Trotz farbenfroher Optik gelten Kondome als Lustkiller. Den Kampf gegen Geschlechtskrankheiten, insbesondere HIV, scheinen sie verloren zu haben, wie neue Statistiken belegen. Die neue Hoffnung sind Gels, die in zahlreichen Labors dieser Welt mit unterschiedlichen Mikrobiziden entwickelt werden, beispielsweise das "flüssige Kondom" für Frauen.
Das "flüssige Kondom", ein Forschungsprojekt an der University of Utah, soll Frauen helfen, sich in Eigenverantwortung vor Geschlechtskrankheiten wie HIV zu schützen. Es soll aber auch zur Verhütung von ungewollten Schwangerschaften appliziert werden können. Die Forscher um Professor Patrick Kiser bezeichnen das smarte Vaginal-drug delivery system (DDS) als "molecular condom", was mit "flüssigem Kondom" übersetzt wurde. Es handelt sich dabei um ein Mikrobizid, das bei Raumtemperatur flüssig ist und nach dem Auftragen in der Vagina zu einem Gel wird. Außerdem ist es pH-sensitiv, d.h., wenn das Hydrogel in Kontakt mit dem männlichen Samen kommt, verflüssigt es sich und inaktiviert auf diese Weise Viren, bevor sie mit dem Gewebe der Vagina in Berührung kommen. In das Hydrogel können unterschiedliche Wirkstoffe eingebaut werden, z. B. eben auch Medikamente zum Schutz vor Schwangerschaft. Von Nachteil ist bisher noch, dass das Gel sehr schnell seine Wirkung verliert und daher kurz vor dem Sex angewandt werden muss. Aber, "we`re shooting for a microbicide delivery system that would be used once a day or once a month", so Patrick Kiser. Das fertige Produkt soll in etwa fünf Jahren zur Verfügung stehen.
Götterspeise, Babypopo und Mikrobizide
Hydrogele sind vielseitig einsetzbar. Die Götterspeise, in der das Polymergel aus Gelatine aufgebaut ist, gehört ebenso dazu wie die Windel, die einen trockenen Babypopo garantiert. Hydrogel-Kontaktlinsen reduzieren die Entzündungsgefahr. Sie unterstützen die Züchtung von Knorpelzellen oder Brustimplantaten und Bioingenieure, wie Patrick Kiser, nutzen smarte Hydrogele zur gesteuerten Freisetzung von Medikamenten. Die Technik nutzen auch brasilianische Forscher im Kampf gegen HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten. Sie fanden vor der Küste Brasiliens eine Alge, die als Mikrobizid eine Sperre zwischen Virus und Schleimhaut bilden könnte. Die ersten Tests machten die Forscher vom Oswaldo Cruz Institut zuversichtlich. Aber offensichtlich ist es doch ein weiter, mühseliger Weg bis zur Marktreife, wie jetzt ein misslungener Test bestätigt.
WHO stoppt Test mit Anti-Aids-Gel
Einen herben Dämpfer erhielt gerade ein Anti-Aids-Gel, das auf dem Wirkstoff Zellulosesulfat aufbaut. Ein groß angelegter Test mit 1.300 Frauen aus Südafrika, Benin, Uganda und Indien musste jetzt von der WHO gestoppt werden, weil sich die Frauen mit dem eingesetzten Mikrobizid mehr infizierten als ohne. Das Präparat befand sich bereits in der dritten Phase der klinischen Studien. Die Gründe für die Unverträglichkeit sind noch nicht bekannt. Weltweit werden derzeit noch andere Mikrobizide von Wissenschaftlern getestet. In Südafrika wird beispielsweise "Carraguard", das auf dem Wirkstoff Carrageen beruht, an 6.000 Frauen gestestet. Abschließende Ergebnisse sollen Ende 2007 vorliegen. Weitere Studien laufen u.a. mit BufferGel, einem Gel auf wässeriger Basis, das Spermien ebenso abtötet wie das HIV und das Herpes-simplex-Virus. Auf Chlamydia trachomatis und das humane Papillomavirus soll BufferGel ebenfalls hemmend wirken. Man kann nur hoffen, dass diese Tests von mehr Erfolg gekrönt sind und die Feststellung von Zeda Rosenberg, Sprecherin der International Partnership for Microbicides (IPM), nicht zutreffend ist: "We must constantly bear in mind that the majority of drugs that enter the clinical trial process fail."