Die Gebrechlichkeit von Patienten ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor bei Herzoperationen und kathetergestützten Herzklappeninterventionen. Doch wie genau lässt sich diese bewerten?
In der Umgangssprache gelten Menschen als gebrechlich, wenn sie durch den Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit den Alltag nicht mehr ausreichend bewältigen können. Dies geschieht zumeist altersbedingt. Die Medizin definiert den Begriff Gebrechlichkeit (Frailty) als einen Zustand, bei dem physische und geistige Schwäche den Alltag einschränken oder die Lebensbewältigung reduzieren. Die Frailty ist auch ein Risikofaktor bei Operationen und gilt in der medizinischen Literatur seit langem als bedeutsamer Faktor zum Beispiel für eine erhöhte Sterblichkeitswahrscheinlichkeit, insbesondere nach Herzoperationen oder nach katheterbasiertem Ersatz erkrankter Aortenklappen (TAVI).
Doch anhand welcher Messmethoden und -werte lässt sich Frailty in diesen Bereichen am besten einheitlich festlegen und bewerten? Darüber gab es bisher zwischen den kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften Europas keine Einigkeit.
Um dies zu ändern, wurde mit Unterstützung von Professor Volkmar Falk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und zugleich Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC), eine fachgebietsübergreifende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Den beiden Leitern, Herzchirurg PD Simon H. Sündermann, und seinem kardiologischen Partner, Prof. Josef Niebauer von der Universität Salzburg, standen in dieser Taskforce Kollegen aus Herzchirurgie, Kardiologie, Anästhesiologie, Geriatrie und der Biostatistik zur Seite.
Das Ergebnis dieser intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit wurde jetzt als gemeinsames Positionspapier der beiden europäischen Fachgesellschaften der Herz-/Thoraxchirurgen (EACTS) und der Präventiv-Kardiologen (EAPC) auf dem Jahreskongress der europäischen Vereinigung für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) vorgestellt und sowohl im European Journal of Cardiothoracic Surgery als auch dem European Journal of Preventive Cardiology publiziert: eine detaillierte Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstands und der sich daraus ableitenden fachübergreifend empfohlenen Verfahren zur Bewertung der Frailty.
Das Konsensuspapier definiert Kriterien zur Bestimmung der Gebrechlichkeit und deren Aussagekraft, etwa in Bezug auf die zu erwartende Lebensqualität nach herzchirurgischen Eingriffen und TAVI, das Auftreten von postoperativen Komplikationen oder die Sterblichkeit der Patienten. Zudem enthält das Konsensuspapier Empfehlungen zur Durchführung eingriffsvorbereitender Maßnahmen, die zu einem besseren klinischen Zustand der Patienten beitragen können. „Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit der bestmögliche Ansatz für die Patient:innen und deren Sicherheit ist“, betont Falk. „Wir wollen nachhaltig dazu beitragen, dass Ergebnisse in der Frailty-Forschung belastbar verglichen und klinische Behandlungsstandards weiter etabliert werden können. Auf diesem Weg sind wir nun einen großen Schritt weitergekommen“, sagt Sündermann.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Thorax- Herz- und Gefäßchirurgie.