haben enorme Fortschritte gemacht. Das heißt, wenn ich jetzt so 30 Jahre zurückdenke, auch in meinem eigenen Fachgebiet, da hatten wir für bestimmte Erkrankungen zwei Medikamente, jetzt sind es 20.
Das heißt, wir können Lösungen maßschneidern. Das macht die Welt bunt und interessant und vielfältig. Und ich glaube, dass es keinen Internisten und keine Internistin gibt, die nicht einmal in der Woche irgendwas Neues sieht, was sie weder gelernt noch gesehen hat. Das heißt: Langweilig wird es nicht und man kann auch auf vielfältige Art dazu beitragen, dass es noch interessanter wird – für sich selber. Aber auch, dass man wirklich allen Patienten, die zur Tür reinkommen, eine Lösung anbieten kann. Und das ist etwas, was besonders ist, auch vielen anderen Berufen gegenüber. Langweilig wirds nicht!
Pignon: Das stimmt! Wie kann man als Medizinstudent in der Inneren Medizin erfolgreich sein und erfolgreich werden? Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sind da Ihrer Meinung nach wichtig?
Müller-Ladner: Im Prinzip: neugierig und motiviert bleiben. Motiviert, das ist immer so ein Allerweltsbegriff. Aber ich denke, das ergibt sich von selbst, wenn man die Neugier mitbringt, Neues zu lernen und es auch anzuwenden, dann kann man es auch direkt jeden Tag umsetzen. Wichtig ist trotzdem auch in manchen Phasen vielleicht nicht die Geduld zu verlieren. Wann werde ich jetzt endlich Facharzt oder wann habe ich das? Man muss ein bisschen reifen – das begreift man erst, wenn man ein bisschen älter ist, ganz klar.
Aber ich denke, man kann das schon umsetzen, indem man auch sagt: Ich habe konkret die und die Vorstellung. Auch zu den Weiterbildungen gehen und sagen: Ich möchte das und das lernen. Die warten manchmal auch drauf, dass was kommt und möchten halt auch nicht gegen eine Wand reden und dass dann alle stumm rumsitzen. Gerade diejenigen, die sagen: „Ich habe eine Idee, ich möchte es realisieren, ich möchte das austesten“ – das ist das, was einen dann auch wirklich weiterbringt.
Pignon: Was sagen Sie zu den diskutierten Themen wie zum Beispiel die Überforderung der Ärzte oder auch schlechte Arbeitsbedingungen, die Burnout-Rate, die bei Ärzten ja extrem hoch ist?
Müller-Ladner: Das ist ein bisschen schwieriges Feld, weil das für jeden Einzelnen unterschiedlich empfunden wird. Ich komme selber aus einer Babyboomer-Generation, wo es tatsächlich so war: Man hat 30 Bewerbungen losgeschickt und zwei kamen zurück. Das heißt, damals war halt publish or perish. Wer gegangen ist, war weg. Das war sicherlich nicht die richtige Lösung. Das soll nicht so sein. Das ist auch in Zukunft anders und muss auch anders gestaltet werden.
Es heißt aber letztendlich: Ja, auf der einen Seite gibt es ein Leben außerhalb der Klinik. Auf der anderen Seite: Manchmal passieren die spannenden Dinge gerade so am Schluss und die Balance muss man einfach so ein kleines bisschen finden. Heißt letztendlich, man muss für sich selber wissen, wie viel man sich zumuten kann. Es gibt für vieles Lösungen. Es gibt auch Teilzeitmodelle, die mehr etabliert werden müssen, um genau das zu vermeiden, was Sie gerade gesagt haben. Dass man nicht irgendwann das Gefühl hat, man wird von der Tagesarbeit erschlagen.
Da gehört natürlich auch dazu, dass die Patienten anspruchsvoller geworden sind. Alles muss es schnell, gleich und sofort geben und natürlich mit viel Liebe und Zuwendung. Geht auch nicht jeden Tag. Auch da muss man den Ärztinnen und Ärzten zugestehen, dass auch deren Kraft endlich ist. Aber insgesamt glaube ich, dass man sich in dem Beruf doch wohlfühlen kann und manchmal Dinge auch so ein kleines bisschen herbeigeredet werden – weil halt alle irgendwie nur negativ sind. So schlimm ist es wahrscheinlich nicht. Aber wenn Dinge wirklich schwierig sind, muss man die auch ansprechen.
Pignon: Würden Sie heutzutage wieder Medizin studieren und den gleichen Weg gehen, den Sie gegangen sind?
Müller-Ladner: Also den ersten Teil würde ich auf jeden Fall mit Ja beantworten. Zum zweiten Teil: Es waren so viele Zufälle, die meinen persönlichen Weg bestimmt haben, sodass ich den gleichen Weg sicherlich nicht mit den gleichen Zufällen noch mal gehen kann. Aber was meine jetzige Tätigkeit anbelangt, nämlich Rheumatologie, klinische Immunologie – auf jeden Fall. Weil das Fach interessant, hoch variabel und spannend ist und es eigentlich auch hier nie langweilig geworden ist.
Pignon: Was geben Sie uns Medizinstudenten mit auf den Weg?
Müller-Ladner: Neugierig bleiben, interessiert bleiben und die Medizin für sich als Gewinn ansehen. Und was vielleicht ganz wichtig ist, weil dieser Begriff „Job“ ja so allgegenwärtig ist: Es gibt kaum einen Beruf als Alternative, wo Sie jeden Tag ein Dankeschön kriegen von den Patienten und jemanden glücklich machen können. Und das trägt wirklich auch durch vielleicht mal ein bisschen schwierigere Zeiten. Also, es ist ein bisschen ein Privileg, trotz allem Medizin studieren zu können. Da muss man viel für arbeiten, vor allem in der Schule schon viel vorarbeiten. Das darf man nicht so ganz vergessen. Es wollen viele – nicht viele oder nicht alle können das machen. Also ein kleines bisschen stolz drauf zu sein, dass man es kann, kann man ruhig auch mal, das trägt auch so ein bisschen.
Pignon: Jetzt noch zuletzt eine, wie ich sogar finde, die wichtigste Frage aus der Community: Kann ich den Citratzyklus auf Lücke lernen?
Müller-Ladner: Sie können es versuchen! Das Dumme dabei ist: Diese Lücke wird irgendwann mal genau das Problem ansprechen, das Sie klinisch lösen müssen. Aber man kann ja manche Sachen später auch schnell nachschauen und dann diese Lücke ganz elegant zuschaufeln. Alles wissen können Sie sowieso nicht.
Pignon: Ich glaube, da haben Sie jetzt einigen Medizinstudenten wirklich die Hoffnung genommen. Vielen Dank, Herr Professor Müller-Ladner, für das nette Interview und dass Sie sich Zeit für uns Medizinstudenten genommen haben.
Müller-Ladner: Sehr gerne.
Bildquelle: Dom Fou, Unsplash