Unkontrollierte Bewegungen und Grimassenschneiden führten zum Namen "Veitstanz". Wissenschaftler sprechen in dem Zusammenhang von der Huntington Krankheit. Der geistige, physische und emotionale Zerfall ist Gegenstand vieler Forschungen, bei denen die "Tanzmaus" eine Rolle spielt.
Touch Screen im Kampf gegen kognitive Verluste
Mit einem speziellen Touch Screen wollen Wissenschaftler Tests vonMedikamenten zur Behandlung von Huntington Disease (HD) beschleunigen.Die neue Technologie soll vor allem einfachere und humanereTestbedingungen im Kampf gegen den kognitiven Zerfall liefern. Alserschwerend bei traditionellen Verfahren wirkt sich bisher die heftige,unkontrollierte Motorik der HD-Betroffenen aus, so die Forscher derDepartments of Pharmacology and Experimental Psychology an derCambridge University. Sie publizierten kürzlich ihre Erfahrungen mitdem speziell entwickelten TouchScreen u.a. in EurekAlert. In Versuchen mit Veitstanz-Mäusenkonnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das Verfahren funktioniert- und zwar ohne mühevolle Bewegungen. Die "Probanden" müssen in denTests lediglich ihre Nasen gegen den sensitivierten Computer-Bildschirmdrücken, um eine spezielle Aufgabe zu beantworten.
HD-Mäuse sind lernfähig
In den Test der Cambridger Forscher waren normale Mäuse und solchemit HD Genmutation gleichermaßen involviert. Ihre Aufgabe bestanddarin, von zwei Bildern auf dem Bildschirm das Richtige mit einem"Nasenstüber" auszuwählen. Bei erfolgreichem Erkennen gab es alsBelohnung ein Leckerbissen. Beide Mausgruppen lernten in 10 Tagen diekorrekte von der falschen Darstellung zu unterscheiden. Als dieBelohnungsregel genau anders rum galt, taten sich die krankenArtgenossen allerdings schwer mit der richtigen Zuordnung perNasendruck. Lediglich jüngere Mäuse, bei denen die Krankheit noch nichtso weit fortgeschritten war, hatten ein bißchen mehr Erfolg. DieCambridge-Forscher sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Sie sehendarin klare Hinweise, dass der Verlust der kognitiven Fähigkeiten nichtals zweitrangig gegenüber der Einschränkung der motorischen Funktioneneinzuordnen ist. Außerdem sei bestätigt, dass die kognitiven Problememit zunehmendem Alter schlimmer werden. Die Forscher fordern deswegen,den Fokus stärker auf die Entwicklung von Behandlungsmethoden gegen denkognitiven Zerfall bei HD-Kranken zu richten. DocCheck versuchte vonadäquaten Forschungseinrichtungen in Deutschland eine Stellungnahme zuden Ergebnissen mit dem "Touch Screen"zu erhalten, aber offensichtlichmangelt es auch in unseren Landen an kognitiven Ansätzen.
Molekulare Anstandsdamen gegen Fehlfaltung
Dafür scheint es an weltweiten Forschungsaktivitäten hinsichtlichder Mobilitäts-Einschränkung bei HD nicht zu mangeln. Zumindest sprichtdie Zahl der Symposien, Konferenzen und Publikationen dafür. In Berlinist es vor allem das Max-Dellbrück-Centrum für Molekulare Medizin(MDC), das internationale Konferenzen ausrichtet, unterstützt vom NationalenGenomforschungsnetz (NGFN). Das Interesse der Forschung kommtnicht von ungefähr. Da Chorea Huntington zu den neurodegenerativenKrankheiten zählt, kommen die Ergebnisse auch Alzheimer, Parkinson, etczu gute und umgekehrt. Auf der letzten Berliner Tagung, an der 200Wissenschaftler aus aller Welt teilnahmen, wurden zahlreiche neueErkenntnisse diskutiert. So wurde u.a. eine weitere Familie vonAnstandsdamen, so genanntenChaperonen, von Professor Ulrich Hartl vomMax-Planck-Institut vorgestellt. Seit 1997 weiß man, dass Ablagerungenund Verklumpungen in den Nervenzellen - bekannt als Ursache fürneurodegenerative Erkrankungen - durch fehlgefaltete Proteine entstehen. Die Anstandsdamen können die falsche Faltung verhindern unddie korrekte unterstützen. Inwieweit die neuen Erkenntnisse zurEntwicklung von Therapien genutzt werden können, muss von den BerlinerWissenschaftlern noch untersucht werden.
Veitstanz der Mäuse gestoppt
Fast zeitgleich kommt eine hoffnungsvolle Meldung von Forschern am Centrefor Molecular Medicine and Therapeutics (CMMT) in Vancouver,Canada. Sie berichten, dass es ihnen in einem Mausmodell gelungen ist,die Zerkleinerung des Huntington-Protein zu verhindern mit demErgebnis, dass die Mäuse keine Degenerationen mehr im Gehirn aufwiesen.Ihr Ansatz ist, dass das Enzym "Caspase-6" das mutierte Molekülzerschnippelt. Verändert man die Schnittstelle, dann bleibt Huntingtonganz und die Maus beschwerdefrei. Allerdings sind auch auch sie noch imUngewissen darüber, ob sich die Erkenntnisse auf den Mensch übertragenlassen. Die Hoffnung könnte sich ganz schnell zerschlagen, wenn sichherausstellt, dass die Ablagerungen in den Nervenzellen gar nicht dieUrsache von HD sind. Auch daran wird noch geforscht.