Von der Entdeckung eines vielversprechenden Wirkstoffs bis zu dem Zeitpunkt an dem der Arzt seinem Patienten ein neues Medikament verschreiben kann, vergehen durchschnittlich zehn Jahre. In dieser Zeit hat es viele Entwicklungsschritte durchlaufen. Zunächst werden in vorklinischen Untersuchungen die Wirksamkeit und Sicherheit vieler Wirkstoffkandidaten geprüft. Ziel ist es, optimierte Substanzen zu selektieren, die danach erstmals am Menschen getestet werden können. Die anschließenden drei klinischen Studienphasen sind die eigentliche "Bewährungsprobe" für die Wirkstoffkandidaten. In diesem Zeitraum müssen sie sich hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit beim Menschen beweisen. Nur die Substanz, die eine Phase erfolgreich überstanden hat, wird weiter getestet. Phase I prüft den Wirkstoff an freiwilligen, gesunden Testpersonen im Hinblick auf die Verstoffwechselung, die Verträglichkeit und Sicherheit. Damit die Probanden die bestmögliche Betreuung erhalten, finden diese Studien in spezialisierten Krankenhäusern oder speziellen Forschungsinstituten statt. Die Forscher erhalten in dieser Phase erste Erkenntnisse darüber, wie sich der Wirkstoff im menschlichen Körper verhält und welche Effekte er auf den Organismus ausübt. In Phase II wird die Substanz erstmals an Patienten hinsichtlich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Dosierung geprüft. Die Forscher teilen die Patienten in vorab festgelegte Gruppen ein und verabreichen ihnen verschiedene Dosierungen des Wirkstoffs. Auf diese Weise sammeln sie Erkenntnisse darüber, ob sich der gewünschte therapeutische Effekt einstellt, über die geeignete Therapiedosis sowie mögliche Nebenwirkungen. In Phase-III-Studien werden die entscheidenden Daten zur Wirksamkeit an vielen Patienten ermittelt, die für die Zulassung des Medikaments erforderlich sind. Auch werden Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten beobachtet und dokumentiert. Die Substanz wird entweder gegenüber einem Scheinmedikament (Placebo) oder einem Vergleichsmedikament getestet. Welcher Patient welchen Wirkstoff erhält, entscheidet der Zufall. Im Anschluss an die dritte Phase werden alle Studienergebnisse der Zulassungsbehörde zur Bewertung eingereicht. Für Deutschland ist die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zuständig. Die wissenschaftliche Bewertung der Antragsunterlagen wird vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) vorgenommen, der monatlich tagt. Das CHMP-Gremium erstellt dann einen Bericht und gibt eine Empfehlung. Bei einer positiven Zulassungsempfehlung ist die nächste Instanz die EMA, die darauf basierend einen abschließenden Bericht publiziert. Erst im Anschluss darf das Medikament in der EU auf den Markt gebracht werden. Nach der Zulassung eines Medikaments können weitere Studien der sogenannten Phase IV zur Beantwortung spezieller Fragen wie zum Beispiel der weiteren Risiko-Nutzen-Abschätzung bei Patienten mit mehreren Begleiterkrankungen durchgeführt werden. Wenn dabei neue Erkenntnisse erzielt werden, so sind sie den Behörden zu melden und werden von diesen bewertet. Dieses als „Pharmakovigilanz“ bezeichnete Verfahren kann dazu führen, dass die Informationen des Beipackzettels dem aktuellen Stand des Wissens angepasst werden. Von den ersten Ideen der Wissenschaftler bis zur Zulassung eines Präparats durch die Behörden werden im Mittel 793.000.000 Euro investiert. Durchschnittlich sind 423 Forscher an der Entwicklung eines Medikaments beteiligt. Sie wenden bis zu 7 Millionen Arbeitsstunden auf und führen über 6.500 Experimente durch, bevor der Arzt seinem Patienten das neue Medikament verschreiben kann.
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