Das Thema bedarf einer Klarstellung. Erstens: Eine "Pille" für den Mann zur Kontrazeption gibt es nicht. Tatsächlich wird injiziert, implantiert, geklebt - aber nicht geschluckt. Zweitens: Keine der Verhütungs-Methoden hat es bisher zur Marktreife gebracht. Bei der neuesten Variante soll das Sperma mit einem Gelpflaster unschädlich gemacht werden.
Die so genannte "Männer-Pille", der Begriff wird häufig in Analogiezur Antibaby-Pille benutzt, beschäftigt Wissenschaftler seitJahrzehnten. Oft scheitern die Entwicklungen an der Forderung, dass diemännliche Kontrazeption sowohl sicher, einfach in der Anwendung,reversibel als auch weitestgehend frei von Nebeneffekten sein soll.Warum Vasektomie oder Kondome nicht ausreichen, hat verschiedeneGründe. Erstens ist die Aufhebung der Spermienbremse teuer und nichtimmer erfolgreich und zweitens sind die Verhüterli nicht 100-prozentigsicher. Drittens spielen gesellschaftliche Aspekte eine Rolle. In derwestlichen Hemisphäre sind es u.a. ästhetische Reize bzw. dasVerständnis partnerschaftlicher Fairness, die ein Kontrazeptivum fürden Mann erwünschenswert machen. Für die WHO hingegen steht dieBedrohung einer wachsenden Überbevölkerung im Vordergrund. Dahererstaunt es nicht, dass im Kampf gegen die Zeugungsfähigkeit derSpermien Inder und Chinesen die Nase vorn haben. Die neuesteEntwicklung stammt denn auch von einem Hongkong-Chinesen. Das von ihmvorgestellte chemische Präparat hat gegenüber hormonellen Produkten denVorteil, dass es Knochen, Muskeln und die Libido intakt lässt.
Chemischer Direktangriff auf den Hoden
Das neue chemische Kontrazeptivum von C. Yan Cheng und Kollegen wurde im Oktober in Nature Medicine vorgestellt. Cheng forscht seit 1981 als Biochemiker und Zellbiologe am PopulationCouncil`s Center for Biomedical Research in New York. Die Grundlage fürsein neues Präparat ist ein synthetischer Stoff namens AF-2364. Dasinzwischen als Adjutin bekannte Medikament verhindert, dass die unreifen Spermazellen im Hodenan die Sertoli-Zellen andocken. Auf diese Weise wird die Spermatogeneseunterbunden und die Samenfäden bleiben harmlose Gesellen.
Gelpflaster statt Spritze
In Labortests wurde Ratten das Adjutin zunächst in hohen Dosen oralverabreicht, was allerdings Leberentzündungen und Muskelatrophieverursachte. Um diese Nebeneffekte zu umgehen, nutzten die Forschereinen chemischen "Postmaster" für das Adjutin, eine mutierte Form desFollikel-stimulierenden Hormons (FSH ). Derart ausgestattet, kann dieerweiterte Substanz nunmehr in geringeren Dosen injiziert werden - undzwar intraperitoneal, d.h. über die Bauchhöhle. Das FSH sorgt dafür,dass der Stoff auf direktem Weg in den Hoden gelangt. Mit diesem neuenAnsatz sind die Forscher um Cheng sehr zufrieden. Die Ratten warenzeugungsunfähig, es traten keine Nebeneffekte auf und nach einigenMonaten war die Fruchtbarkeit der Spermien wieder hergestellt. Umverhütungswilligen Männern die Spritzen zu ersparen, wird jetzt amPopulation Council Center an einem Gelpflaster, das die Stoffe über dieHaut abgeben soll, gearbeitet.
Chinesen kurz vor Marktreife des Testosteronundecanoat
Bis das Gelpflaster in der Apotheke verfügbar ist, wird noch geraumeZeit vergehen, vor allem auch, weil die vorgeschriebenen klinischenStudien fehlen. Die meisten Entwicklungen männlicher Kontrazeptiva, obsie nun IVD ,RISUG, Gossipol, etc. heißen, sind schon weiter, d.h. siestecken in Phase-I- oder Phase-II-Studien. Große Hoffnung machte sichdas deutsch-holländische Entwickler-Duo, d.h. Schering und Organon. Fürihr hormonelles Präparat, das die Ausschüttung der Botenstoffe LH(Luteinisierendes Hormon) und FSH im Hoden unterbinden soll, war diesesJahr die Phase-III-Studie geplant. Daraus wird wohl erst mal nichts,denn die beiden haben kürzlich ihre Zusammenarbeit eingestellt. Grund:Die Darreichungsform verspreche keine breite Akzeptanz. Dafür scheinendie Chinesen mehr Fortune zu haben, was die baldige Marktreife desTestosteronundecanoat betrifft. Ihr Tausend-Betten-Test hat sichbereits als hoch effizient erwiesen, so ProfessorDr. Eberhard Nieschlag , Direktor am Institut fürReproduktionsmedizin an der Uni Münster. Der Münsteraner hat für dieDurchführung eigener klinischer Studien zur männlichen KontrazeptionFördermittel von der WHO, dem Population Council, der deutschenForschungsgemeinschaft, dem BMG und der Pharmaindustrie erhalten.