Am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) ist erstmals in Europa eine nervenchirurgische Operation für eine gedankengesteuerte Armprothese durchgeführt worden. Amputierte könnten so ein großes Stück Lebensqualität zurückgewinnen.
Der Verlust einer oder beider Arme im Schultergelenk bedeutet für viele Unfallopfer nicht nur eine gravierende Beeinträchtigung körperlicher und seelischer Art, auch die Versorgung dieser Patienten war bisher wenig zufriedenstellend: Die Steuerung der vielen aktiv beweglichen Gelenke der verfügbaren Prothesen sind zu komplex und die technischen Möglichkeiten ließen nur eingeschränkte Bewegungsabläufe zu. Wissenschaftler der Medizinischen Universität Wien erarbeiteten nun eine Lösung: Durch enge wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklern der bionischen Armprothese konnten die Plastischen Chirurgen europaweit erstmalig eine operative Nervenverlagerung zur Impulsübertragung vom Gehirn zur Armprothese erfolgreich durchführen.
Von der Fiktion zur Realität
Die bionische Armprothese der Otto Bock Healthcare Products GmbH ermöglicht das, was bis kurzem noch als Fiktion galt: Modernste Technologie, sechs eingebaute Motoren und ein Miniaturcomputer bilden zusammen eine Schnittstelle zwischen dem Gehirn und der Prothese. Gesteuert wird der Kunstarm mit der Kraft der Gedanken. "Das Gehirn glaubt dass der amputierte Arm vorhanden ist", erklärt Univ-Prof. Dr. Manfred Frey von der Klinischen Abteilung für Wiederherstellende und Plastische Chirurgie am AKH Wien. Möglich wird das durch eine Operation, die in den USA fast schon Routine geworden ist: Fünf Nerven, die ursprünglich zum Arm und der Hand des Patienten führten, werden von der Schulter in die Brustmuskulatur verlagert. Sobald sie dort eingewachsen sind, nehmen Elektroden über der Haut die ankommenden Nervenimpulse auf und leiten sie an den Mini-Computer der Prothese weiter. Auf diese Weise führt der Kunstarm seine Bewegungen aus. Die Impulse gehen also vom Gehirn über die Nerven an der Schulter zu den Brustmuskeln weiter zur bionischen Prothese.
Impulserzeugung über Brustmuskulatur
Für die Impulserzeugung im Gehirn spielt es keine Rolle, dass die Nerven zum amputierten Arm mit anderen Muskeln verbunden sind. "Wenn der Patient daran denkt, seinen Arm zu heben, wird sich auch die Prothese entsprechend bewegen", ist Freys Kollege Univ-Prof. Dr. Oskar Aszmann überzeugt. Unter Anwesenheit der US-amerikanischen Chirurgen Todd Kuiken und Gregory Durnanian aus Chicago operierten die beiden Plastischen Chirurgen im Dezember einen 20 Jahre jungen Österreicher, der bei einem Starkstromunfall im vergangenen Jahr beide Arme verlor. Bis seine verlagerten Nerven in die Brustmuskulatur eingewachsen sind und dort selektiv die einzelnen Bereiche ansteuern, bedarf es aber einer intensiven physikalischen Therapie. Sie wird mindestens sechs Monate dauern. Funktioniert danach seine bionische Armprothese, wird der junge Mann ein wesentliches Stück Lebensqualität und Unabhängigkeit zurückgewinnen.