Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-WSG) liegt nun seit einigen Tagen als Entwurf auf dem Tisch. Stolze 540 Seiten warten auf ihre geduldige Verdauung. Im Unterholz des Entwurfs findet sich auch ein unscheinbarer Passus, der die Weitergabe von Verordnungsdaten durch den Vertragsarzt stark einschränkt.
Die Weitergabe von Verordnungsdaten ist zwar innerhalb der Ärzteschaftumstritten, aber für viele niedergelassene Ärzte eine gängige Praxis.Anbieter wie MediMed oder IMS erhalten regelmäßig die Verordnungsdatenaus der Praxissoftware zugespielt - im Gegenzug erhält der Arzt einenVergleich der eigenen Verordnungen mit dem Fachgruppendurchschnitt undeine Aufwandsentschädigung. Reich ist am Verkauf der Verordnungsdatennoch kein Arzt geworden. Der Fachgruppenvergleich jedoch ist beliebt,gibt er dem Vertragsarzt doch Auskunft darüber, ob einArzneimittelregress droht oder nicht.
Das soll nun anders werden. Im Abschnitt 209 des aktuellenGKV-WSG-Entwurfs findet sich eine Änderung des §305a SGB-V. Dortheißt es:
"Ist gesetzlich nichts anderes bestimmt, dürfen Vertragsärzte Datenüber die von ihnen verordneten Arzneimittel nur solchen Stellenübermitteln, die sich verpflichten, die Daten ausschließlich alsNachweis für die in einer Kassenärztlichen Vereinigung oder einergrößeren Region insgesamt in Anspruch genommenen Leistungen zuverarbeiten."
Weiter präzisiert der Entwurf:
"Eine Verarbeitung dieser Daten mit regionaler Differenzierunginnerhalb einer kassenärztlichen Vereinigung, für einzelneVertragsärzte oder Einrichtungen sowie für einzelne Apotheken istunzulässig."
Geschickter Schachzug
Hinter dieser Formulierung stecktnatürlich nicht die Sorge um den Datenschutz, sondern eingeschickter politischer Schachzug: Der pharmazeutischen Industrie soll die Möglichkeit genommen werden, das Verschreibungsverhalten derÄrzte in einzelnen Regionen, den so genannten "RPM-Bezirken" zuerfassen. Diese Daten verwenden die Unternehmen unter anderem für dieSteuerung ihres Außendienstes.
Wie der geblendete Polyphem,so wahrscheinlich das Kalkül der Gesundheitspolitiker, soll auch dermächtige Pharmaaußendienst in Zukunft blind durch den Arzneimittelmarktirren. Listig heißt es im Änderungskommentar: "Damit wird die Aufgabeder Pharmaberaters auf die eigentlichen Zwecke des Arzneimittelgesetzeszurückgeführt, nämlich die Information des Arztes".
Umstellung für den Arzt
Das ist für die Pharmaunternehmen eine bittere Pille. Die neuen Regelnbedeuten aber auch für den Arzt Änderungen. Zwar ist die Weitergabe derVerordnungsdaten auch in Zukunft nicht ausdrücklich verboten. Aberjeder Arzt, der seine Daten weitergibt, wird nun genau hinschauenmüssen, in welcher Tiefe seine Daten verwendet werden. Sonst macht ersich unter Umständen strafbar.
Auch ein weiterer Kollateralschaden ist zu befürchten. Wenn dieAnbieter von Verordnungsdaten ihr Geschäft weitgehend schließen können,werden Sie den Ärzten kaum wie bisher kostenlos den regionalenVergleich mit ihrem Fachgruppendurchschnitt zuspielen. Damit fällt fürden Arzt ein wichtiges Steuerungsinstrument gegen Regresse weg. Dasdürfte dem Gesetzgeber ganz recht sein. Denn schlechter informierteÄrzte verordnen vorsichtiger. Mit der Änderung des §305 SGB-V ist alsoeine echte Doppelverblindung gelungen - ganz im Sinne derStaatsmedizin.